happiness report 2013 100Berlin. - Glaubt man dem aktuellen "World Happiness Report", den die Vereinten Nationen jetzt veröffentlichten, sind die Dänen am glücklichsten. Die unglücklichsten Menschen der Welt leben in Guinea, Tansania, Ruanda, Burundi, in der Zentralafrikanischen Republik, Benin und Togo. Das widerspricht der Lebenserfahrung so mancher Afrika-Reisender, egal ob sie beruflich oder als Tourist unterwegs sind. Eine Gegenrede.

Der "World Happiness Report" (PDF) wurde vom UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN) veröffentlicht. Ökonomen, Psychologen und Statistiker haben daran gearbeit - unter der Federführung des Kanadiers Professor John F. Helliwell (Vancouver School of Economics, University of British Columbia) des Briten Lord Richard Layard von der London School of Economics, und allen voran des Amerikaners Professor Jeffrey D. Sachs, Direktor des Earth Institute an der New Yorker Columbia University und Sonderberater für die Millennium Development Goals von UN Generalsekretär Ban Ki Moon - und ebenfalls ein Ökonom.

Analysiert wurden unter anderem Daten von Sozialsystemen und des Arbeitsmarktes mit Befragungen über die Selbstwahrnehmung der Menschen. Ausschlaggebend, so die Autoren, seien für sie vor allem Kriterien wie Lebenserwartung, Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und "fehlende Korruption" gewesen. Darüber hinaus zählten der ökologische Fußabdruck, das Vorhandensein eines sozialen Umfeldes und die individuelle Freiheit, sein Leben selbst zu bestimmen. Wichtigster Faktor für das wahrgenommene Glück eines Menschen, so der Ergebnis der Studie, sei jedoch die geistige Gesundheit der Menschen.

Deutschland landete auf Platz 26 der insgesamt rund 156 ausgewerteten Länder. Unter den Top 10 sind neben Spitzenreiter Dänemark Norwegen, die Schweiz, die Niederlande und Schweden. Auch Finnland, Österreich, Kanada, Island und Australien befinden sind unter den ersten Zehn. Israel belegt den elften Platz. In den Top-20 sind die USA und Neuseeland. Den 20. Platz belegt Venezuela, Russland den 68. Rang, hinter Moldawien, Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan und Weißrussland.

Schlusslichter im Ranking der "glücklichsten" Länder sind wie im vorigen Jahr afrikanische Länder: Guinea (150.), Tansania (151.), Rwanda (152.), Burundi (153.), die Zentralafrikanische Republik (154.), Benin (155.) und ganz am Ende die ehemalige deutsche Kolonie Togo.

WER STECKT HINTER DEM BERICHT?

Jeffrey D. Sachs, Sonderberater Bans für die strategische Ausrichtung der Vereinten Nationen in Sachen Entwicklungsziele, hat seine wirtschaftswissenschaftliche Herangehensweise mehrfach modifiziert. In den "Reaganomics"-Jahren beriet er im Stile eines neoliberalen Hardliners Länder wie Bolivien, Polen, ab 1991 auch Russland, wo das einfache Volk verarmte und die "Oligarchen" ihren beispiellosen wirtschaflichen Raubzug beginnen konnten. Naomi Klein und der Ökomom Joseph E. Stiglitz kritisierten (nicht als einzige) seine "Schocktherapien", die die Staaten unter Liberalisierungsdruck setzten, harte soziale Einschnitte bei den ärmeren Bevölkerungsschichten verursachten und unter anderem zum raschen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Ostblocks beitrugen. Ab 1994 war Sachs in Indien aktiv, seit 1995 beschäftigt er sich besonders mit Afrika.

Mittlerweile differenziert Sachs weitaus mehr. Den marktradikalen Ansatz sieht er kritischer, einfachen Wegen zur Überwindung der Armut steht er mit Skepsis gegenüber. Er tritt für einen weitgehenden Schuldenerlass für die am wenigsten entwickelten Staaten (LDC) ein und kritisierte mehrfach die Welthandelsorganisation WTO und den Internationalen Währungsfonds, denen er vorwirft, die extreme Armut nicht effektiv genug zu bekämpfen. Die US-Regierung wurde von Sachs dafür gerügt, dass sie nicht - wie von der UNO gewollt - 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe bereitstellen will.

