Wappen der peruanischen Provinz AmazonasLima/Berlin (epo.de). - Beim Versuch, die Ausbeutung der Rohstoffe im Amazonas gegen den Widerstand der indigenen Bevölkerung mit Waffengewalt durchzusetzen, sind Agenturberichten zufolge mehr als 50 Menschen getötet worden. Nach Angaben des peruanischen Innenministeriums wurden 179 Menschen, 155 Indios und 24 Polizisten, verletzt. Der seit April andauernde Protest von Indianern und Kleinbauern vor allem gegen die Ölförderung im Amazonasgebiet war am Wochenende eskaliert. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) rief die UN- Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, am Montag dazu auf, das "Massaker an Dutzenden Indianern" nahe der Stadt Bagua unverzüglich zu untersuchen.

Medienberichten zufolge waren am Freitag Polizeieinheiten mit Schnellfeuergewehren und mit Unterstützung von Hubschraubern gegen eine Straßenblockade nahe Bagua im Norden des Landes vorgegangen. Indios hatten im Gegenzug Polizisten entführt und festgehalten. Zehntausende Indianer hatten seit Wochen mit Straßenblockaden gegen die aggressive Erschließung indianischen Landes zu Gunsten der Erdöl- und Erdgasindustrie protestiert. Die Ausbeutung der Rohstoffe hätte für die indigene Bevölkerung "den Untergang ihrer Lebensweise zur Folge", so die GfbV.

"Über die Köpfe der Amazonasindianer hinweg hat die Regierung Gesetze erlassen, die den Zugriff auf indianische Schutzgebiete enorm erleichtern, wenn sich dort Öl- und Erdgasvorkommen befinden", kritisierte Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker. "Das peruanische Amazonasgebiet ist bereits in etwa 180 Parzellen für die Erschließung von Ölfeldern eingeteilt worden, die sich zumeist mit indianischen Gebieten überschneiden. Lizenzen werden ohne Rücksicht auf indianische Landrechte vergeben."

INTERNATIONALE GESETZE IGNORIERT

Peru verletze damit internationale Richtlinien zum Schutz der Ureinwohner wie die Allgemeine Erklärung der Vereinten Nationen zu den Rechten der indigenen Völker, warf die GfbV der Regierung des Landes vor. Auch die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation), die die Rechte der Indigenen verbindlich festschreibe und von Peru ratifiziert wurde, werde ignoriert.

Perus Präsident Alan Garcia sagte laut Al Jazeera in Lima: "Es gibt eine Verschwörung, die darauf abzielt, uns von der Nutzung unserer natürlichen Ressourcen zum Wohle von Wachstum und Lebensqualität unseres Volkes abzuhalten.

"Die UN müssen dafür sorgen, dass die Regierung Garcia unverzüglich den Dialog mit der indianischen Dachorganisation AIDESEP aufnimmt, damit den berechtigten Ansprüchen der indigenen Völker in den Fördergebieten Geltung verschafft werden kann", forderte die GfbV. "Sie kämpfen mit dem Rücken an der Wand um ihr Land und ihr Leben." Champion Nonimgo von AIDESEP erklärte hingegen: "Wir verhandeln nicht mit einer Regierung, die Indianer von Helikoptern aus massakriert."

Konfliktpotential gibt es nach Angaben der Menschenrechtsorganisation auch in anderen Gebieten Perus. So nähmen im Grenzgebiet zu Brasilien im Bundesstaat Ucayali die Spannungen zu. Dort treiben Abholzung des Urwalds und Wegebau immer öfter kleine indianische Gruppen zur Flucht nach Brasilien. "Diesem Verdrängungsprozess stehen besonders die in freiwilliger Isolation lebenden Völker in der Region hilflos gegenüber", beklagte Bangert.

Survival International rief am Montag alle im peruanischen Amazonas operierenden Ölkonzerne dazu auf, ihre Aktivitäten ruhen zu lassen, solange das Land sich den schlimmsten politischen Unruhen seit dem Shining Path-Aufstand in den 1980er Jahren gegenüber sehe. Zu diesen Unternehmen gehörten unter anderen die englisch-französische Perenco, die argentinische PlusPetrol, die kanadische Petrolifera, die spanische Repsol und die brasilianische Petrobras, teilte die Organisation in Berlin mit.

