Douala. - Glawdys und Olivier haben am Wochenende den Bund der Ehe geschlossen. Eine rauschende Feier in einem Festsaal im Norden Doualas, der Wirtschaftsmetropole Kameruns, bildete den krönenden Abschluss. Zahllose Fotos und privat gedrehte Videos schlummern jetzt auf den Smartphones der Partygäste. Das wäre in Europa auch nicht anders. Aber in Youtube und Facebook wird man kaum etwas über die Hochzeit finden. Bei der Nutzung moderner Technologien unterscheiden sich die jungen Leute in Europa und Afrika teilweise beträchtlich. Von Klaus Boldt, z.t. Douala, Kamerun.
Die Abhöraffären haben dazu geführt, dass der NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages ernsthaft darüber nachdenkt, wieder auf die gute alte Schreibmaschine zurückzugreifen. In Zentralafrika ist vieles auch ohne Not noch analog. In der kleinen Pension in Bonapriso führt man die Akten noch ohne Computer. Die Dame an der Rezeption hat vor Jahrzehnten in Trier und Heidelberg studiert. Sie rekonstruiert allmählich ihren vor Jahrzehnten erworbenen deutschen Wortschatz, während sie betont langsam spricht. Sie malt dabei sorgfältig Buchstaben und Ziffern in eine dicke, in Pappe gebundene Kladde.
Die digitale Rasterfahndung ist hier noch nicht richtig angekommen, so scheint es. Zentralafrika erhält erst allmählich Breitband- und Festnetzverbindungen, die kreative Nutzung des Mobilfunks dominiert die afrikanische Moderne.
EINE HOCHZEIT NACH AFRIKANISCHER ZEITRECHNUNG
So auch bei der Hochzeit von Glawdys und Olivier. Der große Tag begann für die beiden gegen acht Uhr afrikanischer Zeit. Die afrikanische Zeit unterscheidet sich von der mitteleuropäischen durch eine gehörige Portion Gelassenheit. Nach der Übergabe der Braut durch ihre Familie - man hat das Auto etwas abseits stehen gelassen und ist in einem kleinen Umzug zum Haus von Oliviers Familie spaziert - ist die kirchliche Trauung um 14:00 Uhr in einer kleinen evangelischen Kirche im Stadtteil Akwa angesetzt. Lediglich der Gospel-Chor setzt pünktlich mit seinen Gesängen ein. Einige haben sich schon fast in Trance gesungen, als die ersten Hochzeitsteilnehmer eintrudeln.
Gegen 15:00 Uhr tauchen die ersten geladenen Gäste auf, der Pastor kommt mit seinem Team pünktlich gegen 15:30 Uhr. Alle Gäste, ob arm oder reich, sind sehr schön gekleidet und nehmen würdevoll ihre Plätze ein. Die meisten Frauen tragen Hüte, die jungen Mädchen Schleifen im Haar. Die Brautjungfern strahlen in goldfarbenen Roben. Reichlich Goldschmuck ziert die Handgelenke und das Dekolleté der Damen. Das Brautpaar fährt mit einem für die Hochzeit gemieteten Mercedes-Geländewagen vor, bleibt aber erst einmal noch 30 Minuten im Wagen sitzen.
Dann geht es Schlag auf Schlag. Nach der üblichen Zeremonie, wie wir sie aus Deutschland kennen, fragt einer der überaus witzigen Geistlichen, welche Kosenamen sich Glawdys und Olivier gegeben haben. Er nennt sie "Pinkyminky", sie ihn "Leo". Spätestens jetzt herrscht im gesamten Trauungspublikum eine ausgelassene Heiterkeit. Einer der Pastoren befiehlt Glawdys: "Sag zu ihm 'I love you'!" Als sie Olivier den Ehering überstreift, bricht sie erwartungsgemäß in Tränen der Ergriffenheit aus. Den Berichterstatter aus Europa hat ein Staubkorn im Auge erwischt, deshalb hat auch er ein feuchtes Auge.
