Berlin. - Beim Flüchtlingsgipfel am Freitag im Kanzleramt wird über die "Flüchtlingskrise" und deren Finanzierung durch Bund, Länder und Kommunen diskutiert. Während es bei dem informellen Treffen um die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden in Deutschland geht, stehen aus entwicklungspolitischer Sicht die Fluchtursachen im Fokus. Entwicklungsminister Müller fordert eine neue europäische Afrikapolitik. Christine Hackenesch und Julia Leininger vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) erklärten es wäre ein hoher Ansehensverlust für Europa, wenn sich die Antwort auf die Flüchtlingskrise auf mehr Gelder für die Operation Triton beschränkt. Stephan Burger von MISEREOR sagte, dass es angesichts der vergleichsweise geringen Zahl an bisher in Deutschland angekommenen Flüchtlingen keinen Grund für eine restriktive Haltung gegenüber der Aufnahme von weiteren Asylbewerbern und Migranten gebe.
Entwicklungsminister Müller begrüßte, dass die Seenotrettung mit Operation Triton wieder aktiviert wurde und betonte, dass die Bekämpfung von Fluchtursachen und eine Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge wichtig sei. "Die Europäische Union braucht deshalb ein Afrika-Gesamtkonzept. Details müssen wir auf einem Sondergipfel mit der Afrikanischen Union besprechen", so Müller Ende April in einem Interview mit der Welt. Den jungen Menschen in Afrika "müssen wir Perspektiven aufzeigen, damit sie auch in ihren Heimatländern eine Zukunftschance sehen".
"Viel zu lange hat Europa den afrikanischen Kontinent mit ausgebeutet. Wir Europäer haben wertvolle Ressourcen zu Niedrigstpreisen bekommen und den Arbeitskräften Sklavenlöhne gezahlt. Auch auf diese Ausbeutung gründen wir in Europa unseren Wohlstand." Müller fordert ein grundlegenden Wechsel in der Entwicklungspolitik, da Europa, auch aus der Kolonialvergangenheit heraus, eine große Verantwortung für Afrika trage. Afrika müsse zudem als gleichberechtigter Partner behandelt werden.
Mit fairen Preisen für die Rohstoffe aus Afrika könnten "Milliardensummen in die afrikanischen Länder geleitet werden" und damit Schulen, Krankenhäuser und Straßen gebaut werden, erklärte Müller.
Nach Angaben des DIE kann "Entwicklungspolitik Fluchtursachen nicht im Alleingang begegnen. Gerade in der Flüchtlingspolitik müssen Entwicklungs-, Außen-und Innenpolitik sehr eng zusammenarbeiten und sich darüber hinaus als "Sicherheitspolitik für die Menschen" qualifizieren."
Stephan Burger erinnerte, die wahren Lasten trügen nicht die reichen Länder in Europa, sondern arme und vielfach krisengeschüttelte Staaten, etwa rund um Syrien. Global gesehen blieben 90 Prozent aller Flüchtlinge in den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, lediglich 0,4 Prozent der weltweit registrierten Flüchtlinge lebten in Deutschland.
"Wir sind froh und dankbar über das große Engagement vieler Ehrenamtlicher hier in Deutschland, die sich für Flüchtlinge einsetzen und sie begleiten. Gleichzeitig werben wir für ein Umdenken in Teilen der Bevölkerung, die den Eindruck habe, Deutschland sehe sich einer "Flüchtlingsflut" gegenüber. Das ist nicht der Fall. Deutschland darf angesichts seiner guten wirtschaftlichen Situation weiteren Hilfesuchenden die Unterstützung nicht verwehren", so der Freiburger Erzbischof. "Dies ist nicht zuletzt mit Blick auf die deutsche Geschichte ein Gebot der Barmherzigkeit und Menschlichkeit."
Darüber hinaus komme von europäischer Seite zu wenig Unterstützung für die Hauptaufnahmeländer der syrischen Bürgerkriegs-Flüchtlinge. Laut den Vereinten Nationen müssen in Folge der Syrienkrise zusätzliche 5,5 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden, um die Nachbarländer bei der Versorgung von Flüchtlingen zu unterstützen. 2014 seien lediglich 53 Prozent dieses Versorgungsbedarfs finanziell gedeckt worden. "Das führt zu einer Destabilisierung auch dieser Länder und in der Folge zu weiteren Fluchtbewegungen. Wir müssen mit finanziellen Mitteln helfen, die betroffenen Regionen zu stärken und insbesondere für die dortigen Kinder eine Bildungsperspektive schaffen. Sonst werden wir den Teufelskreis aus Armut, Krieg und Vertreibung nicht durchbrechen können", erklärte Burger.
Foto: © UNHCR
Quellen: welt.de | zeit.de | misereor.de