New York (epo.de). - Im UN-Hauptquartier in New York ist am Freitag die dreitägige
Konferenz über die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise für den Süden zu Ende gegangen. Während die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) davon sprach, der UN-Finanzgipfel habe "den ärmsten Entwicklungsländern eine Stimme gegeben", zeigten sich die meisten nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) enttäuscht. "Die Industrieländer haben den Versuch der UNO blockiert, eine größere Rolle bei der Bearbeitung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu spielen", erklärte WEED. Attac sprach von "belanglosen" Ergebnissen, terre des hommes bedauerte, dass der Gipfel kein globales Hilfspaket "als Überlebens-Schutzschirm für die Armen" beschlossen habe. Auch die Grünen und die Linksfraktion kritiserten die Ergebnisse als unzureichend.
"Die Konferenz und das Abschlussdokument stärken die globale Handlungsfähigkeit und haben den ärmsten Entwicklungsländern eine Stimme gegeben", erklärte
Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul. Im Abschlussdokument seien viele Vorschläge der
Stiglitz-Kommission, der die Ministerin angehörte, aufgenommen worden. Dies gelte zum Beispiel für die Stärkung der UN in Wirtschaftsfragen. Hier sei die Einrichtung eines Intergovermental Panel on Systemic Risks bei den UN beschlossen worden, das nach dem Vorbild des Weltklimarates arbeiten solle.
Das Beratungsgremium in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik solle "Fehlentwicklungen identifizieren und zukünftige Krisen verhindern helfen", sagte die Ministerin. Dies gelte für die Forderung nach innovativen Finanzinstrumenten für die Entwicklungsländer ebenso wie für die Festlegung zu langfristiger Schuldentragfähigkeit für die Entwicklungsländer. Es müsse verhindert werden, dass Entwicklungsländer in eine neue Schuldenfalle getrieben werden.
Die Ministerin begrüßte auch die "Ansätze zur Reform des globalen Währungssystems und der bedeutenden Rolle von Sonderziehungsrechten in der Entwicklungsfinanzierung". Das Abschlussdokument sei "der Beginn eines langfristigen Reformprozesses der globalen Entscheidungsstruktur, der überfällig sei, um sie dem 21. Jahrhundert entsprechend auszugestalten".
DRUCK AUF POLITIKER AUSÜBEN
Das
globalisierungskritische Netzwerk Attac forderte, den begonnenen Prozess fortzusetzen und die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zum Hauptthema der nächsten UN-Generaldebatte ab dem 22. September zu machen. "In Folge der Blockadehaltung der Industrienationen sind die Ergebnisse des ersten UN-Finanzgipfels weitgehend enttäuschend und belanglos. Immerhin ist es den Regierungen der reichen Länder aber nicht gelungen, den Anspruch der von der Krise besonders betroffenen armen Länder auf eine gleichberechtigte Mitsprache vollkommen zurückzuweisen und den begonnen Prozess endgültig abzuwürgen", sagte Kerstin Sack vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
Nun komme es darauf an, "starken Druck von unten auf die Politiker der Industrieländer auszuüben, damit sie sich einer Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen nicht weiter entgegen stellen und endlich die nötigen Konsequenzen aus der von ihnen maßgeblich mit verschuldeten Krise ziehen", so Attac. Das Netzwerk will im Vorfeld des G20-Gipfels am 24. und 25. September in Pittsburgh zu Protesttagen aufrufen und für eine globale Bewältigung der Krise im Interesse aller Menschen mobilisieren.
KEIN GLOBALES HILFSPAKET FÜR DIE ARMEN
"Angesichts der dramatischen Folgen der Krisen ist es bedauerlich, dass die Forderung nach einem globalen Hilfspaket als Überlebens-Schutzschirm für die Armen nicht berücksichtigt wurde", kommentierte Klaus Schilder, Referent für Entwicklungspolitik von
terre des hommes. "Der politische Wille zur Unterstützung armer und benachteiligter Menschen hat sich nicht in konkreten Maßnahmen niedergeschlagen. Von den 2.500 Milliarden Dollar der weltweiten Konjunkturprogramme steht nur ein Bruchteil für die Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern zur Verfügung. Die, die die Krise nicht verursacht haben, gehören weiter zu den Hauptleidtragenden." Die Stärkung der UN bei der Koordinierung globaler Wirtschafts- und Finanzfragen sei gleichwohl zu begrüßen.
SOLIDARISCHE ANTWORT AUF DIE KRISE FEHLT
"Die Entwicklungsländer haben auf der Konferenz zu Recht eine stärkere Rolle der UNO in Wirtschafts- und Finanzfragen eingefordert. Die meisten Industrieländer hingegen wollen alles lieber beim Alten belassen", sagte der Leiter der AG Globalisierung der
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Thilo Hoppe. "Sie versuchten, die Dominanz von IWF und Weltbank zu verteidigen. Das Gleiche gilt für die Bedeutung der informellen und exklusiven Treffen der G8 und G20. Diese Institutionen haben eines gemeinsam: Sie schließen die Entwicklungsländer systematisch aus. Gerade diese sind aber von den Auswirkungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise dramatisch betroffen. Sie hätten eine solidarische Antwort der internationalen Gemeinschaft verdient."
KEINE EXKLUSIVEN CLUBS
Die Sprecherin der
Fraktion DIE LINKE für internationale Wirtschaftspolitik und Globalisierung, Ulla Lötzer, kritisierte, die im Vorfeld von Entwicklungs- und Schwellenländern, NGOs und Experten internationaler Organisationen entwickelten Vorschläge zu Alternativen zum Dollar als Leitwährung, zur Beendigung der Spekulation auf Nahrungsmittel, zur Erschließung neuer Finanzquellen für Entwicklungsländer und für eine Führungsrolle der UNO in Fragen der Weltwirtschaft seien nicht berücksichtigt worden. "Herausgekommen ist am Ende gar nichts, weil die Industriestaaten sich wieder einmal quer gestellt haben."
DIE LINKE wolle gemeinsam mit den sozialen Bewegungen dafür streiten, dass die Vorschläge des Südens und der sozialen Bewegungen für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung im Bundestag auf den Tisch kommen, sagte Lötzer weiter. "Wir fordern ein Ende des Alleinvertretungsanspruchs der G8- bzw. G20-Regierungen. Wir unterstützen die Forderungen nach einem globalen Konjunkturprogramm zugunsten der Entwicklungsländer, nach Neuverteilung der IWF-Sonderziehungsrechte und nach Schaffung eines Globalen Wirtschaftsrates bei der UNO. Allein die UNO ist der Ort, an dem legitime Weichenstellungen für die Zukunft getroffen werden können. Wir brauchen ein Forum für alle 192 Länder dieser Welt und keine exklusiven Clubs."
Resolution: Organization of the United Nations conference at the highest level on the world financial and economic crisis and its Impact on development [A/RES/63/277] (PDF)