
Während der zehn Jahre, in denen Ärzte ohne Grenzen in Turkmenistan medizinische Versorgung leistete, habe die Organisation miterlebt, "wie alltägliche Fahrlässigkeit und weit verbreitete riskante Praktiken Menschenleben gefährden", so der Bericht. So würden Bluttransfusionen häufig ohne vorherigen Test auf HIV oder Hepatitis C vorgenommen. Im Gesundheitssystem herrsche eine Kultur der Angst, in deren Folge Patienten in kritischem Zustand abgewiesen würden, um ihren negativen Einfluss auf sensible Statistiken zu verhindern, wie auf die Mutter-Kind Sterblichkeitsrate oder die ansteckender Krankheiten. Die Bevölkerung Turkmenistans werde von ihrem Gesundheitssystem im Stich gelassen, das mehr auf die Außenwirkung ausgerichtet sei, als auf die Bewältigung der wirklichen Gefahr, die ansteckende Krankheiten für die öffentliche Gesundheit darstellen.
"Es steht außer Frage, dass Tuberkulose (TB) und sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV/Aids weiter verbreitet sind, als es offizielle Zahlen nahe legen. Die turkmenische Regierung weigert sich, diese Realität anzuerkennen", sagte Dr. Leslie Shanks, medizinische Leiterin bei Ärzte ohne Grenzen. "Internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF tragen dazu bei, das Problem aufrechtzuerhalten, indem sie Fehlinformationen und Praktiken der Regierung eine Legitimität verleihen, die nicht nur wirkungslos sondern oft auch gefährlich sind."
"TB und besonders die multiresistente Form (MDR-TB) stellen vermutlich eine der größten Bedrohungen des öffentlichen Gesundheitswesens dar", stellt Ärzte ohne Grenzen fest. Da die Krankheit auch in den Nachbarländern weit verbreitet ist, fürchtet Ärzte ohne Grenzen eine schwere Krise in Turkmenistan, die ohne unmittelbares und eindeutiges Einschreiten zu einer großen Gesundheitskrise mit regionaler Auswirkung führen werde. Um dies zu verhindern, sollten die Schnell-Diagnose und die Behandlung von MDR-TB umgehend mithilfe von internationalen Experten implementiert werden.
Im Jahr 2009 entschied Ärzte ohne Grenzen Turkmenistan zu verlassen, nachdem die Aktivitäten im Land immer stärker eingeschränkt wurden. Die Organisation habe erkannt, dass sie eher riskierte, sich der Verschleierung der Probleme im Gesundheitssystem mitschuldig zu machen, als diese anzugehen. "Internationale Organisationen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, indem sie die Transparenz des Gesundheitssystems aktiv fördern und aufhören, widersprüchliche Daten als Fakten anzuerkennen", sagte Leslie Shanks.
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