KANN MAN "GLÜCK" MESSEN?

Sicher, Subsahara-Afrika ist nach ökonomischen Gesichtspunkten "unterentwickelt", es herrscht Armut, teilweise auch Hunger und es gibt Naturkatastrophen und schlimme bewaffnete Konflikte. Entwicklungspolitik Online berichtet tagtäglich darüber. Wer aber als Reisender aus einem schwarzafrikanischen Land auf dem Flughafen Frankfurt landet und in die europäischen Gesichter schaut, möchte am liebsten gleich wieder umkehren. Wo ist die Fröhlichkeit geblieben, mit der die Afrikaner ihren Alltag bewältigen?

mental health regionenDie geistige Gesundheit zum wichtigsten Hauptfaktor zu erklären, ist bei diesem Ranking-Ergebnis fragwürdig. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Jahr 2001 ihren Jahresbericht dem Thema geistige Gesundheit gewidmet. Laut Statistik (oder besser: Schätzungen) erkrankt jeder vierte Mensch weltweit irgendwann in seinem Leben psychisch. Die Afrikaner sind in der WHO-Statistik zu "mental health" bei weitem nicht die Schlusslichter (siehe Tabelle rechts - Quelle).

Im Bericht heißt es: "Some studies show mental health to be the single most important determinant of whether a person is happy or not. Yet, even in rich countries, less than a third of mentally ill people are in treatment. Good, cost-effective treatments exist for depression, anxiety disorders and psychosis, and the happiness of the world would be greatly increased if they were more widely available. The Report also shows the major beneficial side-effects of happiness. Happy people live longer, are more productive, earn more, and are also better citizens. Well-being should be developed both for its own sake and for its side-effects."

Und glückliche Menschen sind natürlich bessere Konsumenten. Der Bericht basiert auf einer Gallup-Umfrage in den Jahren 2010 bis 2012 in mehr als 150 Ländern. Kriterien waren laut Report: "real GDP per capita, healthy life expectancy, having someone to count on, perceived freedom to make life choices, freedom from corruption, and generosity".

Afrika-Kenner können sich vorstellen, wie diese Umfragen verlaufen sind: Natürlich möchten die Afrikaner eines Tages einen höheren Lebensstandard, mehr Einkommen, einen BMW oder Mercedes und endlich keine Polizisten mehr, die an jeder Straßenecke ihre private Mautgebühr verlangen, weil sie mit ihrem Gehalt die Familie nicht durchbringen. Aber bis dahin lassen sie sich die gute Laune nicht verderben.

Wessen Leben ist am Ende subjektiv "glücklicher" gewesen? Das Leben einer Schwarzafrikanerin, die im Kreise ihrer Kinder, Enkel und Urenkel mit 65 oder 70 Jahren in ihrem Heimatdorf stirbt, oder das einer Japanerin, die mit 90 Jahren allein in ihrer Kleinstwohnung in Tokio tot aufgefunden wird, weil sich die gestressten Angehörigen nicht um sie kümmern konnten?

Auch Armut ist relativ. Arm ist nur, wer sich im Vergleich zum Nachbarn arm fühlt. In einem Land wie Guinea, in dem Reiche geradezu sozial verpflichtet sind, ihren Wohlstand mit Verwandten und Nachbarn zu teilen, sticht die Armut nicht so ins Auge wie in Staaten, die - wie Brasilien oder Indien - seit Generationen die exzessive Zurschaustellung des Reichtums gewohnt sind. Solange das Glücklichsein nicht weltweit zum Staatsziel erhoben wird, wie in Bhutan, solange glauben wir nicht daran, dass "die Afrikaner" die unglücklichsten Menschen der Welt sind.

World Happiness Report 2013 online
http://unsdsn.org/happiness/
http://www.happyplanetindex.org/data/

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