cbd_150 Nagoya (epo.de). - Am letzten Tag der Verhandlungen im Rahmen der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) in Nagoya hat Japan einen eigenen Vorschlag für ein Protokoll gegen Biopiraterie vorgelegt. Buchstäblich in letzter Minute einigten sich die Delegierten aus 193 Staaten darauf, dass die Entwicklungsländer an den Erträgen aus der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen durch westliche Konzerne beteiligt werden sollen. Zudem sollen für den Artenschutz in den nächsten zehn Jahren rund 17 Prozent der Landfläche und zehn Prozent der Meeresfläche unter Schutz gestellt werden.

In der Nacht zum Freitag waren die Verhandlungen für ein Protokoll gegen Biopiraterie im japanischen Nagoya vorübergehend geplatzt, berichtete Michael Frein, der für den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) die Verhandlungen in Nagoya beobachtete. Um die Konferenz nicht scheitern zu lassen, legten die japanischen Gastgeber nach einer dramatischen Nachtaktion am letzten Konferenztag einen eigenen Protokollentwurf vor.

Die Umweltstiftung WWF bewertete die Einigung über das so genannte ABS-Protokoll (Access and Benefit Sharing), also den gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung von natürlichen Ressourcen, als wichtigen Erfolg. "Es ist entscheidend, dass Länder mit einem großen Naturreichtum auch an den Schätzen ihrer Tiere und Pflanzen beteiligt werden", sagte WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Pharma-, Chemie- oder Medizinfirmen müssten künftig die Herkunftsländer an den Gewinnen beteiligen, wenn sie deren natürliche Ressourcen nutzen. Positiv sei auch, dass das Protokoll Krankheiterreger einschließe. In Notfällen, etwa dem Auftauchen neuer Epidemien wie der Vogelgrippe, könnten neue Medikamente entwickelt werden, um schnell reagieren zu können. Im Nachhinein müsse aber ein Vorteilsausgleich erfolgen. "Das ABS-Protokoll wird zwar nicht rückwirkend gelten, aber immerhin müssen Firmen bei der Neuentwicklung von Medikamenten mit bereits genutzten Rohstoffen Verträge mit den Herkunftsländern oder lokalen Gemeinschaften abschließen", sagte Brandes.

Grund für die überraschende Wende in der Nacht auf Freitag war nach dem EED-Bericht die Drohung mehrerer Entwicklungsländer, ohne ein Protokoll gegen Biopiraterie auch anderen Verhandlungsergebnissen beim Schutz der Artenvielfalt nicht zuzustimmen. "Der Druck für alle Verhandlungsteilnehmer ist enorm. Nicht nur das Protokoll gegen Biopiraterie steht auf dem Spiel, ohne ein vereinbartes Arbeitsprogramm stünde die CBD praktisch nackt da", sagte Michael Frein. Nach dem Scheitern der Klimaverhandlungen in Kopenhagen arbeiteten in Nagoya alle mit Hochdruck daran, den Stillstand in einem weiteren UN-Verhandlungsprozess zu verhindern.



Eine Schwäche des neuen Vorschlags sei die schwache Verankerung der Überwachung der Protokollregeln. "Es ist ein Fehler, die Patentämter der Industrieländer nicht verpflichtend in die Überwachung des Protokolls einzubinden", sagte Michael Frein. "Hier liegt ein Schlupfloch für Biopiraten. Sie können auch künftig darauf hoffen, Patente zu erhalten, ohne dass sie die für eine Erfindung genutzten genetischen Ressourcen gemäß den Bestimmungen des Protokolls gegen Biopiraterie erhalten haben."



Die Industrieländer hingegen müssten bei Annahme des Protokolls eine Definition genetischer Ressourcen mittragen, der sie in den vergangenen Jahren nicht zustimmen wollten, so der EED. An diesem Punkt waren die Verhandlungen am Vorabend in eine Sackgasse geraten. Auch beim Thema Krankheitserreger stimmten die EU und Deutschland einer Regelung zu, die sie vorher noch strikt abgelehnt hatten, berichtete Frein.

"Die Gefahr eines Schlupflochs scheint mit dem japanischen Vorschlag an dieser Stelle abgewehrt. Man hat eine vernünftige Balance gefunden zwischen der Notwendigkeit, Epidemien schnell zu bekämpfen und der Verpflichtung zum Vorteilsausgleich", sagte Michael Frein. 

"Für viele Entwicklungsländer ist der neue Vorschlag an einigen Stellen problematisch, an anderen vorteilhaft. Der Vorschlag enthalte Aspekte, die auf dem normalen Verhandlungswege nicht zu erreichen gewesen seien. "Alle Staaten müssen Federn lassen, um das Protokoll zu verabschieden", so Frein. "Das Problem dabei ist: Die einen mehr, die
 anderen weniger."

Die Konferenz einigte sich beim Artenschutz auf einen "strategischen Plan", der bis zum Jahr 2020 angelegt ist und vorsieht, vermehrt Schutzgebiete an Land und vor allem auf hoher See auszuweisen. Der WWF hält vor allem die Einigung auf den Abbau umweltschädlicher Subventionen bis 2020 für entscheidend und verweist darauf, "dass weltweit Jahr für Jahr 670 Milliarden Euro an Staatshilfen in Branchen fließen, die wesentlichen Anteil an der Zerstörung der Natur haben". Es sei höchste Zeit, dass diese fatale Fehlentwicklung gestoppt werde.

Offen blieb laut WWF in Nagoya die Frage, wie viel Geld benötigt wird, um den Zielkatalog bis 2020 umzusetzen. Forderungen in Höhe von 30 Milliarden bis zu 300 Milliarden Euro pro Jahr wurden laut.

www.cbd.int

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