PINKYMINKY & LEO
Das Hochzeitsbankett findet im Norden Dualas statt. Wir haben ein bisschen dazugelernt und sind statt (wie auf der Einladung vermerkt) um 19:30 Uhr erst um 21:30 Uhr vor Ort. Die Brautjungfern weisen uns unsere Plätze zu. Wir gehören zu den Allerersten. Gegen 23:00 Uhr erscheint endlich das Brautpaar und wird begeistert gefeiert.
Wie der Trauzeuge dem Conferencier des Abends berichtet, hat Glawdys ihren Olivier (Foto r.) in dem Fotolabor im Stadtteil Bonapriso kennengelernt, in dem er arbeitet. Sie wollte Fotos abholen und nahm an, er sei schon vergeben, weil er "so gut aussah". Olivier hat seinen besten Freund angerufen und ihn gebeten sofort vorbeizukommen, weil er ein Mädchen gesehen habe, das ihm sehr gefalle. Der Freund bestätigte Oliviers Eindruck. Olivier wollte die neue Verbindung aber erst einmal "testen". Deshalb heirateten sie erst sieben Jahre später und in Anwesenheit der süßen, dreijährigen Tochter Inaya. Auch in Afrika ist nichts mehr so, wie es einmal war.
Als gegen 01:00 morgens der Hochzeitskuchen angeschnitten wird, nähert sich die Stimmung dem Höhepunkt. Zahllose Fotos und privat gedrehte Videos befinden sich jetzt auf den Smartphones der Partygäste. Besonders oft mitgefilmt wird der Auftritt einer Tänzerin, die während ihres Auftritts noch besser mit den Hüften wackeln kann als die anderen, darin ohnehin von Natur aus begabten Kamerunerinnen.
Spätestens jetzt würden in Europa die Server von Facebook und Youtube mit selbst gedrehten Videos geflutet. In Afrika werden soziale Netzwerke noch nicht so häufig genutzt, denn die Mobilfunknetze sind dafür zu langsam. Außerdem funktionieren hier die sozialen Netze im realen Leben noch viel besser als die virtuellen. Im Ballsaal redet jeder mit jedem, tanzt jede mit jedem, sofern es der soziale Status zulässt. Je würdevoller und wichtiger die Gäste, desto zurückhaltender und unkommunikativer sind sie. Erst im Laufe des Abends wird mir bewusst, dass ich unter den rund 200 geladenen Gästen das einzige Bleichgesicht bin.
Obwohl Kamerun mittlerweile Anschluss an die Datenautobahn gefunden hat, sind Festnetz-Telefonanschlüsse und DSL-Verbindungen kaum verbreitet. Nur rund 500.000 Firmen und Bürger haben laut Kommunikationsministerium ein Festnetz-Telefon und damit die Voraussetzung, Highspeed-Anschlüsse nutzen zu können. Denn die Preise für (relativ) schnelle Internet-Anschlüsse sind noch immer sehr hoch. Das Angebot von MTN:
1.000 Franc CFA = 1,53 Euro
ANWENDUNGEN MACHEN MOBILFUNK ATTRAKTIV
Der Mobilfunk bietet in Kamerun so viele Vorteile, dass auch Gutverdiener aus der Mittelschicht nur selten auf DSL umsteigen. Die meisten Kameruner benutzen Prepaid-Mobilfunkkarten, die an jeder Ecke bei fliegenden Händlern zu haben sind. Meist kauft man ein Guthaben von 5.000 Frank CFA (rund 7,60 Euro). Es ist ein halbes Jahr gültig. Zehn Minuten Telefonieren und zehn SMS kosten bei Orange 500 FCFA, etwa 0,76 Euro.
Der GSM-Mobilfunk ist damit preiswert - und es funktioniert, dank unzähliger Richtfunkmasten, die über Douala verteilt sind. Fast überall hat man volle Netzleistung - auch weil sich nicht viele Menschen Gedanken über die Mobilfunk-Strahlung machen. Meist sind nur für europäische Verhältnisse relativ langsame Verbindungen nach dem 3G-Standard möglich, UMTS und LTE, die schnelleren Mobilfunknetze, sind erst in Vorbereitung.
