Als die Weißen ihre Schuhe ausziehen, freuen sich die Dorfbewohner in Guidandorle. Denn schließlich muss jeder, der an dem neuen Brunnen Wasser holen will, sein Schuhwerk außerhalb der Lebendhecke lassen, die den Bereich um den Dorfbrunnen markiert. Hier, im Nordosten Benins nahe der Provinzhauptstadt Kalal?, gibt es erst seit 20, 25 Jahren Schachtbrunnen. Davor haben die Menschen ihr Wasser aus den Bächen und Flüssen oder aus offenen Schächten geschöpft. Deshalb war es nötig, den Menschen grundlegende Vorstellungen über die Trinkwasserhygiene nahe zu bringen und parallel zum Bau eines Brunnens ein Dorfkomitee gründen zu helfen, das die neue Errungenschaft verwaltet. Denn so ein Bauwerk muss gepflegt, einmal im Jahr gereinigt und instand gehalten werden.
"Über 750 Brunnen hat die Welthungerhilfe in Zusammenarbeit mit dem DED (Deutscher Entwicklungsdienst) in den letzten 20 Jahren in Betrieb genommen", erzählt Thomas Göbeler, der Projektleiter der Deutschen Welthungerhilfe vor Ort. Schon längst verfügen beide Organisationen daher über Standards angepasster Technologie, die garantieren, dass alle benötigten Ersatzteile im Land erhältlich sind und Reparaturen auch wirklich vor Ort durchgeführt werden können.
Seitdem arbeitet die Welthungerhilfe daran, beninische Mitarbeiter in Brunnenbautechnik, Management und Organisation auszubilden. "Wir sehen dass als konsequente Fortsetzung unseres Hilfsprogramms und sind jetzt bereits in der Nachsorgungsphase", fährt Göbeler fort. "Wir wollen garantieren, dass vor Ort lebensfähige Unternehmen und NRO (Nichtregierungsorganisationen) entstehen, die ohne unser Zutun Brunnen planen und bauen, aber die Dörfer auch beim Betrieb unterstützen können."
Fachkräfte von einheimischen NRO
Alle benötigten Fachkräfte werden jetzt von beninischen NRO gestellt und bezahlt. Die Welthungerhilfe entrichtet nur noch Pauschalen an diese Organisationen. "Natürlich wäre ich gerne direkt bei der Welthungerhilfe angestellt weil die mehr bezahlt", meint Chabi Siki Borgui, der die Supervision der Animateure übernommen hat, die regelmäßig in Dörfern wie Guidandorle arbeiten. Auch Alexis Gandigbe, dessen Stelle als Hydrogeologe zum Ende des Projektes im Dezember 2002 ausläuft, wäre gerne weiter hier beschäftigt. Doch ab dem 1. Januar 2003 wird er ausschließlich auf die Aufträge angewiesen sein, die sein Chef von 'Geo-Services' akquirieren kann. Die Umstellung fällt ihm schwer. Als Angestellter hat er noch nicht daran gedacht, selber Aufträge für die kleine Firma zu beschaffen.
"Das Unternehmertum hat keine Wurzeln in der stark hierarchisch organisierten Gesellschaft Benins", gibt Thomas Göbeler zu bedenken. "Dennoch ist es uns gelungen, an vier von neun Projektstandorten Unternehmen zu formen, deren Chancen am Markt viel versprechend sind." Diese Phase des Projekts begann 1997 nach einer umfangreichen externen Evaluierung. Die Brunnen, die die Welthungerhilfe jetzt noch ausheben lässt, werden schon von diesen vier Unternehmen gebaut. Göbelers Auftrag beschränkt sich auf die Beratung der Unternehmer und die Feststellung von weiterem Ausbildungsbedarf für die frisch gebackenen Chefs. Schon seit 1999 werden ihnen Fortbildungsmaßnahmen ermöglicht, die neben Projektleitung, PC-Kenntnissen auch Buchführung, Unternehmensmanagement, Marketing, Bau- und Maschinentechnik sowie Materialverwaltung umfassten.
Demo Chabi, einer der vier Jungunternehmer ist zufrieden. Er ist seit 2000 selbstständig und hat schon erste Aufträge außerhalb des Projekts der Welthungerhilfe akquiriert. Er klagt zwar über die umständlichen und aufwändigen Ausschreibungsformalitäten. Aber seine Zukunftsperspektiven beurteilt er zuversichtlich. "Es gibt eine ganze Reihe von Hilfsorganisationen, die in Benin weiterhin Brunnen bauen werden. Zudem wächst unsere Bevölkerung und ihr Bedarf nach sauberem Trinkwasser", fasst er seine Marktanalyse zusammen. "Auch wohlhabende Einzelpersonen wollen Brunnen besitzen und Institutionen wie Krankenhäuser." Dass es in absehbarer Zeit allerdings Dörfer geben könnte, deren Bewohner sich zusammen tun, um gemeinsam einen Brunnen zu finanzieren, glaubt er nicht. Vier Arbeiter beschäftigt er derzeit, die ihrerseits vor Ort Bautrupps von bis zu sechs Mann rekrutieren.
Es wird nichts verschenkt
"Als Selbstständiger kann man mehr Geld machen - vielleicht verdien ich in ein paar Jahren ja schon 10 Millionen CFA in Jahr (knapp 15.250 Euro)", meint Demo Chabi augenzwinkernd. "Aber die Unsicherheit ist auch größer als vorher". Am meisten Angst hat er, dass seine Maschinen kaputt gehen. Denn die hat er dem Projekt zum Zeitwert abgekauft. Und obwohl ihm die Welthungerhilfe eine Ratenzahlung gewährt hat, wird nichts verschenkt. Auf diese Weise fließen etwa ca. 102.250 Euro in die Kassen von DED und Welthungerhilfe. Jetzt sind alle vier Betriebe so ausgerüstet, dass sie bei hundertprozentiger Auslastung 200 Meter Schacht im Jahr bauen können - je nach Tiefe also 10 bis 20 komplette Brunnen bei einem Jahresumsatz von 30 Millionen CFA (ca. 45.800 Euro).
Aber nicht nur die jungen Unternehmen profitieren von der neuen Situation. Hilfsorganisationen, die weiterhin Benin Brunnen bauen lassen wollen, können in Zukunft wesentlich besser planen, weil sie nur noch die erbrachte Leistung mit 150.000 Franc-CFA (455 DM / 230 Euro) pro Meter fertig gestellten Brunnen vergüten müssen. Göbeler glaubt, dass der Wert eines Brunnens für die Menschen vor Ort in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen sein dürfte: "Viele junge Frauen sind nicht mehr bereit, Männer aus Dörfer zu heiraten, in denen es keine Brunnen gibt weil sie die langen Wege scheuen." So schlagen sich die Investitionen langfristig in der Sozial- und Siedlungsstruktur nieder, was den Bau weiterer Brunnen beschleunigen dürfte.
Uwe Kerkow
Fotos: Uwe Kerkow