gfbvHamburg (epo.de). - Vor dem Hamburger Landgericht hat am Montag der Prozess gegen mutmaßliche Piraten aus Somalia begonnen. Die Staatsanwaltschaft hat die zehn Männer angeklagt, im April das unter deutscher Flagge fahrende Handelsschiff "Taipeh" gekapert zu haben. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bezweifelt jedoch, dass der Prozess zur Eindämmung der Piraterie beiträgt.

"Solange nicht gegen die weltweit organisierten kriminellen Netzwerke vorgegangen wird, die die Piraten steuern, und solange sich die Europäische Union (EU) nicht verstärkt für Frieden in Somalia einsetzt, wird der Kampf gegen Piraterie wirkungslos bleiben", kritisierte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Denn die Eindämmung der Piraterie entscheidet sich nicht auf See, sondern an Land. In Somalia herrschen Krieg und Gewalt und deshalb wird es immer neue Piraten geben, die die verhafteten Gewalttäter ersetzen."

In der letzten Woche waren nach Angaben der GfbV mindestens 45 Menschen bei Kämpfen und beim Granatbeschuss von Wohnvierteln in der somalischen Hauptstadt Mogadischu getötet worden. Am Sonntag seien die Kämpfe in Mogadischu erneut eskaliert. Dabei seien fünf Menschen getötet und 15 verletzt worden. Seit Januar 2010 seien mehr als 7.000 Personen mit Schuss- und Granatverletzungen in die drei Krankenhäuser der Stadt eingeliefert worden.

"Viele der verletzten Zivilisten wurden Opfer von Kriegsverbrechen", berichtete die GfbV. "Die Zivilbevölkerung der Stadt gerät zwischen die Fronten der sich bekämpfenden radikal-islamischen Milizen, der Armee der Übergangsregierung Somalias oder der Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AMISOM). Dringend muss sich die EU um einen Dialog zwischen allen Konfliktparteien bemühen, um neue Perspektiven für einen dauerhaften Frieden zu entwickeln."

Somalische Piraten sind der GfbV zufolge für 44 Prozent aller 289 weltweit registrierten Pirateriefälle seit Januar 2010 verantwortlich. Zurzeit würden 22 Schiffe mit mehr als 500 Besatzungsmitgliedern von ihnen festgehalten. "Die Operation Atalanta der EU zur Bekämpfung der Piraterie hat nichts daran geändert, dass es immer einträglicher wird, ausländische Schiffe zu überfallen", erklärte Delius. Während im Jahr 2009 noch durchschnittlich eine Million US-Dollar Lösegeld pro Schiff von den Reedern gezahlt worden sei, seien es in diesem Jahr bereits drei Millionen US-Dollar.

"Die Piraterie boomt nicht nur vor Somalias Küste, sondern somalische Piraten operieren inzwischen vor den weit entfernten Seychellen und im Roten Meer. Sie starten ihre Angriffe von "Mutterschiffen" aus, die hunderte Kilometer von Somalias Küste entfernt liegen", erklärte Delius. "Das ist nicht das Werk verarmter Fischer, sondern bestens organisierter Verbrecherbanden. Diese kriminellen Netzwerke operieren mit internationaler Unterstützung."

Das US- Außenministerium verdächtige Unternehmen in den Vereinten Arabischen Emiraten und in Kenia, Piraterie zu fördern, berichtete die GfbV weiter. Auch in Südafrika, Indien und Großbritannien seien ihre Mittelsmänner aktiv. "Wer den Piraten den Prozess machen will, muss vor allem ihre Hintermänner, Informanten und Geldwäscher vor Gericht bringen, ansonsten ist der Kampf gegen die Piraterie verloren", warnte Delius.

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