whoBerlin. - Die Zahl der Menschen mit Behinderung ist weltweit erheblich größer als bisher angenommen. Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse des ersten Weltbehindertenreports, der von Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Weltbank jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. "Seit den siebziger Jahren galt allgemein die Annahme, dass zehn Prozent der Weltbevölkerung behindert sind", erklärte die Christoffel-Blindenmission (CBM) am Freitag in Bensheim. "Dies war eine erhebliche Fehleinschätzung."

Aufgrund neuen Datenmaterials und des größer gewordenen Anteils älterer Menschen und chronischer Krankheiten wie Diabetes und Herzerkrankungen muss diese Schätzung auf 
15 Prozent erhöht werden. Das entspricht bei einer Zahl von fast sieben Milliarden Menschen weltweit rund einer Milliarde Betroffener. Etwa achtzig Prozent von ihnen leben in Entwicklungsländern – also ca. 800 Millionen Menschen. Gerade in Entwicklungsländern muss man nach Angaben der CBM davon ausgehen, dass etwa die dreifache Zahl indirekt betroffen ist, da in diesen Ländern die Familienmitglieder oft die einzigen sind, die sich um Menschen mit Behinderung kümmern.

Rainer Brockhaus, Direktor der Christoffel-Blindenmission, der weltweit führenden Hilfsorganisation für Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Ländern der Welt, ist daher überzeugt, dass es sich kein Land und keine Gesellschaft mehr leisten kann, über Menschen mit Behinderung hinwegzusehen: "Wenn jetzt weiter wie bisher viele Regierungen wie auch nichtstaatliche Organisationen die Belange von Menschen mit Behinderungen bei ihren Planungen nicht einbeziehen, dann schließen sie einen großen Teil aus der Gesellschaft aus."

Mittlerweile haben rund 100 Staaten die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich so verpflichtet, allen Menschen die gleichen Rechte zu ermöglichen. Der Weltbehindertenreport zeigt zum einen auf, dass diese Gleichheit der Rechte für alle vielfach noch erarbeitet werden muss; thematisiert werden dabei Diskriminierung und Barrieren für Menschen mit Behinderung. Zum anderen gibt der über 300 Seiten umfassende Report eine Richtschnur, wie zukünftig vor allem in den ärmsten Ländern dieser Welt die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen verbessert werden kann. Zu den wichtigsten Forderungen zählt, dass behinderte Menschen in alle politischen und gesellschaftlichen Belange einbezogen werden müssen, dass ihre Stimme angemessen gehört und auch berücksichtigt wird. Die Erfahrung aus inklusiven Projekten weltweit zeige, so die CBM: "Wer die Belange von Menschen mit Behinderungen von Anfang an umsetzt, unterstützt damit die gesamte Gesellschaft."

Die CBM fördert in fast 900 Projekten weltweit Menschen mit Behinderung darin, ein selbständigeres Leben zu führen. Medizinische Hilfe, Rehabilitation und Inklusion stehen dabei im Vordergrund, z.B. durch die Unterstützung von Augenhospitälern, Blindenschulen, Förderprogrammen für Hörgeschädigte und Körperbehinderte.

Handicap International wies auf die besondere Schutzbedürftigkeit behinderter Menschen in Entwicklungsländern hin. Im regionalen Bereich sowie auf nationaler und internationaler Ebene sei Solidarität gegenüber Menschen mit Behinderung in unterentwickelten Regionen und Schwellenländern notwendig. Besondere Angebote und ausgleichende Maßnahmen seien unabdingbar, um eine Gleichbehandlung für diese Menschen zu garantieren. Insbesondere müssten die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in andauernden Krisen und Notsituationen berücksichtigt werden.

"Wir begrüßen den Bericht der WHO, dies ist eine wichtige Zahlengrundlage für die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen", sagte Johannes Stockmeier, Präsident des Diakonischen Werkes der EKD, am Freitag. Auch in Deutschland sei in dieser Hinsicht noch viel zu tun. Auch die evangelischen Hilfswerke, Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) und "Brot-für-die-Welt", begrüßten den Bericht ausdrücklich. "Wir sind allerdings auch betroffen darüber, dass die Zahl der Menschen mit Behinderung weltweit höher ist, als bisher angenommen", so Claudia Warning, Vorstand des EED.

Foto: CBM

www.who.int

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