kongo_displaced_nordkivu_irin_150Berlin (epo.de). - Die Militarisierung des Konfliktes zwischen Regierungstruppen und Rebellengruppen im Osten der Demokratischen Repubik Kongo hat die Lage der Zivilbevölkerung beträchtlich verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Hilfsorganisation Oxfam in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu, die Analysen von Menschenrechtsorganisationen und der International Crisis Group bestätigt. Mehr als 80 Prozent der Befragten sagt demnach, die Sicherheitslage sei schlechter als vor einem Jahr.

Die gewalttätigen Übergriffe auf die Zivilbevölkerung im Osten des Kongo sind Oxfam zufolge seit Beginn der Militär-Aktionen gegen die Rebellen der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR) im Februar dieses Jahres stark angestiegen. "Die Menschen in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu erleben seitdem immer häufiger Vergewaltigungen, Zwangsarbeit, Folter und Vergeltungsmaßnahmen", bilanziert Oxfam eine aktuelle Umfrage unter fast 600 Dorfbewohnern.

"Die Offensive der kongolesischen Armee gegen die FDLR sollte Frieden für den Ost-Kongo bringen", sagt Marcel Stoessel, Oxfam-Programmleiter in der Demokratischen Republik Kongo. "Bei unserer Umfrage gaben jedoch über 80 Prozent der Befragten an, dass die Sicherheitslage heute noch viel schlechter ist, als vor einem Jahr."

Beobachter vermuten hinter der "Kimia II" genannten Offensive der Regierungstruppen, die von der UN-Mission MONUC logistisch unterstützt wird, eine Initiative des United States Africa Command (AFRICOM), das bereits die Offensive gegen die nordugandische Rebellenbewegung Lord's Resistance Army (LRA) unterstützt und finanziert hatte. Uganda, die kongolesische Armee und die südsudanesische Regierung hatten in einer konzertierten Aktion versucht, die Rebellenbewegung, die sich in den Ostkongo abgesetzt hatte, im Garamba Nationalpark zu vernichten. Die USA hatten 17 Militärberater des Africa Command entsandt und eine Million US-Dollar für Treibstoff zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis führte die Offensive zu einer Zersplitterung der LRA, die in kleinen Gruppen über Dörfer herfiel und rund 900 Menschen tötete.

Die Offensive gegen die Forces Democratiques de Liberation du Rwanda (FDLR) in den Kivu-Provinzen folgt demselben Muster und hat ähnlich desaströse Folgen für die Zivilbevölkerung. Die Gewalt gegen Zivilisten geht nach den Beobachtungen von Oxfam aber nicht nur die Soldaten der FDLR-Miliz aus, sondern auch von der kongolesischen Armee. "Einige Gemeinschaften berichteten sogar, dass Regierungssoldaten bei ihnen für die meisten Vergewaltigungen verantwortlich seien", so Stoessel. In den FDLR-kontrollierten Gebieten nähmen seit Beginn der Militär-Offensive neben sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Kinder auch Folter und Plünderungen zu. Eine Gemeinschaft meinte, dass die Militäroffensive einen "schlafenden Teufel" geweckt habe.

Vertriebene in der Provinz Nord-Kivu im Ostkongo. Foto: IRIN
Vertriebene in der Provinz Nord-Kivu im Ostkongo. Foto: IRIN


Die Offensive "Kimia II" ist die zweite Phase militärischen Vorgehens gegen Rebellen im Ostkongo. Am 20. Januar hatten Ruanda und die Demokratische Republik Kongo, nachdem sie sich zuvor politisch verständigt hatten, die gemeinsame Militäroffensive "Umoja Wetu" (Unsere Einheit) begonnen, die sowohl den FDLR als auch dem von der Tutis-Ethnie dominierten Congrès national du peuple (CNDP) des Generals Laurent Nkunda galt. Nkunda war von der Regierung Ruandas, die ihn heimlich unterstützte, wegen seiner persönlichen Machtambitionen fallengelassen worden, hatte dere kongolesischen Armee aber schwere Niederlagen beigebracht.

Im Gegenzug gegen die Hilfe bei der Bekämpfung der CNDP Nkundas war die Regierung des Kongo bereit, gegen die FDLR vorzugehen, obwohl viele Militärs mit ihr sympathisierten. Nkunda wurde in Ruanda inhaftiert, die Zerschlagung der FDLR aber scheiterte, vor allen in der Provinz Süd-Kivu. Weniger als 500 FDLR-Kämpfer konnten von der MONUC demobilisiert werden. Die FDLR organisierte sich neu und begann mit Racheakten gegen Zivilisten, die sie verdächtigte, mit dem Feind kollaboriert zu haben.

ward_100Der AFRICOM-Kommandeur, Armeegeneral William E. "Kip" Ward (Foto re.), besuchte im April als erster US-Armeebefehlshaber den Kongo und versprach Verteidigungsminister Charles Mwando Nsimba weitere Unterstützung bei der Beratung, Ausbildung und beim "capacity building" der Regierungstruppen. Das State Department finanziert ein Programm, in dem ein siebenköpfiges "mobiles Trainingsteam" hochrangige Offiziere ausbildet.

Mittlerweile unterstützt auch die im Ost-Kongo stationierte UN-Friedenstruppe MONUC die Offensive der kongolesischen Armee. "Die UN-Truppen kontrollieren in der Regel nur die Hauptstraßen mit ihren Fahrzeugen - allerdings spielt sich dort nicht die Gewalt ab", sagte Stoessel. "Alle von uns befragten Gemeinschaften wünschten sich mehr Fußpatrouillen der MONUC-Truppen."

"Das Ergebnis der Umfrage sollte ein Warnsignal an alle sein, die die aktuelle Militäroffensive befürworten", so Stoessel. "Sowohl die kongolesische Armee als auch die UN-Friedenstruppen müssen mehr tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen." Nach UN-Angaben sind im Nord- und Süd-Kivu seit Beginn der Militäroffensive etwa 800.000 Menschen vertrieben worden. Im letzen Jahr mussten etwa 250.000 Menschen vor Kämpfen fliehen. Allein im Juni kamen jetzt 100.000 neue intern Vertriebene hinzu.

Auch die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sieht in der Militäroffensive "eine Katastrophe für die Zivilbevölkerung". "Die Menschen stehen jetzt unter Feuer von allen Seiten", sagte HRW-Mitarbeiter Kenneth Roth. Hutu-Extremisten der FDLR, lokale Mai-Mai-Milizen und die Armee, die von der UN-Blauhelmmission logistisch unterstützt wird, seien gleichermaßen an der Misere beteiligt. Die Regierungstruppen werden von der Regierung in Kinshasa häufig nicht bezahlt. "Dass die Regierung sich nicht um ihre Soldaten kümmert, ist geradezu eine Einladung, sich an der Bevölkerung schadlos zu halten", so Roth.

Die International Crisis Group (ICG) sieht die Operation "Kimia II" als gescheitert an. In einem Bericht vom 9. Juli empfiehlt die ICG, die Offensive auszusetzen. "Ein neuer Impuls ist nötig, der nationale, regionale und internationale Akteure mit einbezieht", erklärte der Kongo-Experte der ICG, Guillaume Lacaille.

Hintergrundpapier zu den Ergebnissen der Oxfam-Umfrage (engl., PDF)

ICG-Report: Congo: A Comprehensive Strategy to Disarm the FDLR



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