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Berlin. - "Muss nur noch kurz die Welt retten" - ganz wie Tim Bendzko in seinem Song wollen viele junge Leute nach dem Abitur die Welt entdecken - und dabei möglichst auch etwas Sinnvolles tun. Es gibt etliche Möglichkeiten für Schulabsolventen, nach dem Abitur dem Alltag in Deutschland zu entfliehen. Von einem Au-Pair-Aufenthalt in den USA über "Work&Travel" in Neuseeland bis zum Freiwilligendienst in Afrika bietet sich eine große Zahl von Optionen. Im Idealfall kann man diese Orientierungsphase mit dem späteren Beruf verbinden. Die Gießener Schülerin Sophie Müller, die derzeit ihr Schulpraktikum bei epo.de absolviert, hat sich auf die Suche begeben, welche Möglichkeiten sich für Jugendliche im Ausland bieten und nach den Berufswegen geforscht, die in die Entwicklungszusammenarbeit führen.

Viele von uns wollen in der Zeit zwischen Abitur und Beruf etwas Neues entdecken. Wir wollen die Welt erkunden. Wir wollen Babylöwen in Kenia mit der Flasche aufziehen und Kindern in Ghana lesen und schreiben beibringen.

Doch wie wird die oft naive Vorstellung, die Welt ein Stückchen besser machen zu können, zu effektiver Hilfe? Was ist ein Freiwilligendienst und wem wird dabei wirklich geholfen? Und in welche berufliche Richtung sollte man sich orientieren, um später einmal als Entwicklungshelfer arbeiten zu können?

FREIWILLIGENDIENST

In einem internationalen Freiwilligendienst können Jugendliche in ökologischen, sozialen oder kulturellen Projekten im Ausland mitarbeiten und so einmalige Erfahrungen im Ausland sammeln. Dabei geht es vor allem darum, sich eine Auszeit zu nehmen und die Möglichkeit zu bekommen, komplett in eine fremde Kultur einzutauchen und den eigenen kulturellen Horizont zu erweitern. Bei vielen Programmen werden Freiwillige in Gastfamilien oder einfachen Camps untergebracht und helfen tagsüber in sozialen Projekten oder Schulen und Jugendeinrichtungen mit. Beim Freiwilligendienst wird im Gegensatz zum Entwicklungsdienst keine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgesetzt. Es geht vielmehr darum, junge Leute mit viel Motivation für soziales Engagement im Ausland zu finden.

Schon bei kurzer Recherche findet man etliche Möglichkeiten, bei Programmen und Projekten im Ausland mitzuarbeiten. Von Programmen, die nur wenige Wochen dauern, bis hin zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Ausland, bietet das Internet unendlich viele Angebote. Der "Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee e.V." hat eine gute Übersicht über verschiedene Programme, sich im Ausland zu engagieren, zusammengestellt.

Zu unterscheiden ist beim Freiwilligendienst allerdings zwischen Programmen, die oft staatlich gefördert werden und mindestens sechs Monate dauern und sogenanntem "Voluntarismus". Letzteres sind Angebote von kommerziellen Anbietern, die Jugendlichen die Möglichkeit bieten, eine Reise in ein Entwicklungsland, oft nur wenige Wochen lang, mit etwas Engagement in sozialen Einrichtungen im jeweiligen Land zu verbinden. Die Anbieter stellen selten hohe Ansprüche an die Bewerber und oft werden die Interessen der zahlenden Kunden über die Bedürfnisse der jeweiligen Communities gestellt. Auch von privatrechtlich organisierten Freiwilligendiensten gibt es allerdings sehr sinnvolle Programme, von denen sowohl die Freiwilligen, als auch die besuchten Gemeinden profitieren.

Ein positiver Aspekt solcher Kurzprogramme ist der Mehrwert an Erfahrungen, die die Jugendlichen machen können, verglichen mit einer einfachen Urlaubsreise. Außerdem wird das Interesse für Entwicklungsarbeit geweckt und ein Bewusstsein für die soziale Ungerechtigkeit auf der Welt geschaffen. Denjenigen, für die jedoch echtes Engagement und das Wohl der Menschen in den Entwicklungsländern an erster Stelle steht, sind solche Kurzprogramme eher nicht zu empfehlen.

Auf der anderen Seite gibt es Programme, meist von staatlich anerkannten Entsendeorganisationen, die sich durch hohe Herausforderungen an die Bewerber, viel Eigenengagement der Freiwilligen, Vor- und Nachbereitungsseminare sowie eine Dauer von sechs bis 24 Monaten auszeichnen. Beliebt ist hier der entwicklungspolitische Freiwiligendienst "weltwärts", welcher aus staatlichen Mitteln gefördert wird, bei dem Freiwillige in verschiedenen Bereichen der Armutsbekämpfung mitarbeiten können.

