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Berlin. - Grenz- und Polizeibeamte in Italien, Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Rumänien und der Slowakei verstoßen möglicherweise massiv gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention bzw. gegen Artikel 1 der UN-Antifolterkonvention. Das zeigen die vom Behandlungszentrum für Folteropfer (bzfo) gesammelten Berichte von 52 Patientinnen und Patienten. Der im Asylmagazin 6/2015 erschienene Artikel dazu dokumentiert 186 mutmaßliche Verstöße in Form von Gewaltanwendung durch Schläge, Tritte und sogar Elektroschocks.

Hinzu kommen massiver psychischer Druck durch Demütigungen wie wiederholtes, erzwungenes Entkleiden oder die Androhung, dass Eltern von ihren Kindern getrennt würden. "Mit den erhobenen Daten dokumentieren wir, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles gesamteuropäisches Problem handelt. Gewalt scheint als Methode gezielt angewandt zu werden, insbesondere um Fingerabdrücke zu erhalten. Sie bilden die Basis zur Durchführung des Dublin-Verfahrens", sagte Dr. Mechthild Wenk-Ansohn, Leiterin der Ambulanten Abteilungen im bzfo. "Wir kritisieren nicht die Abnahme von Fingerabdrücken, sondern unter welchem Mitteleinsatz dies passiert."
 

RETRAUMATISIERUNG DURCH DUBLIN-VERFAHREN

Die erhobenen Daten aus dem Akutprogramm des bzfo für frisch eingereiste traumatisierte Flüchtlinge - insbesondere aus Syrien - zeigen, dass die Hilfe-suchenden auf der Flucht weitere (re)traumatisierende Erlebnisse verkraften müssen, insbesondere bei Bootshavarien und den dokumentierten Gewaltanwendungen nach ihrer EU-Einreise. Viele sind vom Dublin-Verfahren betroffen. Häufig droht ihnen die Überstellung in einen anderen EU-Mitgliedstaat zur Durchführung des Asylverfahrens. Und sie weisen in der Akutversorgung oft eine erheblich höhere Belastung auf als die ebenfalls behandelten Kontingentflüchtlinge. Gehäuft treten suizidale Krisen auf.

Das bzfo fordert ein Umdenken auf politischer Ebene sowie verstärkte Kontrollen - beispielsweise durch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT). "Wie die Auswertung der klinischen Befunde gezeigt hat, riskieren das Dublin-Verfahren und die Gewaltpraktiken an den EU-Außengrenzen die Verschlimmerung und Chronifizierung belastungsreaktiver psychischer Störungen. Die Rehabilitations- und Integrations-chancen der Betroffenen werden nachhaltig gemindert", resümiertE Dr. Wenk-Ansohn. "Es gilt, die Versorgungsbedingungen für Flüchtlinge, die den postulierten EU-Standards nicht gerecht werden, deutlich zu verbessern und darüber hinaus sichere Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende in EU-Länder zu schaffen."

Quelle: http://www.bzfo.de/


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