WDR 2010 CoverWashington (epo.de). - Die Entwicklungsländer können ihre Wirtschaft aufbauen und Armut lindern und dennoch gleichzeitig "kohlenstoffarme Entwicklungspfade" einschlagen. Voraussetzung dafür sei jedoch finanzielle und technische Unterstützung aus den Industriestaaten, heißt es im Weltentwicklungsbericht 2010 der Weltbank, der am Dienstag in Washington veröffentlicht wurde. Die reichen Ländern wiederum müssten schnell dabei vorangehen, die Kohlendioxid-Emissionen zu verringern und die Entwicklung alternativer Energiequellen zu fördern. Nur so könne das Problem des Klimawandels gelöst werden.

Der "Weltentwicklungsbericht 2010: Entwicklung und Klimawandel" hält zunächst - in einer technokratischen Sicht - fest, vor 30 Jahren habe die Hälfte der Menschen in Entwicklungsländern in absoluter Armut gelebt. Vor allem ein schnelles Wirtschaftswachstum, angetrieben durch technologische Innovationen und institutionelle Reformen in den heutigen Ländern mit mittlerem Einkommen, in denen sich die Pro-Kopf-Einkommen verdoppelten, habe dazu geführt, dass sich der Anteil der absolut Armen auf ein Viertel verringerte.

2009 hat die absolute Zahl der Hungernden jedoch erstmals die Milliardengrenze überschritten. Wachstum und die Beseitigung der Armut bleiben deshalb aus der Sicht der Weltbank die alles überragenden Ziele der Entwicklungsländer. "Der Klimawandel macht die Herausforderung nur komplizierter."

1,6 Milliarden Menschen in der Dritten Welt haben noch keinen Zugang zu Elektrizität. Während die Entwicklungsländer Agrarproduktion, Energieverbrauch, Transportsysteme und städtische Infrastruktur massiv ausbauen müssen, um ihre Entwicklungsziele zu erreichen, droht der Klimawandel alle Entwicklungsbemühungen zunichte zu machen. Die Weltbank verweist darauf, dass der Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts fünf Grad Celsius betragen könnte, falls nicht schnell gehandelt wird.

Gefordert sind dabei vor allem die Industriestaaten, die in der Vergangenheit die meisten Treibhausgas-Emissionen produziert haben. "Wenn die Industrieländer jetzt handeln, ist eine klimafreundliche Welt möglich, und die Kosten für ihre Realisierung werden zwar hoch sein, können jedoch aufgebracht werden", so der Bericht, der mit Blick auf den Klimagipfel der Vereinten Nationen im Dezember in Kopenhagen verfasst wurde. "Ein wichtiger Weg, um dies zu erreichen, besteht darin, die Finanzierung klimafreundlicher Maßnahmen in den Entwicklungsländern zu erhöhen, in denen das größte zukünftige Wachstum bei den Emissionen stattfinden wird."

Anteile an den Emissionen. Quelle: Weltbank
Anteile an den Emissionen. Quelle: Weltbank


Die Weltbank sieht aber auch enormen Spielraum für mehr Energie-Effizienz und eine Änderung der Produktions- und Konsumgewohnheiten in den Industriestaaten. Während die Schweiz lediglich sieben Tonnen CO2 pro Kopf emittiert, sind es in Australien und Luxemburg 27. Während sich die jährlichen Subventionen für fossile Brennstoffe auf 150 Milliarden US-Dollar belaufen, werden lediglich zehn Milliarden für die Erforschung alternativer Energiequellen ausgegeben, rechnet die Bank vor.

FAIRES ABKOMMEN ENTSCHEIDEND

"Die Länder der Welt müssen jetzt handeln, zusammenarbeiten und neue Entscheidungen zum Klimawandel treffen", erklärte Weltbank-Präsident Robert B. Zoellick. "Die Entwicklungsländer sind vom Klimawandel unverhältnismäßig stark betroffen. Sie haben diese Krise nicht herbeigeführt und sind am wenigsten darauf vorbereitet. Aus diesem Grund ist eine faire Vereinbarung in Kopenhagen entscheidend."

Die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Entwicklungländer sind ein Schreckensszenario. Selbst wenn der Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius begrenzt werden könnte, würden 100 bis 400 Millionen Menschen mehr unter Hunger leiden müssen. Ein bis zwei Milliarden Menschen hätten nicht mehr genügend Wasser. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Afrika und Südasien würde  dauerhaft um vier bis fünf Prozent zurückgehen. Die Entwicklungländer hätten 75 bis 80 Prozent der globalen Schäden der Erderwärmung zu tragen. Die Kluft zwischen armen und reichen Ländern würde weiter wachsen.

