data report coverLondon/Berlin (epo.de). - Die G8 Staaten haben bislang lediglich ein Drittel ihrer finanziellen Zusagen eingehalten, die sie auf ihrem Gipfeltreffen im Jahr 2005 Afrika gegenüber gemacht haben. Nur sieben Milliarden Dollar der bis 2010 angekündigten jährlichen Erhöhung von 21,5 Milliarden Dollar seien bisher verwirklicht worden, stellt der am Donnerstag in London und Berlin vorgestellte DATA Report 2009 fest. Besonders Italien und Frankreich "gefährden mit ihrem schwachen Engagement die Glaubwürdigkeit der G8 als Ganzes", erklärte die entwicklungspolitische Lobbyorganisation ONE, die den Bericht herausgibt.

Die Mehrzahl der G8 Staaten, darunter Deutschland, "kommt mit ihren Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung für Afrika voran", so ONE. Die Bewertung einzelner Länder falle differenziert aus, weil manche Staaten anspruchsvollere Zusagen gemacht hätten als andere. Deutschland habe bislang 31 Prozent der versprochenen Mittel bereitgestellt. Die Bundesregierung habe sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt und in den letzten Jahren deutliche Anstrengungen erkennen lassen, so ONE.

"Die Kanzlerin muss jetzt auch im laufenden Haushaltsverfahren sicherstellen, dass sie weiter zu ihren Zusagen steht", sagte der Deutschlandchef der Organisation, Tobias Kahler. "Frau Merkel sollte Präsident Sarkozy und Gastgeber Berlusconi auf dem G8-Gipfel in L’Aquila deutlich machen, dass eine Milliarde Menschen auf ihre Zuverlässigkeit hoffen." Das schwache Abschneiden von Italien und Frankreich sei zu 80 Prozent dafür verantwortlich, dass die G8 als Ganzes so deutlich hinter ihren Zusagen zurückliege.

Deutsche öffentliche Entwicklungshilfe (ODA). Grafik: ONE

TUTU UND GATES STELLEN BERICHT VOR

Der Schirmherr von ONE, der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu, der den Bericht zusammen mit Bill Gates, Bob Geldof, der Gesundheitsexpertin Françoise Ndayishimiye und der Vizepräsidentin der Afrikanischen Entwicklungsbank, Arunma Oteh, vorstellte, mahnte: "Ein Versprechen an die Armen ist etwas Heiliges. Es ist ein Ausdruck von Größe wenn man Anstrengungen unternimmt, es zu halten und die G8-Staaten die das tun verdienen Anerkennung. Aber wenn wir würdigen, müssen wir dort, wo es angemessen ist, auch deutlich verurteilen. Es macht mich traurig und wütend, dass so große Nationen wie Italien und Frankreich einen falschen Weg beschreiten und wir sollten den kommenden G8-Gipfel ermutigen, das Richtige und das Bessere zu wählen."

GELDOF: SCHÄMT EUCH

"Armes, trauriges Italien", sagte der irische Afrika-Aktivist Bob Geldof. "Es muss die Vorstellungskraft, aber auch die Seele dieser schönen Nation quälen, dass ihre Wirtschaft sich in einem offenbar so desaströsen Zustand befindet, dass sie von Armen stehlen, die Kranken berauben und die Bildung aus den Köpfen der Jugend reißen muss. Schämt Euch! Eure Regierung blamiert Euch!"

ODA-Zusagen der G7. Grafik: ONE

Der Bericht wertet auch aus, wie effektiv das Geld eingesetzt und die Hilfe mit anderen Gebern abgestimmt wird. ONE mahnt hier mehr Anstrengungen Deutschlands an: Weil sich andere G8-Staaten im letzten Jahr schneller an selbstgesteckten Zielen zu mehr Transparenz und Koordination ausrichteten, sei Deutschland im Ranking zur Effektivität der Hilfe von Platz 2 im letzten Jahr auf Platz 4 abgerutscht. Positiv sei aber hervorzuheben, dass die Bundesrepublik als erstes Land hierzu einen Nationalen Aktionsplan vorgelegt hat.

GATES LOBT ERFOLGE IM BEREICH GESUNDHEIT

Insgesamt seien die positiven Effekte der Armutsbekämpfung in den letzten Jahren deutlich zu erkennen, so der Bericht. Der Co-Vorsitzende der Bill und Melinda Gates Stiftung, Microsoft-Gründer Bill Gates, erklärte bei der Vorstellung des Berichtes: "Die Erfolge, die in Afrika bislang im Kampf gegen Malaria und HIV/Aids erzielt werden konnten sind fantastisch. Unsere Stiftung hat sich zur Aufgabe gesetzt, dass sich diese Erfolge fortsetzen. Ich hoffe, dass alle G8-Staaten ihren Teil der Vereinbarung weiter verfolgen und an ihren Erfolgen anknüpfen, so wie wir das bei Deutschland und Großbritannien sehen. Bestehende Investitionen in die globale Gesundheitsversorgung und Entwicklung auszubauen ist dabei entscheidend. So können wir den Menschen in armen Ländern zu einem gesünderen und produktiveren Leben verhelfen."

