L'Aquila/Bonn (epo.de). - Beim
G8-Gipfel in Italien haben sich die Industriestaaten der G8 mit den wichtigsten Schwellenländern über ein gemeinsames Klimaziel verständigt. Die Erklärung von L'Aquila, die am Donnerstag formell verabschiedet wird, sieht eine Begrenzung des Temperaturanstieges auf zwei Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit vor. "Damit haben die Regierungen der Industrie- und Schwellenländer selber die Messlatte aufgelegt, an denen sich ihre Handlungen messen lassen müssen", sagte Klaus Milke, der Vorstandsvorsitzende von Germanwatch.
Die USA, Russland, Japan, Australien und Kanada, aber auch die großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien haben damit erstmals das Zwei-Grad-Ziel als Orientierung für alle weiteren Klimaschutzbemühungen anerkannt. Die Schwellenländer seien entschlossen, sich im Abschlussdokument zum Zwei-Grad-Ziel zu bekennen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in L'Aquila.
Germanwatch hält diese Schwelle, die die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Klimawandels noch beherrschbar machen soll, für den ab heute geltenden "Mindestkonsens für die notwendige internationale Klimastrategie". Denn die kleinen Inselstaaten im Pazifik hatten schärfere Klimaziele gefordert - nicht wenige Inseln werden bei zwei Grad höherer Temperatur aufgrund des Meeresspiegel-Anstiegs untergehen.
Auch die Notwendigkeit, die Emissionen der Industrieländer als historisch Hauptverantwortliche bis 2050 um 80% oder mehr zu reduzieren, sei vom G8-Club der großen Industrieländer zum ersten Mal akzeptiert worden, hebt Germanwatch hervor. Allerdings bleibe das Basisjahr umstritten - 1990 oder später heißt es im Text. "Um auch nur mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, wäre ein Basisjahr von 1990 für alle Industriestaaten notwendig", kritisiert Germanwatch.
"Positiv ist, dass es jetzt einen Konsens unter den großen Industriestaaten gibt, sich für schnelle Fortschritte in Richtung beschleunigter Emissionsreduktionen für den internationalen Flug- und Schiffverkehr einzusetzen", kommentierte Christoph Bals, der politische Geschäftsführer von Germanwatch, einen weiteren Punkt. Unter anderem die bisherigen US-Regierungen hätten solchen Fortschritt bisher blockiert.
MUT ZUR UMSETZUNG FEHLT
Wenn eine realistische Chance für das Zwei-Grad-Limit bestehen soll, müsse schon zwischen 2013 und 2017 der Höhepunkt der globalen Emissionen erreicht sein, rechnet Germanwatch vor. " Doch genau hier, wo die heute Regierenden jetzt die notwendigen Maßnahmenpakete beschließen müssten, fehlt bislang der Konsens. Sowohl im Text mit den Schwellenländern als auch im Text der Industrieländer heißt es lediglich: der Höhepunkt der Emissionen solle 'sobald wie möglich' erreicht werden."
Industrieländer wie Japan, Australien, Kanada und Russland hätten bisher für 2020 nur unzureichende Reduktionsziele vorgelegt, kritisiert die Umwelt- und Entwicklungsorganisation. "Sie verstecken sich hinter dem breiten Rücken der US-Regierung, die fürchtet, dass sie für die eigentlich notwendigen kurzfristigeren Klimaziele nicht die notwendigen Mehrheiten in Kongress und Senat bekommen könnte. Zugleich haben alle Industriestaaten - auch die EU - bisher nicht deutlich gemacht, in welcher Größenordnung sie die Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen der Entwicklungsländer finanziell unterstützen wollen."
NO MONEY, NO DEAL
Bis zum Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember sieht Germanwatch ein Pokerspiel um kurz- und mittelfristige Reduktionssziele und um die notwendige Unterstützung der Menschen in den durch den Klimawandel besonders verletzlichen Staaten und Regionen im Gange. Für deren Lebens- und Ernährungsbedingungen sei auch ein Temperaturanstieg um zwei Grad gefährlich, erklärte Christoph Bals.
Die Schwellenländer hatten vielfach darauf hingewiesen, dass sie von den Industriestaaten eine Verringerung der Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40% und Finanzusagen für die Anpassung in den ärmsten Ländern erwarten, ehe sie eigene Zusagen und Verpflichtungen unterschreiben. "No money, no deal", habe die dänische Präsidentschaft des kommenden Kopenhagen-Gipfels die Situation kürzlich zusammengefasst, so Germanwatch.
Die Klimaexperten von Germanwatch sind deshalb auch enttäuscht über eine verpasste Chance. "Der G8-Gipfel hat alles versäumt, was zur Vertrauensbildung hätte beitragen können, dass in Kopenhagen tatsächlich die notwendigen Finanzzusagen auf dem Tisch liegen. 2 Milliarden US-Dollar Soforthilfe für Anpassung wären das notwendige Signal gewesen, damit in Kopenhagen tatsächlich über neue Größenordnungen der klimapolitischen Zusammenarbeit Beschlüsse zustande kommen. Die EU und die USA wären lediglich bereit gewesen, jetzt ein Unterstützungspaket von 400 Millionen US-Dollar zu schnüren. Aber die anderen Industrieländer verweigerten sogar diesen kleinen Schritt."
"Es gibt auf diesem G8-Gipfel einen großen Fortschritt bei der Einsicht in die wissenschaftlichen Notwendigkeiten", sagte Klaus Milke. "Aber die Bereitschaft, jetzt die entsprechenden Ziele für 2020, Instrumente und Finanzzusagen zu beschließen, fehlt noch. Es bleiben noch wenige Wochen, damit auch diese auf dem Tisch liegen und die Regierungen in Kopenhagen nicht unter der selbst aufgelegten Messlatte durchspringen."
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