Berlin. - Die breite Mehrheit der Bevölkerung möchte, dass Deutschland den internationalen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen unterzeichnet. Dieser wird am 20. September von UN-Generalsekretär António Guterres feierlich zur Unterschrift freigegeben. 71 Prozent der Bundesbürger sind der Meinung, dass die künftige Bundesregierung dem Abkommen beitreten sollte. Nur 14 Prozent sind dagegen, 15 Prozent haben keine Meinung. Das ergab eine YouGov-Umfrage im Auftrag der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN).
Befragt wurden mehr als 2.000 Personen, die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung über 18 Jahren.
Ab dem Mittwoch kommender Woche liegt der Verbotsvertrag bei den Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung aus. Er tritt in Kraft, nachdem 50 Staaten unterzeichnet und ratifiziert haben. Beschlossen wurde der Vertrag im Juli von 122 Staaten. "Die noch amtierende Bundesregierung hat im Bündnis mit den Atomwaffenstaaten die Verhandlungen boykottiert", kritisierte ICAN. "Die Regierung stellt sich mit ihrer Blockadehaltung gegen die Wähler."
Unter den Anhängern aller Parteien fordert die Mehrheit eine Unterzeichnung des Atomwaffenverbots: Von den Unions-Wählern der vergangenen Bundestagswahl sind 76 Prozent für den Beitritt, von den SPD-Wählern sogar 83 Prozent. Bei den Linken sind es 79, bei den Grünen 85 Prozent. Auch bei Liberalen und AfD-Anhängern ist die Zustimmung tendenziell sehr hoch. Lediglich unter den Nichtwählern gibt es deutlich weniger Unterstützer (57%).
Sascha Hach von ICAN Deutschland kommentiert die Umfrage-Ergebnisse: "Die Bevölkerung verlangt von der Regierung eine klare Haltung gegen Atomwaffen. Die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister ignorieren jedoch diesen common sense im Volk. Mit ihrem Boykott der Verhandlungen hat die Bundesrepublik erstmals in ihrer Geschichte multilaterale Gespräche zur Abrüstung und Rüstungskontrolle verweigert. Damit unterstützte sie ausgerechnet in einer Zeit wachsender Spannungen zwischen den USA und Nordkorea sowie zwischen NATO und Russland jene Kräfte, die auf nukleare Aufrüstung und Eskalation setzen. Die künftige Bundesregierung muss das Ruder dringend umreißen und das Völkerrecht als Gegenkraft zu dieser gefährlichen Spirale der Gewaltandrohung stärken."
Die Stationierung der US-Atomwaffen in Deutschland widerspricht nach Inkrafttreten des Vertrages geltendem Völkerrecht, so ICAN. Die Nukleare Teilhabe der Bundesrepublik innerhalb der NATO sowie die nukleare Abschreckungspolitik allgemein seien mit dem Vertrag zum Verbot von Atomwaffen nicht vereinbar. Der von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geforderte Abzug der Atomwaffen aus Deutschland würde günstige Voraussetzungen schaffen, dass die Bundesrepublik dem Vertrag beitreten kann.
Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW, erklärte: "Der Atomwaffenverbotsvertrag erkennt die katastrophalen humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen an, ebenso die Opfer der Atomwaffeneinsätze und -tests. Der Widerspruch jeglichen Kernwaffeneinsatzes zum Humanitären Völkerrecht wird klar benannt und die Vergeudung von Ressourcen für die Herstellung, die Instandhaltung und Modernisierung von Atomwaffen verurteilt. Der Vertrag ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen."
Im Gegensatz zum Atomwaffensperrvertrag begrenzt das neue Abkommen nicht nur die geografische Verbreitung von Atomwaffen. Artikel 1 verbietet generell den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen. Darüber hinaus werden Besitz, Lagerung, Erwerb, Entwicklung, Erprobung und Herstellung sowie der Transfer, die Verfügungsgewalt und Stationierung von Atomwaffen verboten. Auch jegliche Unterstützung zu einer dieser verbotenen Aktivitäten ist untersagt.
Prof. Manfred Mohr, Völkerrechtler und Mitglied der Juristenvereinigung gegen Atomwaffen IALANA, erläuterte die rechtlichen Möglichkeiten: "Der Vertrag ist bewusst offen formuliert und ermöglicht so den späteren Beitritt von Staaten, die derzeit noch Atomwaffen besitzen. Artikel 4 eröffnet zwei Möglichkeiten: den Beitritt, nachdem die Arsenale beseitigt wurden sowie den Beitritt, bevor die nuklearen Sprengköpfe vollständig vernichtet sind, vorausgesetzt ihre Einsatzbereitschaft wird aufgehoben und ein überprüfbarer Zeitplan zur Beseitigung vorgelegt. In letzterem Fall müssen die genauen Bedingungen und Fristen zur vollständigen Abrüstung mit den Vertragsstaaten verhandelt werden. Erstmals beanspruchen die atomwaffenfreien Staaten damit ein völkerrechtlich verankertes Mitspracherecht in der nuklearen Abrüstung."
Quelle: www.ippnw.de