Es sind deshalb vor allem die auf afrikanische Bedürfnisse zugeschnittenen Anwendungen, die Handys in Kamerun und überall in Schwarzafrika attraktiv machen. Marktführer beim Mobilfunk in Kamerun ist das südafrikanische Unternehmen MTN, das im Jahr 2000 eine Lizenz erhielt. Ende September 2013 hatte MTN Cameroon nach eigenen Angaben 8,5 Millionen Nutzer und damit einen Marktanteil von 58,1%. Mehr als eine Million dieser Handy-Nutzer beteiligen sich am mobilen Geldverkehr, nutzen das Mobiltelefon also auch für Zahlungen und Überweisungen.
MTN hat 722 Beschäftigte, darunter nur vier, die nicht aus Kamerun stammen. Die Firma nimmt für sich in Anspruch, mit 16 Service-Zentren in den wichtigsten Städten Kameruns, einem Netzwerk von 100 "strategischen Händlern" und mehr als 200.000 Verkaufspunkten rund 84 Prozent der Bevölkerung zu erreichen.
Neben MTN ist das französische Unternehmen Orange stark am Markt. Das staatliche Unternehmen Camtel verfügt über veraltete Technologien und schreibt rote Zahlen. Es soll bereits seit 1999 privatisiert werden. Auch eine israelische Firma ist unter den Mobilfunk- und Internet-Providern. YooMee Cameroon, überall auf Werbeplakaten präsent, ist eine Tochterfirma der YooMee Africa AG, einem Breitband-Anbieter mit Sitz in Zürich, der mit Microsoft kooperiert und die "digitale Kluft" in Subsahara-Afrika beseitigen will. Neuester Anbieter ist das vietnamesische Unternehmen Viettel, das 63 Millionen Nutzer weltweit aufweisen kann.
GELD ZAPFEN AN DER TANKSTELLE
Dominic, Systemadministrator bei einem großen Unternehmen in Douala, ist bei Orange und zahlt mit dem Handy seine Fernsehgebühren. Ein Auto besitzt er nicht, er geht zur Tankstelle um Geld abzuholen, das ihm ein Freund per Handy überwiesen hat. Auch Kredite kann man über das Mobiltelefon in Anspruch nehmen oder die Studiengebühren an die Uni überweisen. Für das Online-Banking per Mobilfunk setzt man eine eigene SIM-Karte in das Telefon ein. Maximal sind Zahlungen von 500.000 FCFA möglich - rund 760 Euro. Per SMS können sich Kameruns Bürger aber auch in das laufende Programm von TV-Talkshow einklinken und ihre Meinung zum Thema kundtun.
Die Bedeutung, die der Mobilfunk in Kamerun spielt, spiegelt sich in den Werbeschaltungen der Fernsehsender wieder. Mobilfunk-Anwendungen und mobile Geldtransfers dominieren die Werbeblöcke, vergleichbar mit der in deutschen Sendern allgegenwärtigen Werbung der Autoindustrie. In Ländern wie Südafrika oder Kenia ist die Verbreitung intelligenter Mobilfunk-Anwendungen noch höher.
ICT4D
So werden beispielsweise logistische Probleme wie die Unterversorgung von ländlichen Krankenstationen mit Medikamenten per Mobiltelefon gelöst. Clevere Kleinunternehmer basteln aus Autobatterien Ladestationen für die leeren Handy-Batterien. Und Nomaden leisten per SMS Übersetzungsdienste für Konzerne wie Amazon oder Nokia, die ihre Software z.B. in der kenianischen Sprache Giriama anbieten wollen. In der Entwicklungspolitik wurden solche intelligenten Dienste mit einer eigenen Abkürzung bedacht: "ICT4D" - Information- and Communication Technologies for Development (Informations- und Kommunikationstechnologien, die der Entwicklung dienen).
> In der nächsten Folge: Festnetz- und DSL-Anschlüsse erst im Kommen +++ Konzerne und ihre "Dienste" - wer Tiefseekabel und internationale Internet-Backbones kontrolliert
Die früheren Folgen:
- (1) DANKE AFRIKA! - Was der "reiche" Westen von den "armen" Afrikanern lernen kann
- (2) Kontrollitis: Privates Glück in einer totalitär überwachten Welt