Washington. - Rund 1,5 Milliarden Menschen leben in Ländern, die immer wieder von Phasen politischer oder krimineller Gewalt betroffen sind. Der Anteil der Armen in diesen Staaten liege um 20 Prozent höher als in anderen Ländern, heißt es im Weltentwicklungsbericht 2011 der Weltbank mit dem Titel "Conflict, Security and Development". Insbesondere die Stärkung nationaler Institutionen und die Ausrichtung der Regierungsführung auf die Sicherheit der Bürger, mehr Gerechtigkeit und die Bereitstellung von Arbeitsplätzen könne die Spirale der Gewalt beenden, so der Bericht.
Es gehe darum, die wirtschaftlichen und politischen Probleme zu lösen, die fragile Staaten an der Entwicklung hindern und wiederholt Gewalt heraufbeschwören, so die Weltbank. "Damit wir die Zyklen der Gewalt aufbrechen und die ihnen zugrunde liegenden Spannungen abbauen können, müssen wir gesetzmäßigere, verantwortlichere und handlungsfähigere Institutionen entwickeln, die den Bürgern Sicherheit, Gerechtigkeit und Arbeit zur Verfügung stellen", sagte Weltbank-Präsident Robert B. Zoellick. Kinder, die in fragilen Staaten leben, seien doppelt so oft unterernährt und dreimal so oft wie andere Kinder in Gefahr, keine Schule besuchen zu können.
Dem Bericht zufolge sind mindestens 1,5 Milliarden Menschen von aktueller Gewalt oder den Folgen früherer Gewalt betroffen. Die organisierte Gewalt des 21. Jahrhunderts werde genährt durch eine Reihe interner oder internationaler Faktoren wie Jugendarbeitslosigkeit, Armut, Spannungen zwischen ethnischen, religiösen oder sozialen Gruppen sowie der organisierten Kriminalität. Umfragen hätten ergeben, dass Arbeitslosigkeit der mit Abstand wichtigste Faktor war, warum sich jemand einer kriminellen Bande oder einer Rebellenbewegung anschloss, so der Bericht. Wie die aktuellen "Turbulenzen" in Nordafrika und im Nahen Osten zeigten, sei das Risiko der Gewalt um so größer, je schwächer oder illegitimer wichtige nationale Institutionen sind.
Nach Auffassung der Autoren des Weltentwicklungsberichtes 2011 sind kompetente und legitime staatliche Institutionen besonders wichtig, weil sie in Streitfällen vermitteln können, die sonst zu wiederholter Gewalt und Instabilität führen. Mehr als 90 Prozent der Bürgerkriege im 21. Jahrhundert fänden in Ländern statt, die bereits in den vorangegangenen 30 Jahren unter einem Bürgerkrieg zu leiden hatten. Erfolge im Rahmen eines Friedensprozesses würden häufig durch organisierte Kriminalität untergraben. Länder mit chronischer Gewalt fallen in ihrer Entwicklung zurück und weisen Armutsraten auf, die 20 oder mehr Prozentpunkte über denen in Ländern ohne Gewalt liegen. Dies kann neue Gewalt heraufbeschwören. So sterben dem Bericht zufolge in Guatemala heute infolge krimineller Gewalt jährlich fast doppelt soviele Menschen wie während des Bürgerkrieges in den 1980er Jahren.
Während in vielen Teilen der Welt in den letzten 60 Jahren rasche Fortschritte bei der Verringerung der Armut gemacht worden seien, herrsche in Gebieten mit politischer Instabilität und Gewalt Stagnation, sagte der Chefökonom der Weltbank, Justin Lin. Dies gelte sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Indikatoren menschlicher Entwicklung.
In Staaten, in denen Gewalt und Instabilität herrschen, kommt es dem Bericht zufolge darauf an politische Koalitionen zu schmieden, die "inklusiv" genug sind, um eine breite nationale Unterstützung für Veränderung herbeiführen zu können. Die zentrale Aufgabe sei es zunächst, Vertrauen zwischen den Beteiligten aufzubauen. Der Aufbau rechtmäßiger und fähiger nationaler Institutionen, die Instabilität und Gewalt trotzen können, sei jüngsten Forschungsergebnissen zufolge ein langwieriger Prozess, der normalerweise 15 bis 30 Jahre benötige.
Den Autoren des Weltbank-Berichtes zufolge haben Gesellschaften, die die Gewalt hinter sich lassen konnten, eine Reihe institutioneller Reformen in den Bereichen Politik, Sicherheit und Wirtschaft zustande gebracht. Im Ergebnis stellte der Staat den Bürgern mehr Sicherheit, mehr Gerechtigkeit und mehr Arbeitsplätze zur Verfügung. Fehlte eines dieser Elemente, geriet der Transformationsprozess ins Stocken.
Der Bericht empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, um Vertrauensbildung und institutionelle Reformen zu unterstützen. Dazu gehören Programme zur Gewaltprävention und Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen auf Gemeindeebene und eine stärkere Einbeziehung von Frauen und von lokalen Einrichtungen zur Konfliktlösung. Internationale Entwicklungsagenturen sollen ihre Hilfe stärker darauf ausrichten, Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Verbesserung von Polizei und Justiz in fragilen Staaten zu finanzieren.
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