HANDELSPOLITIK KONTERKARIERT ENTWICKLUNGSHILFE

Die heftigste Kritik übt der DATA Bericht an der Handelspolitik der Industriestaaten, die die Entwicklung des afrikanischen Kontinents heme und "alle sonst lobenswerten Bemühungen" konterkariere. Alle G8 Staaten hätten entgegen ihrer Zusage aus dem Jahr 2005 "bei weitem nichts ausreichendes unternommen, um Afrika eine Chance zu geben, sich über die Beteiligung am Welthandel selbst aus der Armut zu befreien."

Agrarsubventionen der G8 Staaten. Grafik: ONE

Als jüngstes Beispiel nennt ONE die aktuellen EU-Exportsubventionen für Milchprodukte. "Perspektivlose Fischer in Westafrika wurden Schlepper. Perspektivlose Fischer in Somalia wurden Piraten. In der globalisierten Welt treffen mangelnder Wohlstand und Instabilität uns letztlich alle", sagte ONE-Deutschlandchef Tobias Kahler.

KRISE MACHT FORTSCHRITTE ZUNICHTE

Arunma Oteh von der Afrikanischen Entwicklungsbank kommentierte die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents unter den Vorzeichen der Finanzkrise: "Die Krise macht Afrikas jüngste Fortschritte wieder rückgängig, die durch Jahrzehnte sozialer, wirtschaftlicher und politischer Reformen erarbeitet wurden. Um die jüngsten Erfolge zu sichern braucht Afrika weiter gute Regierungsführung, Handel und Investitionen in Höhe von 120 Milliarden US-Dollar jährlich. Ein vernünftiger Einsatz der zugesagten Gelder der G8 kann uns dabei helfen, diese Mittel zu mobilisieren und unseren Fortschritt zur Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele zu befördern."

BMZ WILL VERPSRECHEN HALTEN

"Wir werden die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit bis zum Jahr 2010 auf 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens und bis zum Jahr 2015 auf 0,7 Prozent steigern", versprach die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) als Reaktion auf den DATA Report. "Die G8-Staaten sind aufgefordert, ihre Gleneagles- und Heiligendammzusagen zu erfüllen. Die weltweiten Rüstungsausgaben sind im Jahr 2008 auf 1,4 Billionen US-Dollar gestiegen. In nur einem Jahrzehnt sind sie um 45 Prozent gewachsen. Vor diesem Hintergrund muss es möglich sein, die Zusagen im Kampf gegen Hunger, Armut und Kindersterblichkeit einzuhalten."

Die Ministerin wies darauf hin, mit den Mitteln der G8-Länder sei bereits vieles erreicht worden: "Durch die Arbeit der G8 erhalten mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen in Afrika lebensverlängernde Aids-Medikamente. Das deutsche Engagement im Wassersektor ermöglicht weltweit 80 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung. Durch internationale Entschuldungsinitiativen wurden so viele Mittel freigesetzt, dass in Afrika 29 Millionen Kinder mehr zur Schule gehen können. Das zeigt, dass sich die Arbeit lohnt. Und es ist ein Ansporn, weiter für steigende Mittel in der Entwicklungszusammenarbeit zu kämpfen."

RUCK: DEFIZITE GEHEN ZU LASTEN DER SPD

Der DATA-Bericht bestätige die bisherigen Bemühungen und die weiteren Forderungen der Union zur strategischen Reform der deutschen Entwicklungspolitik, erklärte der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Ruck (CSU). Defizite mache der Report "zu Recht in zwei Sektoren aus, welche die Union bereits schon in den Koalitionsverhandlungen 2005 zu Schwerpunkten der deutschen Zusammenarbeit machen wollte: Bildung und Landwirtschaft".

Ruck schob die Schuld für diese Defizite der SPD zu, die sich "einer solchen Festlegung widersetzt" habe. "Die vom BMZ zu verantwortenden Umsetzungsdefizite wurden bereits bei dem Umsetzungsbericht des BMZ im Parlament deutlich und werden von DATA zu Recht beklagt."

DATA Bericht 2009 (PDF, 2,2 MB)

one.org

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