Berlin (epo.de). - Solarthermische Kraftwerke, die Strom in der Wüste erzeugen, könnten künftig bis zu einem Viertel des weltweiten Strombedarfs decken. Die dazu erforderlichen Kraftwerke, Speicherkapazitäten und Übertragungsnetze seien technisch ausgereift und erprobt, heißt es in der am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Greenpeace-Studie "Sauberer Strom aus den Wüsten". Es fehle jedoch noch ein klares politisches Signal für die umfassenden Nutzung von Wüstenstrom und die notwendige gesetzliche Förderung dieser Technologie.
Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling sagte vor der Presse in Berlin, solarthermische Kraftwerke könnten potenziell dreimal soviel Strom produzieren als alle Atomkraftwerke weltweit. "Und dies sauber, sicher und ohne Folgekosten."
Bis 2050 könnten der Studie zufolge rund 10.000 Solarkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 1.500 Gigawatt installierter Leistung bis zu 7.800 Terrawattstunden Strom produzieren. Im Jahr 2007 erzeugten alle 439 Atomkraftwerke der Welt gemeinsam 2.600 Terrawattstunden Strom.
Nur zwei Prozent der Sahara-Fläche könnten damit den weltweiten Strombedarf decken, erklärte der Autor der Studie, Christoph Richter. Der Forscher am
Deutschen Institut für Luft und Raumfahrt (DLR) und Generalsekretär von
SolarPaces, arbeitet in der einzigen europäischen Wüste im spanischen Almeria. Die CSP-Kraftwerke (CSP = Concentrated Solar Power) konzentrieren das Sonnenlicht in Spiegeln um das Hundert- bis Tausendfache auf ein mit Öl gefülltes Röhrensystem. Der so erzeugte, bis zu 1000 Grad Celsius heiße Wasserdampf treibt eine Turbine an, diese wiederum einen Generator, der den Dampf in in Strom umwandelt. Das spanische Andasol Kraftwerk erzeugt auf zwei Quadratkilometern Fläche eine Leistung von 50 Megawatt, die in riesigen Salzspeichern bis zu 7,5 Stunden lang abgerufen werden kann.
GERINGE LEITUNGSVERLUSTE DURCH SUPERGRIDS
Die Stromübertragung nach Europa wäre der Studie zufolge noch vor einigen Jahren aufgrund der bei weiten Strecken auftretenden Leitungsverluste ein unüberwindliches Hindernis gewesen. Heute, so Richter, stünden mit sogenannten "supergrids" oder Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzen (HGÜ) Technologien zur Verfügung, die es ermöglichen, die Verluste z.B. auf der rund 3.000 Kilometer langen Strecke von der Sahara nach Deutschland auf zehn Prozent zu reduzieren. Nach Greenpeace-Berechnungen könnten so künftig fast ein Viertel der europäischen Stromversorgung und rund 15% des deutschen Bedarfs durch Wüstenstrom gedeckt werden.
Die Greenpeace-Studie "Sauberer Strom aus den Wüsten - Globaler Ausblick auf die Entwicklung solarthermischer Kraftwerke 2009" zeigt zudem, dass solarthermische Kraftwerke bis 2050 den Ausstoß von 4,7 Milliarden Tonnen klimaschädlichen Kohlenstoffdioxides (CO2) verhindern könnten. Diese Einsparung entspricht dem sechsfachen Volumen des derzeitigen CO2-Ausstoßes in Deutschland. Etwa ein Fünftel der im Jahr 2050 nötigen weltweiten CO2-Reduzierung könnte damit aus Solarkraftwerken kommen, erläuterte Böhling.
ZWEI MILLIONEN NEUE ARBEITSPLÄTZE
Für die Weltwirtschaft "wäre die Technologie ein Konjunkturmotor", so Greenpeace. 15 Milliarden Euro könnten pro Jahr an zusätzlichen Investitionen ausgelöst und damit bis 2050 über zwei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Bereits 2020 könnte die Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze auf mehr als 200.000 steigen.
Solarthermische Kraftwerke benötigen Greenpeace zufolge im Gegensatz zu Atom- und Kohlekraftwerken nur für wenige Jahre Anschubfinanzierung. Folgekosten für Atommüll oder Zertifikate für CO2-Emissionen fallen nicht an. Deutschland könnte vom Wüstenstrom in doppelter Weise profitieren: als Importeur sauberen Stroms und als Exporteur für die Technik. Deutsche Anlagenbauer sind bereits weltweit führend.
"Frau Merkel muss das Thema Wüstenstrom endlich aus der Forschungsecke herausholen und auf die internationale Agenda der Klimakonferenzen und des nächsten G8-Gipfels setzen", forderte Böhling. "Solarthermische Kraftwerke können nach der Windkraft und der Photovoltaik zum dritten globalen Exportschlager der Erneuerbaren Energien werden."
KOOPERATION MIT MENA-STAATEN
Für die Umsetzung wären Kooperationen mit den Wüstenländern erforderlich, die darauf basieren könnten, dass die Menschen in den jeweiligen Regionen als erste von der Technologie profitieren. Der Solarstrom müsste zunächst zur Verbesserung der Energie- und Wasserversorgung am Standort eingesetzt werden. Die erheblichen Überschüsse der Produktion könnten dann exportiert werden.
Greenpeace forderte alle Regierungen auf, gemeinschaftlich Konzepte für den Bau von Solarkraftwerken in Wüsten und erforderliche Stromverbundnetze zu entwickeln. Deutschland und Europa sollten zudem mit den Staaten der MENA-Region (Nahost und Nordafrika) gemeinsam eine Roadmap für den Bau von Wüstenkraftwerken und dem erforderlichen Stromverbundnetz erarbeiten. Zudem sollte der Forschungsetat für solarthermische Kraftwerke von derzeit acht Millionen Euro jährlich an das Niveau der Kernfusionsforschung von über 130 Millionen Euro angepasst werden.
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