kritische aktionaere 300Berlin. - Anlässlich der Hauptversammlung der Siemens AG am Dienstag in München hat ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein sofortiges Umsteuern des Konzerns in Menschenrechts- und Umweltfragen gefordert. Die NGOs werfen Siemens vor allem die Beteiligung an Zuliefer-Unternehmen für Großstaudämme und die Abnahme von Rohstoffen aus menschenrechtlich zweifelhafter Produktion vor.

Im Zentrum der Kritik stehe eine Siemens-Beteiligung am Wasserkrafttturbinen-Hersteller Voith Hydro, teilte der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre mit. Siemens verstoße nach Auffassung der NGOs, darunter auch Pro Regenwald und Gegenströmung, durch seine Beteiligung gegen die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Empfehlungen der Weltstaudammkommission und vor allem gegen die eigenen Corporate Governance-Richtlinien.

"Voith Hydro liefert unseren Recherchen zufolge an solch katastrophale Projekte wie Belo Monte, Jirau, Santo Antonio und Teles Pires (alle Brasilien), Cambambe II (Angola), einer Pressemeldung zufolge künftig auch an Gilgel Gibe III (Äthiopien) oder etwa an den Xiluodo-Staudamm in China", erklärte Caroline Kim von der Initiative GegenStrömung. "Allein beim Xiluodo-Damm geht es um die Zwangsumsiedlung von bis zu 180.000 Menschen."

Brisant sei auch das Projekt "Agua Zarca" in Honduras, aus dem sich der Weltbank-Ableger CAMIF und der chinesische Staudammbauer SINOHYDRO nach der Ermordung eines indigenen Gemeindeführers und den erbitterten Protesten der lokalen Bevölkerung 2013 zurückgezogen hätten. "Dort kursiert seit Oktober 2015 eine Todesliste lokaler Auftragskiller mit den Namen von über 20 Staudammgegner/innen", berichtete Andrea Lammers, Honduras-Referentin des Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit in München.

Die Praktiken der Betreibergesellschaft Desarrollos Energéticos S.A. (DESA), des honduranischen Partners von Voith Hydro, seien mittlerweile auch bei europäischen Botschaften in Honduras und im deutschen Außenministerium aktenkundig geworden, berichteten die NGOs. Am 2. Dezember 2015 sei ein Menschenrechtsbeobachter aus Spanien vom Sicherheitschef der DESA fotografiert und wenig später von zwei Männern mit dem Tod bedroht worden: "Sie guckten auf ihr Handy, sprachen mich als Spanier an und sagten, wenn ich jetzt nicht das Land verließe, dann müsse ich für immer bleiben. Dabei zeigten sie mir eine Waffe", so der Bericht des Menschenrechtsbeobachters Luis Diaz de Teran.

Zudem beziehe Siemens Rohstoffe z.B. von der Firma Lynas, einem Aufbereiter Seltener Erden von dessen Werk in Malaysia, das die Gesundheit der Anwohner/innen gefährde, oder verarbeite Wolfram aus zwielichtigen kolumbianischen Minen, erklärten die NGOs. "Es ist der Unwillen von Siemens, sich endlich der Verantwortung für die Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu stellen", kritisierte Christian Russau von den Kritischen Aktionären. "Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette darf nicht an einem falsch verstandenen Kosten-Nutzen-Verhältnis scheitern."

Nicht weniger skandalös sei die Siemens-Lieferung eines Förderbandsystems an Glencores Kupfermine Tintaya Antapaccay in Peru. Im Rahmen einer staatlichen Untersuchung entnommene Blut- und Urinproben der Anwohner der Minen hätten erhöhte Schwermetallkonzentrationen von Blei und Quecksilber enthalten. "Siemens interessiert dergleichen wohl erst, wenn die Aufträge aus den angrenzenden Krankenhäuser zum Erwerb von Computertomographen bei Siemens Healthcare eingehen", so Russau.

Zudem beteilige sich Siemens als Ausrüster und mit neuen technologischen Lösungen an der Ausbeutung der kanadischen Ölsande. So solle das Bitumen aus den Teersanden per kupferdrahtinduziertem Magnetfeld herausgeschmolzen werden. Siemens nenne diese Lösung besonders "nachhaltig". "Doch die Ausbeutung der Teersande und deren spätere energetische Nutzung sind besonders klimaschädlich", sagte Martin Glöckle von Pro Regenwald aus München. "In Zeiten des Klimawandels sind Geschäfte, die auf der extrem klimaschädlichen Ausbeutung fossiler Rohstoffe beruhen, unzeitgemäß und nicht zu verantworten", mahnte Glöckle.

Quelle: www.kritischeaktionaere.de 


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