Aachen. - Mit großer Besorgnis haben Partner des katholischen Hilfswerks Misereor auf den Ausgang der Präsidentenwahl in Paraguay reagiert. Mit dem deutlichen Sieg des konservativen Kandidaten Horacio Cartes hätten die mächtigen Agrarkonzerne und Großgrundbesitzer nun einen wichtigen Fürsprecher an der Spitze des Staates, kommentierte Juan Baez von der kirchlichen Sozialpastoral in Coronel Oviedo die Lage.
Baez befürchtet, dass dies zu Lasten von Kleinbauern und indigenen Bevölkerungsgruppen gehen könnte. "Staatliche Beschränkungen beim Einsatz von genmanipuliertem Saatgut, eine Besteuerung von Agrarexporten, das Ende der Vertreibung von Landlosen, Kleinbauern und Indigenen oder gar eine Agrarreform - dies alles wird im Parlament vorläufig kein Thema mehr sein", sagte Baez.
Paraguay gelte auch im Weltmaßstab als Land mit einer besonders ungleichen Verteilung des Landbesitzes, so Misereor. 85,5 Prozent des Landes befinde sich in den Händen von 2,6 Prozent aller Landeigentümer, während 91,4 Prozent der bäuerlichen Bevölkerung lediglich sechs Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche besitzen.
Die enorme Ausbreitung der Soja-Monokultur auf den Feldern von Großgrundbesitzern hat Misereor zufolge zu einer massiven Vertreibung unzähliger Kleinbauernfamilien und indigener Gemeinschaften geführt - mit spürbaren Folgen: Die für die Kleinbauern immer geringer werdende Fläche des fruchtbaren Landes reicht nicht mehr aus, um die Bevölkerung ausreichend zu ernähren, der massive Einsatz von Agrarchemikalien auf Feldern mit Soja-Monokulturen verseucht das Wasser und führt zu Krankheit und Tod. Letztlich ist auch der Verlust des einheimischen Saatgutes und der über Jahrhunderte gepflegten Anbautraditionen zu beklagen.
Bereits die vorherige Regierung in Paraguay unter dem liberalen Interimspräsidenten Federico Franco stand nach Beobachtung von Misereor im Zeichen einer Politik der Bevorzugung von Konzernen aus dem Bereich des Agrobusiness und des Bergbaus. "Die Regierung Franco genehmigte innerhalb von nur zehn Monaten nicht weniger als acht Sorten von transgenem Saatgut, unter anderem für Soja, Mais und Baumwolle. Und die Planungen zum Bau einer riesigen Aluminiumschmelze des kanadischen Bergbaukonzerns Rio Tinto Alcan sind rasant fortgeschritten", berichtete Robert Grosse, der als Misereor-Berater für Argentinien und Paraguay die Lage vor Ort genau kennt.
"Zurück auf Los", lautet die Devise nach dem Wahlergebnis vom Sonntag aus Sicht von Juan Baez: "Die sozialen Organisationen, die in den vergangenen Jahren unter Führung des vom Parlament vorzeitig abgewählten Präsidenten Fernando Lugo auf eine Demokratisierung Paraguays und die Lösung der dringendsten sozialen Probleme gesetzt hatten, müssen diese Hoffnung vorerst begraben."
Auch Alberto Alderete vom "Runden Tisch Nachhaltige Entwicklung", einem Netzwerk von Kleinbauern- und Indigenen-Organisationen, mit dem Misereor seit vielen Jahren kooperiert, zeigte sich skeptisch. "Außer der Tatsache, dass alles friedlich verlaufen ist, kann ich der Wahl nichts Positives abgewinnen."
"Für die Misereor-Partnerorganisationen wird in den kommenden Monaten die größte Herausforderung darin bestehen, einige soziale Errungenschaften zu sichern, die unter Präsident Lugo vor allem zugunsten der ärmeren Bevölkerung eingeführt wurden", sagte Victoria Sonntag, Paraguay-Expertin bei Misereor. "Zum ersten Mal in der Geschichte bekamen alle Paraguayer eine kostenfreie Gesundheitsversorgung, zum ersten Mal erhielt die indigene Bevölkerung Anhörungsrechte und wurde als politischer Akteur ernst genommen."
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