Aachen. - Mit Blick auf den am Donnerstag stattfindenden EU-Sondergipfel zur Situation der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer hat MISEREOR die deutsche Bevölkerung zu einer positiven Haltung gegenüber der Zuwanderung von Menschen aufgefordert. "Migration sollte als ein völlig normaler Vorgang begriffen werden - Angst davor ist ein schlechter Ratgeber", mahnte Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer des Werks für Entwicklungszusammenarbeit, am Mittwoch in Aachen.
"Wir müssen als Europäer die Politik der Abschreckung und Abschottung beenden und schon in den Herkunftsländern legale und sichere Wege der Migration schaffen." Abgesehen davon, dass Zuwanderer, sofern man ihnen Aufenthalts- und Arbeitsmöglichkeiten eröffnet, in Deutschland in vielerlei Hinsicht auch uns bereichernde Impulse lieferten, zeigten die Fakten, dass durch Migranten zum Beispiel mit Blick auf Afrika erhebliche Beiträge zur Entwicklung - etwa durch Geldüberweisungen in ihre Heimatländer - geleistet werden könnten.
"Die Rücküberweisungen von afrikanischen Migranten in ihre Heimatländer bedeuteten in den letzten Jahren mehr Geld für Afrika als sämtliche Auslandsinvestitionen und Entwicklungshilfeleistungen für diesen Kontinent."
Außerdem würden, da viele nach einigen Jahren zurückkehren, ihre Länder dann von ihren in Deutschland gemachten Erfahrungen profitieren, sagte der MISEREOR -Geschäftsführer. Es seien ja vor allem die jungen und häufig besser ausgebildeten Menschen mit viel Initiativ- und Unternehmenswillen, die sich auf den gefährlichen Weg der Migration machen würden.
Bröckelmann-Simon zeigte sich überzeugt, dass sich ohnehin Flüchtlinge und Migranten weder durch Sicherungsmaßnahmen noch durch die großen Gefahren auf dem Meer davon abhalten lassen würden, den Weg nach Europa zu suchen. "Die durch Krieg und Destabilisierung von Staaten, ein großes Einkommensgefälle und Perspektivlosigkeit ausgelöste Not ist so groß, dass die Fluchtbewegungen weitergehen werden." Dabei gelangten im Übrigen nur vergleichsweise wenige Menschen nach Deutschland, die meisten Flüchtlinge würden in den Nachbarregionen der verschiedenen Krisengebiete aufgenommen und versorgt. Auch sei die innerafrikanische Migration höher als diejenige nach Europa.
Der MISEREOR-Geschäftsführer appellierte an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, nun entschlossen und großzügig zu handeln. So müsse in die Seenothilfe deutlich mehr Geld investiert werden. "Selbst eine Verdopplung der Mittel, die derzeit für die Programme "Triton" und "Poseidon" zur Verfügung stehen, reichen nicht aus, um der Gesamtproblematik ausreichend gerecht zu werden - das Programm "Mare Nostrum" verfügte über dreimal so viele Mittel." Gleichzeitig brauche die EU einen Wandel hin zu einer gerechten Verteilung von Flüchtlingen auf alle 28 Mitgliedsstaaten. "Das derzeitige Handeln der Europäischen Union zeigt, dass Europa vor allem reagiert, wenn es zu großen Katastrophen kommt, aber kein überzeugendes Konzept zur Reduzierung des Gesamtproblems hat." Wer Fluchtursachen wirklich bekämpfen wolle, müsse auch berücksichtigen, dass etwa nach dem Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes ungezügelt Waffen aus Libyen in Länder wie Mali gelangt seien und durch Waffenschmuggel und -handel gewaltsame Konflikte weiter befeuert würden. Auch gerechtere globale Handelsstrukturen und die Einhaltung von Menschenrechten bei der Ausbeutung von Rohstoffen durch internationale Konzerne seien Themen, mit denen sich Europa ernsthafter beschäftigen sollte.
Quelle: misereor.de