oecdBerlin (epo.de). - Zehn Jahre nach ihrer Einführung beraten die OECD-Mitgliedstaaten in Paris seit Mittwoch über eine Überarbeitung ihrer Leitsätze für multinationale Unternehmen. Germanwatch, Misereor und Transparency Deutschland haben die 31 OECD-Mitgliedstaaten und 11 weiteren Unterzeichner der OECD-Leitsätze aus diesem Anlass dazu aufgerufen, die Leitsätze zu einem wirksamen Instrument gegen unternehmerisches Fehlverhalten auszugestalten.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Studie hält das Netzwerk OECD Watch fest, dass in vielen Mitgliedsstaaten der politische Wille zur Umsetzung der Leitsätze fehle. Die Organisation kritisiert die fehlenden Sanktionsmechanismen der Leitsätze. In Deutschland sind bislang die meisten Beschwerden abgelehnt worden, wie die Studie zeigt.

"Der bis Mitte 2011 angelegte Revisionsprozess bietet eine ernst zu nehmende Chance, die OECD-Leitsätze endlich mit dem notwendigen Biss zu versehen. Wir brauchen schärfere Sanktionsmechanismen", sagte Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Eine konkrete Maßnahme sollte sein, dass Unternehmen, die gegen die Leitsätze verstoßen haben, für einen bestimmten Zeitraum keine staatliche Förderung wie Exportbürgschaften erhalten können.

Zudem arbeiteten die eigens zur Umsetzung der Leitsätze von den Regierungen eingesetzten "Nationalen Kontaktstellen" bislang auf sehr unterschiedlichem Niveau, so die NGOs. Die Festsetzung von Mindeststandards für die institutionelle Struktur, Arbeitsweise, Aufgaben und Kompetenzen der Nationalen Kontaktstellen wäre ein erster Schritt, um der bisherigen Willkür, die sich insbesondere im Umgang mit Beschwerden zeigt, entgegenzuwirken.

Diese Willkür äußere sich des Weiteren darin, dass manche Länder den Geltungsbereich der Leitsätze zunehmend enger interpretieren, kritisieren die NGOs. Darunter leide die Effektivität der Leitsätze. Beispielhaft für diese Praxis sei der Korruptionsskandal um das UN-Programm "Öl für Lebensmittel" im Irak. Laut der Interpretation durch die deutsche Nationale Kontaktstelle seien die Leitsätze nur bei Auslandsinvestitionen anwendbar. Bei den Leistungen im Rahmen des UN-Programms habe es sich jedoch um reine Liefergeschäfte gehandelt. Mit dieser Begründung hatte die deutsche Nationale Kontaktstelle 2007 die Beschwerde von Transparency gegen 57 deutsche Unternehmen abgelehnt.

"Handel und Finanzdienstleistungen sind das Herzstück internationaler Geschäftsbeziehungen. Sie dürfen in einem wirksamen internationalen Steuerungsinstrument nicht fehlen. In den revidierten Leitsätzen muss eindeutig festgehalten werden, dass sie für alle Geschäftstätigkeiten gelten", forderte Shirley van Buiren von Transparency Deutschland.

"Die für ein sozial verantwortliches Wirtschaften so wichtigen Menschenrechte sind in den Leitsätzen gänzlich unterbelichtet", erklärte Elisabeth Strohscheidt vom Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR. Bislang verlange nur das allgemeine Grundsatzkapitel, dass Unternehmen die Menschenrechte der von ihrer Tätigkeit betroffenen Personen respektieren, soweit dies den internationalen Verpflichtungen des Gastlandes entspricht. "Diese einschränkende Formulierung widerspricht dem inzwischen weithin anerkannten Rechtsverständnis und jedem moralischen Gerechtigkeitsgebot", so Strohscheidt. Die anstehende Überarbeitung müsse daher genutzt werden, die menschenrechtlichen Anforderungen an Unternehmen in einem eigenen Kapitel zu konkretisieren.

In Deutschland wurden in den letzten zehn Jahren 16 Beschwerdefälle vorgelegt. Laut der Studie von OECD Watch ist das weltweit die zweithöchste Zahl an Beschwerden. Zehn Beschwerden wurden jedoch von der deutschen Nationalen Kontaktstelle abgelehnt.

Die OECD-Leitsätze sind das weitest reichende Regelwerk zur Förderung von globaler Unternehmensverantwortung. Die OECD-Regierungen haben die Leitsätze 1976 erstmals verabschiedet und im Jahre 2000 umfangreich überarbeitet. Sie enthalten unter anderem Standards zur Einhaltung von Arbeitsrechten, zum Umweltschutz sowie Empfehlungen zur Korruptionsprävention und Steuergerechtigkeit. Nichtregierungsorganisationen können seit 2000 Beschwerden gegen Unternehmen bei den Nationalen Kontaktstellen vorbringen. Die Leitsätze haben allerdings Schwächen in der Umsetzung und sind teilweise lückenhaft oder veraltet. Daher werden sie nun erneut überarbeitet.

www.germanwatch.org
www.oecdwatch.org

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