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Wer einmal in einem afrikanischen Land die Unmenge von Verkaufsständen mit Altkleidern, gebrauchtem Schuhwerk und wiederverwerteten Kurzwaren gesehen hat, fragt sich unwillkürlich, wo die Sachen alle herkommen. Auch die Frage, welche Auswirkungen ihr Verkauf in der "Dritten Welt" wohl auf die Wirtschaft in den Entwicklungsländern hat, drängt sich auf. Neuen Schwung in die Diskussion um das Sammeln von Altkleidern in Europa und den anschließenden Verkauf vor allem in Afrika hat die Studie "Gebrauchtkleider: Export, Sozialverträglichkeit und gesellschaftliche Akzeptanz" der Schweizerischen Akademie für Entwicklung (SAD) gebracht. Auf diese - von der schweizerischen Arbeitsgemeinschaft TEXAID in Auftrag gegebenen - Studie beruft sich neben TEXAID selbst auch der deutsche Fachverband Textil-Recycling.

Unter anderem behaupten die Verbände in einer Veröffentlichung, daß in den Beispielländern Ghana und Tunesien sich der "Gebrauchtkleidersektor zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor entwickelt hat, der über 100.000 Menschen in den untersuchten Ländern eine Existenz sichert". Angeblich genießen Altkleider zudem eine hohe Akzeptanz in Afrika und ein Importverbot hätte "für weite Bevölkerungskreise schwerwiegende Folgen". Auch der Hinweis auf die gescheiterte ghanaische Import-Substitutionspolitik bei der Herstellung von Textilien in den 50er und 60er Jahren dient den Interessenverbänden als Argument für ihre Behauptungen.

Zieht man hingegen die von der SAD angefertigte Studie zurate, stellt man schnell fest, daß die Akademie die Verhältnisse weit differenzierter beschreibt, als die Verbände dies tun. In der Studie werden auch eine ganze Reihe negativer Aspekte des Handels mit Altkleidern zumindest erwähnt. So stellte die SAD unter anderem fest, daß knapp die Hälfte der fast 3000 Befragten - sowohl in Ghana als auch in Tunesien - Altkleider unhygienisch finden. Zudem werden die Preise von 45 Prozent der Befragten als zu hoch empfunden und der Import von Unterwäsche rundweg abgelehnt.

Ebenfalls nicht von den TEXAID und dem Fachverband Textilreycling erwähnt wird die Tatsache, daß außer dem Fachverband der Schneider und Näher in Ghana auch die dortige Handelskammer sich eindeutig ablehnend zum Import von Altkleidern äußern.

Diese Aufzählung von Schönungen und Unterschlagungen der Ergebnisse von SAD durch die Altkleider-Interessenverbände ließe sich beliebig fortsetzen. Hier soll ein einziges weiteres Beispiel genügen. Die SAD-Studie vermerkt, daß 1993 zum Beispiel 43.500 Tonnen Altkleider nach Tunesien importiert wurden, während die offizielle Quote bei 12.000 Tonnen lag. Eine Entwicklung, die übrigens durch ein Strukturanpassungsprogramm ausgelöst wurde, das Tunesien seit 1991 durchlief. Die dortige Organisation der Textilhersteller FENATEX spricht von "an Anarchie grenzenden Zuständen bei den Importen von Gebrauchtwaren".

Daß auch die Darstellung in der SAD-Studie nicht fair und neutral ist, tut nicht viel zur Sache. Im oben geschilderten Zusammenhang wird zum Beispiel davon gesprochen, daß die FENATEX die Straßenhändler "besiegt" habe und nun die Verkäufer von Gebrauchtwaren "ins Visier nehme". Daß aber die Fachleute der Schweizer Akademie für Entwicklung unter Berufung auf die Vereinigung der ghanaischen Alttextilhändler von 100.000 bis 150.000 Arbeitsplätzen im Altkleidergeschäft allein in Ghana sprechen, das läßt auch den für neue Gedanken aufgeschlossenen Leser nachdenklich werden. Mit dieser Frage hätte man sich durchaus auch an die Handelskammer oder den ghanaischen Gewerkschaftsverband wenden können.

"Tatsache ist, daß die Herstellung von neuen Kleidern im Vergleich zur Wiederaufarbeitung und Verteilung von gebrauchten Stücken ein Vielfaches an Arbeitsplätzen bietet", stellt Friedel Hütz-Adams vom SÜDWIND e.V. aus Siegburg fest. Dies gelte besonders für Ghana, da dort auch Baumwolle angebaut werde, die dann vor Ort weiterverarbeitet werden könne. Eine im Auftrage der Weltbank in Simbabwe durchgeführte Studie habe gezeigt, daß hier neben den 22.000 offiziell in der Textilindustrie Beschäftigten zusätzlich etwa 350.000 Menschen im informellen Sektor mit der Herstellung, dem Verkauf und der Reparatur von Textilien ihr tägliches Brot verdienen. "In dieser Studie wird der Import von Altkleidern - die im Norden ja zum Nulltarif gesammelt werden - als 'unfaire Konkurrenz' bezeichnet", faßt Hütz-Adams die Ergebnisse zusammen.

Zu kurz kommt in der SAD-Studie nach Ansicht von Hütz-Adams sowohl die Darstellung der undurchsichtigen Strukturen auf dem Markt als auch die Tatsache, daß die meisten Altkleider überhaupt nicht an Bedürftige gehen, sondern in Second-Hand-Boutiquen verkauft werden. Kaum jemand weiß, daß die Spenden in der Regel an vergleichsweise zahlungskräftige Kundschaft verkauft werden und daß die &Aumlrmsten in der Regel leer ausgehen.

"Viele der kleinen Firmen, die sammeln, sind überhaupt nicht greifbar", hält Hütz-Adams fest. Sie liehen sich die Namen großer karitativer Organisationen zum Sammeln, und die Spender glaubten in der Regel, etwas für die Not- und Katastrophenhilfe zu tun. "Wenn klar würde, daß der Großteil gerade der sehr guten Ware nie in die Hände von Bedürftigen gelangt", vermutet er, "ließen sich Altkleiderspenden an die wirklich Bedürftigen weiterleiten". Gleichzeitig müßten die Händler in Deutschland für gut erhaltene Ware zahlen, womit der eklatante Preisvorteil gegenüber neuer Kleidung wegfiele. Damit erhielten auch die afrikanischen Textilhersteller wieder eine faire Chance.


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