die_150Bonn. - Die Wahlen in Tunesien sind bislang eines der programmatischsten Zeichen für einen demokratischen Aufbruch in Teilen der arabischen Region. Doch wie soll man vom Westen aus diesen Prozess unterstützen, wie die weitere Transformation begünstigen, in der eine gemäßigt islamistische Regierungspartei eine tragende Rolle spielen wird? Diese und ähnliche Fragen stellen sich nicht nur mit Blick auf Tunesien oder vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings, schreibt Dr. Jörg Faust in der aktuellen Kolumne des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE).  

Es sind zentrale Fragen, die auch für andere Länder Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas gelten und die zu einem besonders normativen Teil westlicher Außenpolitiken gehören, nämlich der Demokratieförderung.

Demokratieförderung kann von meist umstrittenen Extremmaßnahmen wie militärischen Interventionen über ökonomische Sanktionen gegenüber Diktaturen bis hin zur Förderung von Zivilgesellschaft und Rechnungshöfen in jungen Demokratien reichen. Die Effekte von Militärinterventionen und Sanktionen sind dabei höchst umstritten; am besten scheint Demokratieförderung mit zivilen Mitteln zu wirken und zwar in Ländern, die bereits aus eigener Kraft politische Liberalisierungsschritte eingeleitet haben. Und so sollte man eigentlich meinen, dass die Ereignisse des Arabischen Frühlings einen neuen Boom gerade in der zivilen Demokratieförderung ausgelöst hätten. Und liest man die wie immer geschäftig anmutenden Berichte der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, so wird man auch viel über Erfolg versprechende Strategien und Instrumente der Demokratieförderung – nicht nur im arabischen Raum – zu lesen bekommen.

Aber dennoch: Die hinter dem Aktivismus in der Demokratieförderung verborgene Selbstsicherheit, mit der westliche Regierungen ihr Ordnungsmodell in der Vergangenheit zu verbreiten suchten, ist einer merklichen Unsicherheit gewichen. Kein Wunder! Denn ob in New York, Athen, Madrid oder Chile: In den von Finanzkrisen oder anhaltenden sozialen Ungleichgewichten betroffenen Demokratien hinterfragen deren Bürgerinnen und Bürger nun zunehmend selbst die Leistungsfähigkeit und auch die Legitimität ihrer politischen Systeme. Deshalb ist es für die westlichen Staatenlenker und Bürokratien schwieriger geworden, sich nach außen offensiv für die Demokratie einzusetzen. Doch auch der internationale Spielraum für eine offensive Demokratieförderung ist geringer geworden. Etliche europäische und nordamerikanische Staaten haben als Hauptträger der Demokratieförderung nicht nur an Legitimität verloren, weil die jüngere ökonomische Performanz ihrer Systeme nicht überzeugen konnte. Diese Staaten haben auch nicht mehr die ökonomische und politische Bedeutung in den Regionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wie noch vor 10 oder 20 Jahren.

Die Verschiebungen im internationalen System sowie der ökonomische und politische Aufstieg vieler Schwellenländer – allen voran Chinas – bedeutet für die westliche Demokratieförderung ein Verlust an Hebelkraft. Diese könnten die westlichen Demokratien zwar dadurch kombinieren, dass sie einheitlicher auftreten, koordinierter vorgehen und abgestimmte Strategien der Demokratieförderung wählen. Doch weit gefehlt. Der relative Bedeutungsverlust im internationalen System hat die Demokratien Westeuropas und Nordamerikas bislang jedenfalls nicht enger zusammenrücken lassen. In der Demokratieförderung manifestiert sich dies in den anhaltenden Schwierigkeiten, gemeinsame Strategien und Instrumente zu entwickeln und dann auch tatsächlich umzusetzen. Dies zeigt sich mit Blick auf den Arabischen Frühling nicht nur in der Uneinigkeit über angemessene militärische Strategien in Libyen oder Syrien. Weniger sichtbar, aber ähnlich uneinheitlich geht es in der entwicklungspolitischen Demokratieförderung zu. Und gerade Europa bietet hier angesichts seines Handlungspotentials ein eher trauriges Bild. Unfähig ihre im internationalen System immer kleinteiliger anmutenden Interessen hinter der Idee einer handlungsfähigen Europäischen Union hinten anzustellen, ist bei den wichtigsten EU-Mitgliedsstaaten auch in der zivilen Demokratieförderung ein Trend zum bilateralen Klein-Klein zu erkennen.

Doch die Schwierigkeiten westlicher Staaten, ihre sich relativierende internationale Bedeutung über ein Mehr an gemeinsamem Handeln zu kompensieren, heißt wiederum nicht, dass es um die Verbreitung der Demokratie schlecht bestellt sei. Vielmehr steigt die Empfänglichkeit für demokratische Prinzipien in den Entwicklungs- und Schwellenländern weiter an. Grundbildung und Urbanisierung nehmen zu, genau wie die Mittelschichten in den meisten Ländern des Südens in den beiden vergangenen Jahrzehnten angewachsen sind. Damit entwickeln sich gesellschaftliche Strukturen, die bessere soziale Bedingungen für die Entstehung und Persistenz demokratischer Strukturen bieten. Die Globalisierung der Informationsflüsse – so sehr im Einzelnen noch defizitäre Strukturmerkmale bestehen – erschwert es den Diktaturen und Autokratien zunehmend, Informationsflüsse zu ihren Gunsten zu manipulieren. Schließlich haben in den letzten beiden Jahrzehnten etliche Regionalmächte erhebliche Fortschritte bei ihren Demokratisierungsbemühungen gemacht: Brasilien, Indonesien, Südafrika. Zwar sind diese Demokratien des Südens noch keine aktiven Demokratieförderer geworden: aber für alle gilt, dass auch sie zumindest eine Präferenz für die Verbreitung rechtsstaatlicher und demokratischer Systeme haben. Blieben noch Russland und China als die wichtigsten regionalen Bollwerke des Autoritarismus. Aber auch von vielen chinesischen Gesprächspartnern wird man im vertraulichen Gespräch erfahren, dass das chinesische System zumindest mittel- bis langfristig nicht um eine politische Öffnung umhin kommen wird, wenn es nicht an politischen und sozialen Konflikten zerbrechen will.

Insgesamt bietet sich so eine recht ungewohnte Situation. Während die Unsicherheit und Handlungsbegrenzungen im Westen mit Blick auf die Demokratieförderung eher zunehmen, ist das internationale Umfeld jenseits der OECD-Welt zumindest insgesamt demokratieempfänglicher geworden. Vielleicht wäre es da an der Zeit, Demokratieförderung nicht mehr als primär einseitige Exportmaßnahme zu konzipieren, sondern als reziproke Form der internationalen Zusammenarbeit. Glaubwürdigkeit würde man im Süden sicherlich mit einem explizit selbstkritischen Blick auf die offensichtlich gewordenen eigenen Systemdefizite gewinnen. Und trotz solcher Reflektion kann ja selbstbewusst auf die Vorteile demokratischer Systeme verwiesen werden: dass diese nämlich explizit Kritik und Protest erlauben, um hieraus ihre Flexibilität und Reformfähigkeit zu erfahren.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Bonn.

Back to Top

Wir nutzen ausschließlich technisch notwendige Cookies auf unserer Website.