bonner_aufruf_100Bonn (epo.de). - Die Initiatoren des “Bonner Aufrufs” wollen ihren Forderungen nach einer Reform der Entwicklungshilfe einen “neuen Impuls” folgen lassen. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl fordern sie, Entwicklungshilfe künftig nur noch in Form von Krediten zu vergeben. Insgesamt richten die altgedienten Entwicklungspolitiker, darunter ehemalige Staatssekretäre und Botschafter, “zehn Vorschläge für eine bessere Entwicklungspolitik” an die künftige Bundesregierung.

Der Bonner “Appell an die zukünftige Bundesregierung” soll nach der Bundestagswahl als Anzeige im politischen Teil des Berliner „Tagesspiegel“ erscheinen. Er fordert “angesichts der enttäuschenden Bilanz der bisherigen Entwicklungspolitik” ein Ende der “irrigen Vorstellung”, mehr Geld bedeute mehr Entwicklung. Die Bundesregierung solle deshalb das 1970 von den Vereinten Nationen verkündete und von der Europäischen Union bekräftigte Ziel aufgeben, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe bereitzustellen.

Für Kontroversen dürfte vor allem die im “Bonner Appell” enthaltene Forderung sorgen, nach einer Übergangszeit von zehn Jahren solle Entwicklungshilfe “grundsätzlich nur noch als Kredit” vergeben werden. “Hier war der Ausgangspunkt die Erfahrung, dass geschenkte Hilfe sich überwiegend als von Übel herausgestellt hat. Sie hat Bettlermentalitäten verstärkt und zu einer massenhaften Vergeudung geführt, indem Güter und Anlagen zu ‘Weißen Elefanten’ verkamen, weil Geschenktes nicht gepflegt wurde”, erläuterte der Koordinator des “Bonner Aufrufs”, Kurt Gerhardt, die Forderung.

Als Entwicklungshilfe betrachten die Autoren des Appells Gerhardt zufolge “Hilfe, die Eigenanstrengung bewirkt, die autonome Entwicklungsleistung anstößt oder verstärkt”. Humanitäre Hilfe, Katastrophenhilfe oder auch Hilfen zur Bewältigung des Klimawandels in Entwicklungsländern zählten nicht dazu, weil damit keine Entwicklungseffekte verbunden seien.

Der Bonner Appell wiederholt einige Forderungen des Bonner Aufrufs, darunter die Konzentration der Entwicklungshilfe auf Bildung und “bessere Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Tätigkeit”, die Beendigung von Hilfen für Schwellenländer wie China und Indien und strengere Vorgaben für die Bewilligung von Budgethilfe. Infrastrukturprojekte sollen nur noch in Ländern gefördert werden, die früher errichtete Anlagen dauerhaft instandhalten.

In dem Aufruf wird zudem gefordert, den fünf korruptesten Ländern die Entwicklungshilfe zu streichen. Nach dem aktuellen Index von Transparency International (TI) sind dies Afghanistan, Haiti, Irak, Myanmar (Birma) und Somalia.

Zu den Initiatoren des Appells gehören neben "Aufruf"-Koordinator Kurt Gerhardt die ehemaligen Staatssekretäre im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Volkmar Köhler und Hans-Peter Repnik, der Gründer der Hilfsorganisationen “Cap Anamur” und “Grünhelme”, Rupert Neudeck, der ehemalige deutsche Botschafter in mehreren afrikanischen Staaten, Volker Seitz, und der frühere Beauftragte des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) in Kenia, Ghana und Botswana, Klaus Thüsing.

"KRAWALL STATT KONSTRUKTIVES"

Die entwicklungspolitische Lobbyorganisation ONE nannte den Appell “ein wenig durchdachtes Papier”, das “erklärtermaßen auf Provokation” setze. “Wir sehen da Krawall statt Konstruktives. Man muss sich schon entscheiden, ob man Schlagzeilen will oder an tragfähigen Reformen mitarbeiten will”, sagte ONE-Deutschlandchef Tobias Kahler.

So stelle der Bonner Vorstoß für eine Entwicklungshilfe-Reform in Abrede, dass erfolgreiche Entwicklungsarbeit mehr Finanzierung benötige. “Es gibt jedoch eine Vielzahl erfolgreicher, unterfinanzierter Programme, die durch eine Mittelaufstockung bestehende Erfolge vervielfachen könnten. Auch die Sektoren, die laut des Bonner Aufrufs weiter unterstützt werden müssten – Bildung und Infrastruktur – bräuchten mehr, nicht weniger Finanzmittel”, erklärte ONE.

Die Forderung, die fünf Staaten von Unterstützung auszuschließen, die im Ranking von Transparency International am schlechtesten abschneiden, darunter Afghanistan, sei populistisch, kritisiert ONE. “An diesem Beispiel zeigt sich, dass populistische Forderungen nichts taugen und dass der Bonner Aufruf seine Vorschläge offenbar selbst nicht zu Ende denkt“, so Kahler.

Entwicklungshilfe nur noch als Kredit zu vergeben würde “das Instrumentarium der Entwicklungspolitik einschränken”, gibt ONE zu bedenken. “Viele Länder stünden dann vor der Wahl zwischen neuer Schuldenkrise oder Aufgabe der Millennium-Entwicklungsziele.”

"POPULISTISCH UND ÖKOLOGISCH BLIND"

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ute Koczy, und der Leiter der AG Globalisierung der Grünen, Thilo Hoppe, lehnten die Vorschläge ab. “Sie sind populistisch, ökologisch blind und geben keine Antwort auf die Herausforderungen einer modernen Entwicklungspolitik”, erklärten die Grünen-Politiker. “Mit diesen untauglichen Vorschlägen wird den Ärmsten der Armen nicht geholfen. Stattdessen werden die Menschen, gerade in den fragilen Staaten, endgültig im Stich gelassen.”

Koczy und Hoppe treten für eine Verdoppelung der zivilen Mittel für Afghanistan ein und plädieren für die Erfüllung des 0,7-Prozentziels. “Dieses Versprechen zu brechen würde einen enormen Vertrauensverlust zu Folge haben. Wir brauchen für die Bewältigung der Folgen des Klimawandels und zur Bekämpfung der globalen Hungerkrise mehr Mittel und nicht weniger”, erklärten Koczy und Hoppe, der dem Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) vorsitzt.

Auch die Umstellung der bilateralen Entwicklungshilfe auf eine reine Kreditvergabe lehnen die Grünen ab. “Wir brauchen einen Mix von Instrumenten. Dazu zählen die Budgethilfe und weitere Entschuldungsinitiativen.”

Appell and die zukünftige Bundesregierung” (PDF, 20 KB)

Hintergrund:

Back to Top

Wir nutzen ausschließlich technisch notwendige Cookies auf unserer Website.