Weitere Möglichkeiten über Zeiträume von sechs bis 24 Monaten im Ausland engagiert zu sein, bieten das Diakonische Jahr im Ausland (DjiA) , der Europäische Freiwilligendienst (EFD), das Freiwillige Soziale beziehungsweise Ökologische Jahr im Ausland (FSJ/FÖJ) oder der Internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD). Viele dieser Programme werden von staatlichen Organisationen finanziell gefördert, jedoch muss immer auch ein gewisser Beitrag von den Bewerbern selbst aufgebracht werden.

Wichtig ist, sich ausreichend Zeit bei der Recherche zu lassen und gut zu abzuwägen, was für und gegen die verschiedenen Programme spricht. Neben unzähligen empfehlenswerten Programmen lauern im Internet auch einige unseriöse Anbieter, denen ein möglichst großer Profit wichtiger ist als erfolgreiche Projekte. Vorsicht also bei unverhältnismäßig hohen Kosten und unseriösen Internetauftritten.

Ebenso wichtig ist es, sich umfangreich über die verschiedenen Projektländer zu informieren. Vor der Abreise in ein fremdes Land sollte man sich ausgiebig mit dessen Geschichte sowie gesellschaftlichen und politischen Strukturen auseinander gesetzt haben.

Doch was passiert nach der Entscheidung für ein Programm, der Bewerbung und Vorbereitung? Was hat man als Freiwilliger in einem sozialen Projekt im Ausland zu erwarten?

Nach dem Lesen etlicher Erfahrungsberichte wird schnell klar: Die Welt verändern kann man als unausgebildeter Freiwilliger ohne Fachkenntnisse in einem fremden Land, in dem man die Sprache nur wenig versteht, nicht. Auch wird klar, dass, ganz nüchtern betrachtet, das Engagieren eines Jugendlichen aus Europa, verbunden mit Flug-, Versicherungs- und Verpflegungskosten, wesentlich mehr Geld kostet als die Einstellung einer gelernten Kraft im Entwicklungsland selbst.

Ein anderer sehr wichtiger Aspekt kann jedoch durch einen Freiwilligendienst erreicht werden. Freiwillige lernen ein Land, dessen Kultur und Leute in einer Weise kennen, die jedem Touristen verwehrt bleibt. Die Teilnehmer an solchen Programmen gewinnen einen Überblick über Zusammenhänge in der Welt, verstehen die Probleme anderer Länder und erkennen die Rolle des Westens darin. Sie entwickeln ein Gefühl für soziale Ungerechtigkeit und erkennen die Wichtigkeit von Chancengleichheit. So schreibt zum Beispiel Michelle Keipper, die als Freiwillige in einer Mädchenschule in Kenia arbeitete: "Ich betrachte diese Welt, die europäische, mit völlig anderen Augen!".

Entscheidend bei einem Freiwilligendienst im Ausland ist nicht immer die unmittelbare Hilfe, die man dort leisten kann, da diese oft sehr beschränkt ist. Viel wichtiger sind die unbezahlbaren Erfahrungen, die man selbst dort sammelt und wie sich der eigene Blick auf die Welt und deren Probleme verändert. Claudia Steidle, die in Brasilien in einem Straßenkinderprojekt mithalf, dazu: "Ich denke, ich habe in dieser Zeit für mich wahrscheinlich mehr gelernt als ich anderen beibringen konnte: was wirklich wichtig ist im Leben und wie wenig man eigentlich braucht [...] Die Probleme der Menschen nicht nur zu sehen, sondern auch die Hintergründe und Zusammenhänge, aber leider manchmal auch die Auswegslosigkeit zu erkennen, dies und alles waren Erfahrungen, die noch lange in mir wirken werden." Weitere Erfahrungsberichte, zu "weltwärts", Freiwilligen Sozialem Jahr im Ausland und ähnlichen Freiwilligenformen finden sich hier.

Durch Austausch- und Freiwilligenprogramme wird außerdem das Interesse an politischen Entscheidungen hier in Europa und an einer nachhaltigen Lebensweise verstärkt. Auch lange nach einem Freiwilligeneinsatz sind die Spätfolgen von politischem Engagement sowie eines veränderten und reflektierteren Konsumverhaltens noch zu spüren. So haben beispielsweise mehrere ehemalige Teilnehmer des Freiwilligendienstes "weltwärts", das online Magazin "mitten drin" gegründet, in dem es um Themen wie Entwicklungspolitische Bildungsarbeit, Globales Lernen, Fairer Handel, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit, geht. Denn die Welt verändern kann letztlich nur, wer es schafft, die Politik hier im Westen zu verändern.

