dataBerlin. - Die deutsche Entwicklungshilfe ist im Jahr 2012 um drei Prozent gesunken. Das hat die entwicklungspolitische Lobby-Organisation ONE für ihren am Sonntag veröffentlichten Sonderbericht zum DATA-Bericht 2013 errechnet. Dem Report zufolge erhielt Afrika 16 Prozent weniger Mittel als im Vorjahr. Damit sinke der Anteil am Bruttonationaleinkommen (BNE), den Deutschland für Entwicklung ausgibt, auf 0,36 Prozent (ohne Schuldenerlasse).

Die größte Volkswirtschaft Europas entferne sich dadurch weiter vom 0,7-Prozent-Ziel der Vereinten Nationen, das im Jahr 2015 fällig wird, kritisierte ONE. Tobias Kahler, Deutschlanddirektor von ONE, sagte: "Extreme Armut wurde in den vergangenen 20 Jahren halbiert und kann bis 2030 praktisch beendet werden. Dafür müssen auch wirksame Entwicklungsansätze ausgebaut werden. Der massive Rückgang der Unterstützung für Afrika ist erschütternd. Dieser schadet der deutschen Glaubwürdigkeit und unseren eigenen Interessen. Die künftige Bundesregierung, die im Jahr 2015 auch Gastgeber des G8-Gipfels sein wird, muss Deutschlands internationale Zusagen umsetzen, um sich nicht zu blamieren."

ONE schaut den Kandidaten für den kommenden Bundestag besonders auf die Finger: Im ONE-Kandidatencheck, der online unter www.one.org/artikelone abrufbar ist, macht ONE öffentlich, wer den "Artikel ONE" unterzeichnet hat und sich damit für mehr Entwicklung einsetzt. Durch Eingabe der Postleitzahl können Wähler prüfen, ob "ihr" Kandidat unterzeichnet hat, oder nicht.

Die Lobbyorganisation zieht aus dem Bericht den Schluss, Deutschland habe seine Führungsrolle im Bereich innovativer Entwicklungsfinanzierung verloren. Klimaschutz passiere lediglich "auf Kosten klassischer Entwicklungszusammenarbeit". Zudem hätten sich im Jahr 2010 unter den Top-Ten-Empfängern deutscher staatlicher Entwicklungshilfe (ODA) neun Länder mit mittlerem Einkommen befunden. 2011 sei nur ein afrikanisches Land unter den Top 10 gewesen: Kenia. Unter der schwarz-gelben Koalition gebe es deshalb keine stärkere Ausrichtung der deutschen Mittel auf die ärmsten Länder.

Grafik: ONE

Im Bundestagswahlkampf stelle sich damit nun die Frage, so Tobias Kahler, "ob und wie die nächste Bundesregierung die internationale Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und Mittel erheblich aufstocken wird. Die nächste Bundesregierung wird im Zieljahr der MDGs und der 0,7-Prozent-Zusage 2015 als Gastgeberin des G8-Gipfels einer besonderen internationalen Verantwortung gerecht werden müssen."

Andererseits rücke Afrika mehr und mehr in den Fokus deutscher Unternehmen, so der Bericht. Seit dem Jahr 2001 seien die deutschen Direktinvestitionen in Afrika stetig gestiegen. Lediglich im Krisenjahr 2008 seien sie eingebrochen. 2013 sei erstmals jedes fünfte deutsche Unternehmen, das im Ausland tätig war, auch in Afrika aktiv geworden. Allerdings liege der Fokus bislang noch sehr stark auf Südafrika. 2012 seien zwei Drittel der für die Region südlich der Sahara bestimmten Exporte nach Südafrika gegangen.

Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung der bündnisgrünen Bundestagsfraktion und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ), sprach von einer "ebenso vernichtenden wie beschämenden Bilanz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere hinsichtlich der Länder des afrikanischen Kontinents". Unter der Regierung Merkel seien die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit weltweit zum ersten Mal seit 2005 gesunken. "Die Regierungschefin einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt hält ihre Versprechen gegenüber den Menschen in den Ländern des Südens nicht ein", sagte Hoppe.

Der Bericht zeigt Hoppe zufolge auch, "wohin die Regierung Merkel stattdessen die Entwicklungsgelder sendet und so den Weg für deutsche Exportinteressen ebnet: in Länder mittleren Einkommens, wo Entwicklungskredite deutschen Unternehmen gelegen kommen. Und der Bericht warnt vor einem weiteren gefährlichen Trend: Die notwendigen Mittel für den internationalen Kampf gegen den Klimawandel nimmt die Bundesregierung ebenfalls aus dem kleiner werdenden Topf für Entwicklung."

Hoppe betonte, laut Wahlprogramm der Grünen sollten die Mittel für die Armutsbekämpfung jährlich um 1,2 Milliarden, die für den Klimaschutz zusätzlich um 500 Millionen Euro ansteigen. "Wir wollen eine echte Trendwende in der Entwicklungsfinanzierung!"

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Gudrun Kopp (FDP), erklärte dazu, Deutschland sei weltweit einer der größten Geber in der Entwicklungszusammenarbeit. "Allein zwischen 2009 und 2012 konnten wir den Mitteleinsatz um 1,3 Milliarden Euro auf aktuell rund 10,1 Milliarden Euro steigern." Die Steigerung sei "bemerkenswert, weil der Bundeshaushalt von 2009 bis heute insgesamt leicht gesunken ist". Auf Grund der wachsenden deutschen Wirtschaftsleistung sinke die sogenannte ODA-Quote. "Diesen sachlichen Zusammenhang sollten auch die Kritiker kennen."

Kopp verwies auf die Fusion von GTZ, DED und InWEnt zur neuen GIZ und behauptete: "Mit der größten Strukturreform in der Geschichte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit setzen wir deutsche Steuergelder erheblich wirksamer und verantwortlicher ein, wie dies die Bürger Deutschlands von uns zu Recht erwarten." Kopp weiter: "Wir wollen weg, vom losen Geldtransfer hin zu tatsächlich wirksamen Entwicklungsleistungen in unseren Partnerländern." Auch die OECD bescheinige Deutschland große Fortschritte durch die Fusion der Durchführungsorganisationen und bei der Politikkohärenz in der Bundesregierung.

www.one.org/data

 


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