Nahrungsmittelhilfe für Flüchtlinge im Kongo. Foto: UNICEFBerlin (epo.de). - Humanitäre Helfer geraten bei ihren Einsätzen in Konfliktgebieten immer mehr in das Visier von Konfliktparteien. Am Mittwoch beklagte die Welthungerhilfe den Tod eines afghanischen Mitarbeiters, der in der Provinz Takhar in eine Sprengfalle geriet. Am Dienstag tötete ein Querschläger Farah Aden Mo'allim, einen Mitarbeiter des somalischen Roten Halbmonds, der in der Hauptstadt Mogadischu zufällig in einen Schusswechsel geraten war. In der Woche zuvor hatten Hilfswerke ebenfalls mehrere Opfer zu beklagen. Internationales humanitäres Recht werde zunehmend missachtet, beklagen die Hilfsorganisationen.

In Afghanistan wurde am Mittwoch ein einheimischer Mitarbeiter der Welthungerhilfe durch eine Mine tödlich verletzt. Der Agronom sei mit mehreren Kollegen in zwei Fahrzeugen der Welthungerhilfe auf der Fahrt zu Versuchsflächen für ein Projekt der ländlichen Entwicklung gewesen, als das erste der beiden Autos offenbar durch eine Sprengfalle zur Explosion gebracht wurde, teilte die Welthungerhilfe in Bonn mit. Dabei seien auch die drei weiteren Fahrzeuginsassen verletzt worden.

Der Mitarbeiter des Roten Halbmonds in Mogadischu war am 21. Juli zwar nicht absichtlich ermordet worden, nach Ansicht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) passt der Vorfall aber in die Reihe vermehrter Vorfälle bei bewaffneten Auseinandersetzungen, bei denen auf zivile Opfer keine Rücksicht mehr genommen wird.

"Der Tod unseres lieben Kollegen ist eine katastrophale Nachricht und zeigt einmal mehr, wie gefährlich es ist, in Mogadischu zu leben und zu arbeiten", erklärte der Präsident des somalischen Roten Halbmonds, Ahmed M. Hassan. "Die Versorgung von Opfern des bewaffneten Konfliktes mit humanitärer Hilfe bedeutet oft, dass man sein eigenes Leben riskieren muss."

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zeigte sich "geschockt" über zwei dicht aufeinander folgende Attentate in Pakistan und Tschetschenien. Bei einem Überfall auf das UNHCR-Büro im Kutcha-Gari-Camp im Nordwesten Pakistans wurden am 14. Juli zwei Menschen erschossen und ein weiterer schwer verletzt. Am Tag zuvor war Natalia Estemirova vom russischen UNHCR-Partner "Memorial" in Grosny entführt und ermordet aufgefunden worden.

Zuvor, am 9. Juni, war der UNHCR-Mitarbeiter Aleksander Vorkapic bei einem Bombenattentat im pakistanischen Peshewar ums Leben gekommen. Im Februar wurde John Solecki aus dem UNHCR-Büro in Quetta entführt und sein Fahrer Syed Hashim getötet. Solecki kam nach Wochen wieder frei.

UNHCR-Flüchtlingskommissar António Guterres zeigte sich bestürzt über die Vorfälle. "Es gibt keinen Grund, humanitäre Helfer, die sich der Unterstützung der schutzbedürftigsten Menschen verschrieben haben, zu überfallen", sagte er bei einer Gedenkveranstaltung in Genf.

In der Demokratischen Republik Kongo, in der Provinz Nord-Kivu, wurde der Caritas-Mitarbeiter Ricky Agusa Sukaka am Nachmittag des 15. Juli auf der Rückfahrt von seiner Arbeit von Unbekannten erschossen. Der 27jährige kongolesische Agraringenieur arbeitete in einem Nothilfeprojekt der Caritas Kongo für die Flüchtlinge im Krisengebiet. Dorfbewohner hatten zuvor gesehen, dass er von zwei Männern in Armeeuniformen angehalten worden war.

VERSCHÄRFTE SICHERHEITSPROBLEME

Nach Ansicht vieler Hilfswerke hat sich die Sicherheitslage in vielen Einsatzländern auch für die Helfer dramatisch verschlechtert. "Wir sehen in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs an Sicherheitszwischenfällen", erklärte der Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", Tankred Stöbe, kürzlich bei der Vorstellung des Jahresberichtes seiner Organisation. Dabei handele es sich nicht um kleine Zwischenfälle, sondern um Fälle extremer Gewaltanwendung wie Entführungen und Tötungen.

Vor allem lokale Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" seien davon betroffen, so Stöbe. In Pakistan wurden im Februar zwei junge pakistanische Mitarbeiter bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Taliban getötet. "Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort", sagte der Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen", Frank Dörner. Der Vorfall führte zum Rückzug der Hilfsorganisation aus dem Swat-Tal.

Seit "Kollateralschäden" in Form menschlicher Opfer unter der Zivilbevölkerung von der US-Armee zu einer unvermeidlichen, aber unschönen Begleiterscheinung von Kriegshandlungen erklärt wurden, gibt es bei der Missachtung humanitären Völkerrechts offenbar kein Halten mehr. Im Januar, während des Gaza-Krieges, beschossen die israelischen Streitkräfte nach UN-Angaben einen Lastwagen mit einer Hilfslieferung für den Gazastreifen. Dabei wurden zwei Helfer getötet. Der Zwischenfall habe sich während der dreistündigen Waffenruhe ereignet, die Israel zur Versorgung der Bewohner des Gebiets mit Nahrung und Wasser eingeräumt hatte, erklärte UN-Sprecher Adnan Abu Hasna. Die UN hätten die Hilfslieferung mit Israel koordiniert, und das Fahrzeug sei mit einer UN-Flagge und UN-Abzeichen gekennzeichnet gewesen.

Die Zahl der Morde und bewaffneten Überfälle auf humanitäre Helfer hat sich nach den Erkenntnissen von Caritas international innerhalb von weniger als zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die englischsprachige Ausgabe des Online-Lexikons Wikipedia widmet Angriffen auf humanitäre Helfer einen eigenen Eintrag.

Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, sieht die wachsende Gefährdung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Sorge. Ein Grund für diese Entwicklung sei, "dass wir in Ländern wie Somalia, Kongo und Kolumbien eine 'Privatisierung der Gewalt' jenseits staatlicher Armeen durch Warlords und sogenannte Rebellen erleben, die sich nicht an das Völkerrecht gebunden fühlen", sagt Neher.

Fotos:
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Verteilung von Nahrungsmittelhilfe im Flüchtlingslager Kibati in Goma, DR Kongo © UNICEF/Wikimedia Commons
(2) Mädchen mit Energie-Biskuit im Flüchtlingslager Kibati in Goma, DR Kongo © UNICEF/Wikimedia Commons

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