Der Direktor von Survival, Stephen Corry, erklärte: "Die peruanischen Indigenen werden zu verzweifelten Schritten getrieben, um zu versuchen, ihr Land zu retten, das ihnen seit über 500 Jahren gestohlen wird. Ihre Proteste zeigen, dass die koloniale Ära endlich ein Ende findet. Die Amazonas-Indianer sind nicht länger bereit,  mit der illegalen und brutalen Behandlung zu leben, die Routine war. Das ist vorbei. Das ist das Tianmen des Amazonas. Wenn es auf die gleiche Weise beendet wird, wird auch Perus internationale Reputation beendet sein. Die Ölgesellschaften sollen ihre Aktivitäten nieder legen, bis Ruhe eingekehrt ist und die kommunalen Rechte der Indigenen wirklich respektiert werden – erst dann können sie als Gleichberechtigte verhandeln."

INDIGENE ALS OPFER DES FREIHANDELS

"Es ist wichtig zu erkennen, dass unser exzessiver Konsum in den reichen und Schwellenländern die Wurzel dieser für die Ureinwohner und den Regenwald tödlichen Konflikte ist", erklärte Reinhard Behrend, Vereinsvorsitzender von Rettet den Regenwald. "Wir bitten die Menschen, keine Hölzer aus industriellem Holzeinschlag zu nutzen, kein Erdöl und Mineralien aus Regenwaldgebieten einzusetzen und bei den peruanischen Botschaften in aller Welt gegen die sinnlose Gewalt zu protestieren."

Die Gesetze wurden im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen verabschiedet, das Peru mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet hat. Diese ermöglichen vor allem ausländischen Öl- und Bergbaukonzernen sowie Investoren den Zugriff auf die Ressourcen des südamerikanischen Landes. Die Indianergemeinschaften beklagen laut Rettet den Regenwald, dass bereits jetzt rund 70% des peruanischen Amazonasgebiets für die Öl- und Gas-Exploration konzessioniert ist, die Holzindustrie die letzten intakten Regenwaldgebiete plündert und Firmen Ölpalmplantagen zur Produktion von "Biodiesel" im Urwald roden. Diese Aktivitäten gefährden das Leben der Menschen und die Artenvielfalt des Amazonasgebiets.

"Wir fordern die peruanische Regierung auf, die Proteste friedlich auf dem Verhandlungsweg zu lösen", erklärt Klaus Schenck, Waldcampaigner und Lateinamerikaexperte von Rettet den Regenwald. "Die anerkannten Rechte der Indigenen müssen eingehalten, ihre angestammten Territorien und der Regenwald geschützt werden. Sie dürfen nicht den Motorsägen, Baggern und Bohrtürmen der Industriefirmen zum Opfer fallen. Der Amazonasregenwald ist ein unersetzlicher Schatz der gesamten Menschheit und die grüne Lunge der Erde."

"Auslöser der Indigenenproteste sind Präsidentialdekrete zur Umsetzung eines Freihandelsabkommens mit den USA", erklärte Thilo Hoppe, Leiter der AG Globalisierung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Mit ihnen sollen ausländische Investitionen im Amazonasraum erleichtert werden. Auch Gebiete indigener Gemeinschaften sind von diesen Dekreten betroffen. Nach peruanischem Recht hätte die Regierung die betroffenen Gemeinschaften vor dem Erlass der Dekrete konsultieren müssen - was nicht geschah. Die peruanische Ombudsstelle hat inzwischen vor dem Verfassungsgericht Klage gegen eines der Dekrete eingelegt, da es die peruanische Verfassung und die ILO-Konvention 169 zu den Rechten indigener Völker verletze."

Die Europäische Union verhandele derzeit ein Freihandelsabkommen mit Peru, sagte Hoppe. "Spätestens die blutigen Ereignisse der vergangenen Tage haben deutlich gemacht, dass Indigenenrechte nicht dem Freihandel geopfert werden dürfen. Die Bundesregierung und die EU müssen sich in den Verhandlungen dafür einsetzen, dass Indigenenrechte und allgemeine Menschenrechte durch das Abkommen gestärkt werden."

www.regionamazonas.gob.pe
www.gfbv.de
www.survival-international.de

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