Berlin (epo.de). - Das
Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) sieht aufgrund der “rasant steigenden Nachfrage” nach High-Tech-Metallen langfristig wirtschaftliche Probleme auf Deutschland zukommen. In der am Freitag in Berlin vorgestellten Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien” warnt das Institut, die Nachfrage nach Metallen wie Indium, Gallium oder Neodym könnte im Jahr 2030 drei- bis sechsmal so hoch sein wie die heutige Produktion beträgt. Zudem kämen viele dieser Rohstoffe nur in wenigen Ländern vor, “die zudem in politisch instabilen Regionen liegen”. Als Folge könnten Rohstoffengpässe zum Beispiel den massenhaften Ausbau der Solarenergie begrenzen.
Zukunftstechnologien wie Hybridautos, die Dünnschicht-Photovoltaik oder energieeffiziente Flachbildschirme benötigen der Studie zufolge, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde, seltene Metalle mit besonderen Eigenschaften. In Elektromotoren für Hybridfahrzeuge stecken Neodym-Magnete; das Halbleiter-Metall Gallium wird für Mikrochips in Mobiltelefonen verwendet.
“Eine Reihe von Zukunftstechnologien ist auf bestimmte seltene Metalle so stark angewiesen, dass ihr massenhafter Ausbau durch Rohstoffengpässe bedroht ist”, warnte Lorenz Erdmann, Experte für seltene Metalle beim IZT. Der wissenschaftliche Direktor Rolf Kreibich sagte: “Zu den betroffenen Technologien gehören Brennstoffzellen (Platin, Scandium), Hybrid- und Elektrofahrzeuge (Neodym), Elektrooptik (Gallium, Germanium, Indium), Dünnschicht-Photovoltaik (Gallium, Indium, Tellur) und Mikroelektronik (Gallium, Tantal)."
Physiker und Ingenieure des IZT in Berlin und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe erstellten die 400-seitige Forschungsarbeit. Die Wissenschaftler bewerteten in einem ersten Screening knapp 100 Zukunftstechnologien hinsichtlich Stand der Technik, Marktreife, Rohstoffbedarf und Recyclingpotential. Davon wurden 32 Einzeltechnologien vertieft analysiert. Anschließend wurde der für das Jahr 2030 zu erwartende Rohstoffbedarf quantitativ abgeschätzt.
Die beteiligten Wissenschaftler arbeiteten heraus, dass häufig mehrere Zukunftstechnologien auf den gleichen Rohstoff zugreifen. “Sowohl die Displayindustrie als auch Photovoltaikhersteller konkurrieren um das besonders knappe High-Tech-Metall Indium”, sagte Lorenz Erdmann. Indium wird für die transparenten Elektroden auf den Flachbildschirmen und auch für Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid-Solarzellen (CIGS) benötigt.
VERSORGUNGSENGPÄSSE WAHRSCHEINLICH
Bei Indium ergeben die Berechnungen, dass im Jahr 2030 die steigende Nachfrage voraussichtlich das 3,3-fache der heutigen Produktion beträgt. Bei den zu erwartenden Preissteigerungen seien Hersteller von Displays deutlich im Vorteil, weil bei ihren Produkten Indium als Kostenfaktor viel weniger ins Gewicht fällt als bei Solarzellen, so die Studie. “Unabhängig davon, welche Photovoltaik-Technologie sich durchsetzt, rechnen wir damit, dass Rohstoffengpässe den massenhaften Ausbau der Solarenergie begrenzen werden.”
Auch bei Gallium könnte es laut der neuen Studie zu Versorgungsengpässen kommen: So führt beispielsweise die steigende Rohstoffnachfrage nach diesem strategischen Metall für Dünnschichtphotovoltaik und auch für schnelle integrierte Schaltungen dazu, dass der Gallium-Rohstoffbedarf im Jahr 2030 voraussichtlich das Sechsfache der heutigen Minenproduktion betragen könnte.
Lorenz Erdmann wies nachdrücklich drauf hin, dass mögliche Engpässe in der Automobilbranche entstehen könnten: “Das von den Herstellern von Elektroantrieben dringend benötigte Metall Neodym wird im Jahr 2030 ca. 3,8 mal mehr nachgefragt sein als es die Minenproduktion heute hergibt.”
Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf Zukunftstechnologien aus den Branchen Verkehr, Informations- und Kommunikationstechnik, Energie-, Elektro- und Antriebstechnik sowie Chemie, Maschinenbau und Medizin. Insgesamt untersuchten sie 22 zukunftsträchtige High-Tech-Metalle: Kupfer, Chrom, Kobalt, Titan, Zinn, Antimon, Niob, Tantal, Platin, Palladium, Ruthenium, Rhodium, Osmium, Iridium, Silber, Neodym, Scandium, Yttrium, Selen, Indium, Germanium und Gallium.
Die Empfindlichkeit der Rohstoffe verbrauchenden Wirtschaftssektoren sei dort besonderes groß, wo die Möglichkeit fehlt, knappe und teure Rohstoffe zu ersetzen”, so das IZT. “Dies gilt vor allem, wenn diese Rohstoffe nur in wenigen Ländern vorkommen, die zudem in politisch instabilen Regionen liegen.”
Gegenstand der Studie sind auch globale Ungleichgewichte: “Denn einzelne Staaten und Bergbauunternehmen haben Quasi-Monopole bei den abbauwürdigen Vorkommen oder bei der Förderung dieser High-Tech-Metalle. Beispielsweise liegen über 70 Prozent der Indium-Reserven in China.”
Auch die Förderung von “seltenen Erden” wie Neodym werde mit 97 Prozent der Weltproduktion von China dominiert, das bereits eine Exportbegrenzung verfügt habe. Andere seltene Metalle wie Kobalt und Tantal stammten aus von Kriegen erschütterten Regionen wie der Demokratischen Republik Kongo.
Die Studie "Rohstoffe für Zukunftstechnologien" kann für 39 Euro im Buchhandel erworben werden (ISBN 978-3-8167-7957-5).www.izt.de