Trotz vieler Vorteile wird immer wieder Kritik an der Einseitigkeit vieler Projekte laut. So ist es zum Beispiel oft nicht möglich, für junge, engagierte Menschen aus Entwicklungsländern nach Europa zu kommen, um hier in ähnlichen Projekten mitzuarbeiten. Die ethische Problemstellung, unausgebildete Kräfte aus Deutschland als qualifiziert für die Arbeit in Schulen oder anderen sozialen Einrichtungen in anderen Ländern zu betrachten, aber im Gegenzug keine ähnliche Möglichkeit für Jugendliche aus dem Ausland in Deutschland zu bieten, wird deutlich.

ENTWICKLUNGSDIENST

Sich nach der Schule für einen beruflichen Weg zu entscheiden ist oft wesentlich leichter gesagt als getan. Die Möglichkeiten verschiedenste Berufswege einzuschlagen wachsen stetig und bei Tausenden von Studiengängen fällt die Auswahl oft nicht gerade leicht. Bei der Berufswahl ist es immer wichtig, sich nach den eigenen Interessen und Wünschen zu orientieren. Der Bereich, in dem man später einmal arbeiten möchte, spielt jedoch außerdem eine große Rolle.

Doch in welche Richtung sollte man sich orientieren, wenn man später einmal in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sein möchte?

Ausgebildete Fachkräfte, die für einen begrenzten Zeitraum mit einer der sieben Entwicklungsdienste (GIZ), AGEH, Brot für die WeltCFI, EIRENE, forumZFD, WFD in Entwicklungsländern arbeiten, werden Entwicklungshelfer genannt. Neben diesen annerkannten Entwicklungsdiensten gibt es weitere Organisationen, die Fachpersonal für die Entwicklungshilfe ins Ausland senden.

Die Berufsausbildung "Entwicklungshelfer" oder den perfekten Studiengang für das Arbeitsfeld Entwicklungshilfe gibt es nicht. Die Berufsgruppen in der Entwicklungsarbeit sind genau so vielfältig wie die Aufgaben, die es in den jeweiligen Ländern zu bewältigen gilt. Beim Durchsehen von Jobangeboten im Entwicklungsdienst etwa bei epojobs.de, fallen immer wieder Begriffe wie "Referent/in für Ernährungssicherung" oder "Projektleiter/in Rehabilitation in El Fasher (Sudan)". Doch auch Tätigkeiten im Bereich des Marketings und der  Öffentlichkeitsarbeit, bei der Finanzierung von Projekten, der Personalverwaltung, in Bildungs- oder Austauschprogrammen sowie in der Rechtsberatung werden von verschiedensten Nichtregierungs- oder staatlichen Entwicklungshilfeorganisationen angeboten. Es werden Fachleute im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft, Energiegewinnung, Ernährungssicherung, Katastrophenvorsorge und Experten zur politischen Situation in den jeweiligen Regionen gesucht.

Besonders für Berufsanfänger und Studierende gibt es allerdings etliche Angebote von Organisationen mit staatlicher Unterstützung, um auch ihnen den Einstieg in die Entwicklungszusammenarbeit zu ermöglichen. So bietet beispielsweise das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) jungen Nachwuchsfachkräften mit wenig Berufserfahrung die Chance auf einen Auslandseinsatz als "Young Professionals". Des weiteren gibt es eine Ausbildung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), um Interessierte zu entwicklungspolitischen Fachkräften auszubilden. Ergänzungsstudiengänge werden beim Seminar für ländliche Entwicklung (SLE) und an mehreren anderen Universitäten angeboten. In einer Informationsbroschüre des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) werden die Berufschancen für Hochschulabsolventen in Bereichen der Entwicklungshilfe aufgezeigt. Der "Arbeitskreis Lernen und Helfen Übersee" bietet Informationen und kostenlose Beratung über Karriere-Möglichkeiten in der Entwicklungszusammenarbeit für Menschen jeden Alters und beruflichen Hintergrundes.

Entscheidend, um in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sein zu können, sind neben Fachwissen und Berufserfahrung oft zusätzliche wichtige Fähigkeiten. Unabdingbar sind interkulturelle Kompetenz, also die Offenheit für andere Kulturen, Anpassungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen sowie Flexibilität. Außerdem müssen Entwicklungshelfer gute Kommunikationsfähigkeiten haben, in der Lage sein, sich in anderen Sprachen zu verständigen oder solche zu lernen und sich an schwierige klimatische sowie hygienische Verhältnisse gewöhnen können.

Allgemein lässt sich sagen, dass, wie in vielen anderen Bereichen auch, etliche Wege in die Entwicklungszusammenarbeit führen können. Der naive Gedanke, ohne jegliches Fachwissen oder ohne Berufsausbildung in der internationalen Entwicklungshilfe tätig werden zu können, ist ein Trugschluss. Wie in vielen anderen Branchen auch sind in der Entwicklungszusammenarbeit Menschen mit Fachwissen und einer abgeschlossenen Berufsausbildung mit ausreichender Berufserfahrung gesucht.

Foto: © Brot für die Welt


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