Dem Bericht zufolge kann der Energieverbrauch mittels vorhandener Technologien mit niedriger CO2-Bilanz bedeutend reduziert werden und gleichzeitig Kosten sparen. So sei es möglich, den Energieverbrauch in der Industrie und im Energiesektor um 20 bis 30 Prozent zu reduzieren und die CO2-Emissionen zu reduzieren, ohne an Wachstum einzubüßen. Die Lösung des Klimaproblems erfordere aber eine Transformation der Weltenergiesysteme in den kommenden Jahrzehnten. Hierfür seien jährliche Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Höhe von 100 bis 700 Milliarden Dollar nötig. Derzeit würden nur 13 Mrd. Dollar öffentliche Gelder und 40 bis 60 Mrd. private Mittel investiert.

CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Quelle: Weltbank

CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Quelle: Weltbank


Auch die finanziellen Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels müssen stark aufgestockt werden, so die Weltbank, denn insbesondere die ärmsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder benötigen Unterstützung bei der Anpassung. Von der Weltbank verwaltete und gemeinsam mit regionalen Banken in Entwicklungsländer implementierte Klimainvestitionsfonds (Climate Investment Funds, CIFs) könnten die Mittel sinnvoll einsetzen, um Technologien mit niedriger CO2-Bilanz in Entwicklungsländern zu fördern.

"Die Entwicklungsländer werden 75-80 % der durch den Klimawandel entstehenden möglichen Schäden tragen. Sie brauchen dringend Unterstützung, um sich auf Trockenheit, Überschwemmungen und steigende Meeresspiegel vorzubereiten. Sie müssen außerdem die landwirtschaftliche Produktion intensivieren, Mangelernährung und Krankheiten bekämpfen und eine klimabeständige Infrastruktur bauen", erklärte Justin Lin, Chefökonom und leitender Vizepräsident für Entwicklungsökonomie der Weltbank.

FINANZKRISE KEINE ENTSCHULDIGUNG

Die aktuelle Finanzkrise darf keine Entschuldigung darstellen, das Klima hinten anzustellen, warnt der Bericht. Die Bedrohung durch die globale Erwärmung sei sehr viel schwerwiegender und langlebiger.

"Der Kampf gegen Klimakatastrophen, die bereits die Entwicklung hemmen, wird nicht einfach sein. Vielversprechende neue Technologien können jedoch die zukünftigen Treibhausgasemissionen stark reduzieren und katastrophale Klimaänderungen verhindern. Außerdem müssen wir unsere Landwirtschaft, Wälder und Wasserressourcen so verwalten, dass sie eine nachhaltige Zukunft gewährleisten", so Rosina Bierbaum, die Kodirektorin des Weltentwicklungsberichts und Dekanin der School of Natural Resources and Environment der Universität Michigan.

"Die gute Nachricht ist, dass eine klimafreundliche Welt möglich ist, wenn wir jetzt zusammenarbeiten, um die Trägheit zu überwinden, die Kosten zu senken und unsere Energie-, Lebensmittel- und Risikomanagementsysteme anzupassen, um eine sicherere Zukunft für alle zu garantierten", kommentierte die Chefökonomin für nachhaltige Entwicklung bei der Weltbank, Marianne Fay, den Bericht.

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Entwicklung der Welt-Ernteerträge bis zum Jahr 2050. Quelle: Weltbank (rot = Verluste)

Die Weltbank will mit gutem Beispiel vorangehen. Das Dokument "Strategisches Rahmenwerk für Entwicklung und Klimawandel" der Weltbankgruppe betont, wie wichtig es ist, Linderungs- und Anpassungsinitiativen in das Kreditvergabeprogramm aufzunehmen, während gleichzeitig anerkannt wird, dass Entwicklungsländer wirtschaftliches Wachstum fördern und Armut reduzieren müssen.

Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Klimaanpassungsprojekte nähmen ebenso zu wie die Kredite der Weltbank im Energiebereich, die für erneuerbare Energien und Energieeffizienz aufgewendet werden, meldet die Bank. Während der vergangenen drei Jahre seien rund zwei Drittel aller Energiemittel der Weltbankgruppe im Bereich nichtfossile Brennstoffe eingesetzt worden. Ein Drittel wurde für fossile Brennstoffe aufgewendet, die Hälfte davon für Erdgas-Projekte.

www.worldbank.org/wdr2010


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