aerzte_ohne_grenzenBrüssel. - Die medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat anlässlich der Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien Pläne der EU kritisiert, die die Produktion bezahlbarer Medikamente in Indien einschränken könnten. "Die EU will Pharmaunternehmen die Möglichkeit geben, juristisch gegen die patientenfreundliche Gesundheitspolitik Indiens vorzugehen", erklärte Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland.

Als medizinische Nothilfeorganisation ist Ärzte ohne Grenzen auf Indien angewiesen, weil sie einen Großteil der Medikamente von dort bezieht. "Wir fordern die europäischen Regierungen auf, den Zugang von armen Patienten zu lebensnotwendigen Medikamenten nicht immer wieder aufs Neue zu gefährden", sagte Moldenhauer.

Die EU drängt nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen darauf, den Schutz geistiger Eigentumsrechte in das Investitionsschutzkapitel im Handelsabkommen zu integrieren. Das würde europäischen Pharmaunternehmen ermöglichen, die indische Regierung zu verklagen, wenn sie ihre Gewinne oder Investitionen durch politische Entscheidungen gefährdet sehen. Entscheidungen der indischen Regierung im Sinne der öffentlichen Gesundheit und im Interesse des Patientenwohls wären damit von einem privaten Unternehmen rechtlich angreifbar. Geklagt werden könnte beispielsweise gegen die Aufhebung eines Patents auf ein wichtiges Medikament oder gegen Preiskontrollen bei einem patentierten Wirkstoff. Die juristischen Prozesse würden dabei in nicht-öffentlichen Verhandlungen privater Schiedsgerichte stattfinden und so nationale Gerichte umgehen.

Diese Pläne stehen im Widerspruch zu einer jetzt verabschiedeten Resolution des Europäischen Parlaments, wonach Investitionspolitik den Zugang zu Medikamenten nicht gefährden darf. "Immer wieder versucht die EU uns einzureden, dass keine ihrer Forderungen den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten einschränkt, und immer wieder müssen wir feststellen, dass Wort und Tat nicht zusammenpassen", sagte Michelle Childs von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. "Indische Gerichte haben bisher die öffentliche Gesundheit und den Zugang zu Medikamenten als wichtiger erachtet als Firmengewinne. Diese Prinzipien werden kaum bestehen können, wenn Unternehmen die Möglichkeit haben, vor privaten Schiedskommissionen zu klagen. Wir fordern die EU auf, diese Pläne fallen zu lassen."

Bevor diese Klauseln ausverhandelt werden, bedarf es einer Zustimmung aller Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zum Verhandlungsmandat der EU-Kommission. "Wir fordern Bundeswirtschaftsminister Brüderle auf, solche Klauseln nicht weiter zu unterstützen und der Kommission kein Mandat zu geben, diese Teilverhandlungen abzuschließen", so Moldenhauer.

Indien wird auch als "Apotheke der Armen" bezeichnet. Bezahlbare Medikamenten aus Indien spielten in der Vergangenheit eine große Rolle bei der Ausweitung der Behandlung von HIV/Aids auf über fünf Millionen Menschen. Mehr als 80 Prozent der Medikamente, die Ärzte ohne Grenzen zur Behandlung von über 170.000 Aidspatienten einsetzt, stammen aus Indien. Auch viele Medikamente gegen Tuberkulose und Malaria bezieht Ärzte ohne Grenzen aus Indien.

www.aerzte-ohne-grenzen.de

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