New Delhi/Berlin (epo.de). - In der indischen Hauptstadt New Delhi unternehmen rund 40 Handelsminister am 3. und 4. September den Versuch, die Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) im Rahmen eines informellen Treffens ("Mini-Ministerial") wiederzubeleben. Die letzten Gespräche auf Ministerebene hatten im Juli 2008 stattgefunden. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die entwicklungspolitische Organisation WEED haben indes ein Ende der Liberalisierungspolitik und die Einstellung der Doha-Gespräche gefordert.
Die Doha-Runde der
WTO war urprünglich konzipiert worden, um ärmere Entwicklungsländer in das Handelsregime der WTO zu integrieren und ihren besonderen Bedürfnissen entgegenzukommen. Im Laufe der Verhandlungen trat jedoch wieder der Liberalisierungsaspekt in den Vordergrund. Indien und eine Reihe weiterer Entwicklungsländer forderten Schutzmaßnahmen für Subsistenz-Bauern und kleine Agrarbetriebe, um zu vermeiden, dass sie von einer Flut billiger Importprodukte aus dem Markt gedrängt würden.
Indiens Handels- und Industrieminister Anand Sharma sagte im Vorfeld der jetzt geplanten Verhandlungen in Delhi, die Interessen von Millionen kleiner Bauern und Agrarbetriebe in Indien müssten gewahrt werden. Die indische Regierung müsse jedoch auch die Hoffnungen der boomenden Dienstleistungsindustrie nach einem besseren Zugang zu den globalen Märkten im Auge haben. An den Gesprächen nehmen nach Angaben der indischen Regierung Vertreter der USA, der EU, der G20 Staaten unter der Führung Brasiliens und afrikanischer Staaten unter ägyptischer Führung teil.
Die wichtigsten Themen beim "Mini-Ministerial" in Delhi sind Fragen der Agrarsubventionen sowie Zollsenkungen bei Agrar- und Industrieprodukten.
KONZERNINTERESSEN IM VORDERGRUND
"Zehn Jahre nach Seattle sind Proteste so aktuell wie damals: Die von der WTO rigoros betriebene Freihandelspolitik ist eine Ursache der globalen Krise. Dennoch rücken Deutschland und die Europäische Union weiterhin vor allem die Belange der transnationalen Konzerne in den Mittelpunkt", sagte Hanni Gramann, Handelsexpertin bei
Attac. Maßnahmen zum Schutz von Bevölkerung und Beschäftigung würden dagegen immer weiter abgebaut - im Süden und im Norden. "Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, dass die EU in Neu Delhi und Genf mit ihrer aggressiven Interessenspolitik auf breiten Widerstand stößt."
Das "Mini-Ministerial" dient der Vorbereitung der Ende November stattfindenen WTO-Ministerkonferenz in Genf. WTO-Generaldirektor Pascal Lamy hatte angekündigt, die WTO-Verhandlungen der Doha-Runde sollten 2010 abgeschlossen werden. Sie waren in den vergangenen acht Jahren immer wieder abgebrochen worden.
Beide Treffen werden von Protesten globalisierungskritischer Organisationen begleitet: In New Delhi wollen vor allem Kleinbauernorganisationen auf die Straße gehen. Für das Ministertreffen in Genf mobilisieren Organisationen aus der ganzen Welt - darunter
WEED und Attac.
"Auf dem WTO-Treffen in Delhi werden wir wieder von einer Koalition aus Politik und Wirtschaft hören: Protektionismus ist schlecht und freier Welthandel ist gut", erklärte WEED-Handelsreferentin Christina Deckwirth. "Doch Freihandel ist nicht Anti-Protektionismus. Es ist der Protektionismus der Mächtigen."
Was für die Finanzmärkte gelte, müsse auch für den Welthandel diskutiert werden, forderte Deckwirth. Notwendig sei eine Umkehr der deutschen und europäischen Handelspolitik zu Gunsten einer Re-Regulierung der Weltwirtschaft. "Doch das wird weder in Neu Delhi noch in Genf passieren - deswegen fordern wir: Keine Wiederbelebung der Doha-Runde!"
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