Frankfurt/Berlin (epo.de). - Die Zollbehörden am Frankfurter Flughafen haben nach Berichten nichtstaatlicher Organisationen eine Ladung des lebensrettenden Antibiotikums Amoxicillin beschlagnahmt, das aus indischer Produktion stammte und für die Republik Vanuatu (Pazifik) bestimmt war. Die BUKO Pharma-Kampagne, medico international und Oxfam Deutschland protestierten am Freitag gegen die Maßnahme vom 5. Mai, das auf dem Transit befindliche Medikament für vier Wochen sicherzustellen, um einen Plagiatsverdacht zu prüfen.
Die entwicklungspolitischen Organisationen verurteilten das Vorgehen des Zolls und forderten eine vollständige Aufklärung der Hintergründe. Die Europäische Kommission müsse dafür sorgen, "dass die zeitnahe Versorgung von Entwicklungsländern mit Medikamenten nicht durch EU-Verordnungen blockiert wird", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Grundlage der Beschlagnahmungen ist den NGOs zufolge eine EU-Verordnung gegen Fälschungen (Verordnung 1383/2003), die Zollbehörden ermächtigt, den legitimen Handel mit Generika zu blockieren. Im vorliegenden Fall sei am 5. Mai eine Ladung von 3.047.000 Amoxicillin-Tabletten (250 mg) im Wert von 28.000 Euro für vier Wochen festgehalten worden, bevor sie für den Weitertransport freigegeben wurde. Als Begründung sei der Verdacht einer Markenrechtsverletzung angeführt worden. Die Medikamente hätten für die Behandlung von etwa 76.000 Menschen z.B. gegen Lungenentzündung ausgereicht.
Die Zollbehörden informierten nach Darstellung der NGOs den Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK), der den Brief am 13. Mai erhalten habe. Sieben Tage später habe GSK den Zollbehörden mitgeteilt, dass keine Markenrechtsverletzung vorliege.
GSK ist Inhaberin der Marke Amoxil. Nach bisherigem Wissensstand, so die NGOs, gab es keinen Grund, die Medikamente zu beschlagnahmen. "Amoxicillin ist ein internationaler Freiname (international non-proprietary name, INN) und wird auch von vielen deutschen Generikaherstellern zur Bezeichnung ihrer Medikamente benutzt.
"Diese Beschlagnahmung ist der neueste Fall in einer Reihe von Vorfällen, die verdeutlichen, wie EU-Verordnungen die Versorgung von Entwicklungsländern mit Medikamenten hemmen", kritisierten die nichtstaatlichen Organisationen. Im Jahr 2008 habe es allein in den Niederlanden 17 Fälle von Beschlagnahmungen gegeben, wobei die Medikamente in manchen Fällen sogar mehrere Monate festgesetzt worden seien.
"Das Problem muss auf europäischer Ebene mit einer Änderung der EU-Verordnung gelöst werden", forderte Christian Wagner-Ahlfs von der
BUKO Pharma-Kampagne. Der Fall in Frankfurt verdeutliche, dass dieses Problem nicht nur in den Niederlanden auftrete, sondern ein grundsätzliches Problem der EU-Verordnung 1383/2003 sei.
Sune Sveningsen, Vertreter der von der Frankfurter Beschlagnahmung betroffenen dänischen Organisation Missionpharma, berichtete: "Beschlagnahmungen von Medikamenten beeinträchtigen unseren Auftrag, Menschen und Gesundheitsprojekte in Entwicklungsländern zu beliefern. Wir müssen deshalb in Erwägung ziehen, unsere Versorgungskette so umzustrukturieren, dass ein Transit durch Europäische Länder vermieden wird."
"Die Zollkontrolle von Medikamenten im Transit muss eingestellt werden", forderte Bernd Eichner von
medico international. Und David Hachfeld von
Oxfam Deutschland sagte: "Wir hoffen, dass dieser Vorfall die deutsche Regierung dazu bewegt, die notwendigen Schritte zu einer Änderung der Verordnung und ihrer Handhabung einzuleiten."
Grafik: Chemische Formel von Amoxicillin; Quelle: Wikipediawww.bukopharma.dewww.medico.dewww.oxfam.de