meereis_arktis_mpi_notz_150Hamburg. - Das unerwartet schnelle Schmelzen von Meereis in der Arktis wird häufig als Beleg für den vom Menschen gemachten Klimawandel angeführt. In einer jetzt erschienenen Studie haben Wissenschaftler des Max Planck-Instituts für Meteorologie untersucht, ob diese Interpretation wissenschaftlich haltbar ist. Dabei zeigte sich, dass der beobachtete Rückgang von Meereis in der Arktis nicht durch natürliche Schwankungen erklärt werden kann. Bei der Suche nach einem äußeren Antrieb fanden die Forscher einen klaren Zusammenhang mit dem Anstieg der Konzentration von Treibhausgasen.

Normalerweise verwenden Forscher komplexe Klimamodelle, um die Ursache für eine beobachtete Veränderung im Klimasystem zu identifizieren. Die Wissenschaftler des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie verfolgten jedoch eine andere Strategie, um herauszufinden, warum das Meereis in der Arktis in den letzten Jahren so schnell zurückgegangen ist. Dirk Notz, Leiter der Meereis-Forschungsgruppe und Hauptautor der jetzt in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters erschienen Studie, erläuterte warum: "Meereis ist so dünn, dass es äußerst sensibel auf die in der Arktis vorherrschenden starken natürlichen Wetter- und Klimaschwankungen reagiert. Da die zeitliche Abfolge dieser Schwankungen chaotisch ist, kann sie von normalen Klimamodellen nicht richtig simuliert werden. Solche Modelle sind daher nicht unbedingt das beste Werkzeug, um herauszufinden, ob natürliche Schwankungen den Rückgang des Meereises in den letzten Jahren verursacht haben."

Die Forscher benutzten stattdessen einen historischen Datensatz, in dessen Rahmen die natürlichen Schwankungen des Arktischen Meereises vom Beginn der 1950er bis zum Ende der 1970er Jahre aufgezeichnet worden waren. Diese natürlichen Schwankungen des Meereises verglichen die Forscher mit der Entwicklung des Meereises in den letzten 30 Jahren. Dabei zeigte sich, dass der Meereis-Rückgang in den letzten Jahrzehnten nicht durch natürliche Schwankungen verursacht worden sein kann.

Die Forscher konnten darüber hinaus nachweisen, dass sich der Rückgang von Meereis nicht selbst verstärkt. Es gibt also keinen Teufelskreis, der das Meereis immer weiter zurückgehen lässt: "Immer wenn es in den Datensätzen einmal einen starken Rückgang des Meereises von einem Jahr zum nächsten gab, wurde dieser Rückgang im Folgejahr wieder teilweise ausgeglichen", so Dirk Notz. Dies wäre nicht der Fall, wenn sich der Rückgang des Eises selbst verstärken würde.

Prof. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie und Zweitautor der Studie, beschreibt die nächsten Schritte der Forscher: "Nachdem wir natürliche Schwankungen und eine Selbstverstärkung als Ursache für den Rückgang des Eises ausschließen konnten, war klar, dass irgendein äußerer Antrieb das Eis immer weiter zurückgehen lässt. Wir machten uns daher auf die Suche nach einem äußeren Antrieb, der einen physikalisch plausiblen Zusammenhang mit dem Meereisrückgang zeigt."

Die Forscher untersuchten zum Beispiel die Stärke der Sonnenstrahlung. "Hier würde ein physikalisch plausibler Zusammenhang zum Meereisrückgang nur dann existieren können, wenn die Sonnenstrahlung in den letzten Jahren stärker geworden wäre." Jedoch ist das Gegenteil der Fall, die Sonnenstrahlung hat in den letzten Jahrzehnten leicht abgenommen. Es ist daher physikalisch äußerst unwahrscheinlich, dass Schwankungen in der Sonnenstrahlung der Hauptantrieb für den beobachteten Rückgang des Meereises waren. Ebenso konnten die Forscher keinen plausiblen Zusammenhang der beobachteten Meereisentwicklung mit Veränderungen der vorherrschenden Windmuster, Vulkanausbrüchen, kosmischer Strahlung oder ozeanischen Wärmetransporten finden.

"Am Ende blieb in unserer Liste möglicher Antriebe nur der Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen übrig", erklärte Notz. "Aufgrund fundamentaler physikalischer Gesetze würden wir erwarten, dass ein Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen zu einer Erwärmung und damit einem Rückgang des Meereises führt. Und genau dies wird auch beobachtet". Der physikalische Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Treibhausgaskonzentration und dem Rückgang von Meereis sei dabei recht einfach zu verstehen: "Treibhausgase erhöhen die einfallende Wärmestrahlung. Diese Wärmestrahlung wiederum ist der wichtigste Faktor im Wärmehaushalt von Arktischem Meereis."

In der Antarktis sei die Lage hingegen völlig anders, so die Forscher. Hier nehme die Ausdehnung von Meereis sogar leicht zu, woraus sich schließen lasse, dass hier der Anstieg der Treibhausgase nicht der Antrieb für die beobachteten Veränderungen sein kann. Der Hauptgrund für diese Unterschiede zwischen den beiden Polargebieten liege in der jeweiligen Landverteilung. In der Arktis sei das Eis auf dem Arktischen Ozean weitestgehend von Landmassen umschlossen, die Ausdehnung des Eises hänge daher vor allem vom jeweiligen Schmelzen und Gefrieren ab. Daher spielten Treibhausgase mit ihrem Einfluss auf die Wärmeflüsse in der Arktis eine dominierende Rolle für die Entwicklung des Meereises.

In der Antarktis treibe das Meereis hingegen völlig frei im Südlichen Ozean. Die Meereis-Ausdehnung dort hänge daher primär von den vorherrschenden Winden ab. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Anstieg der Treibhausgaskonzentration bisher keinen starken, direkten Einfluss auf das Meereis in der Antarktis gehabt hat. Dort wird die Ausdehnung primär von der Entwicklung der Windsysteme und Meeresströmungen bestimmt", sagte Marotzke. "In dem von Land umschlossenen Arktischen Ozean hingegen ist augenscheinlich die Zunahme der Treibhausgase hauptverantwortlich für die beobachtete Abnahme des Meereises."

Foto: Arktisches Meereis © Dirk Notz, MPI für Meteorologie

www.mpimet.mpg.de

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