Berlin. - Die Medienlandschaft des Libanon wirkt vielfältig, wird aber von einigen wenigen Eigentümern beherrscht, die eindeutige Interessen vertreten. Fast alle wichtigen Medien in Print, Hörfunk und Fernsehen gehören Eigentümern mit politischen Verbindungen. An einem Großteil der Medienunternehmen ist zudem mindestens ein Mitglied eines mächtigen Familienclans beteiligt. Das geht aus dem Media Ownership Monitor (MOM) Libanon hervor, den Reporter ohne Grenzen (ROG) und das SKeyes Center for Media and Cultural Freedom der Samir Kassir Foundation jetzt veröffentlicht haben.
"Der Libanon ist ein aufschlussreiches Beispiel für die negativen Auswirkungen von Laissez-faire-Politik", erklärte Olaf Steenfadt, Projektleiter des Media Ownership Monitor bei Reporter ohne Grenzen. "Wir sehen hier, dass die Abwesenheit von Gesetzen und ihrer Durchsetzung nicht automatisch zu mehr Freiheit führt. Laissez-faire spielt zudem allzu oft jenen in die Hände, die es sich leisten können, Regeln zu umgehen und so ihre Macht zu festigen."
"Auf dem libanesische Medienmarkt wollen zu viele Akteure mitmischen. Er ist weder unabhängig noch zukunftsfähig", sagte Ayman Mhanna, Geschäftsführer der Samir Kassir Foundation. "Die Medien im Libanon spiegeln zwar zu großen Teilen die politische und konfessionelle Vielfalt des Landes wider. Doch in der Vergangenheit hat die libanesische Regierung es zugelassen, dass auch Regime aus dem gesamten Nahen Osten sich über Investitionen im Mediensektor in innerstaatliche Belange einmischen. Seit der Finanzkrise und dem Arabischen Frühling sind aber viele dieser Investitionen versiegt."
MOM hat die 37 Print-, Hörfunk-, Fernseh- und Online-Medien mit den größten Publikumsanteilen im Libanon untersucht. 29 davon (78,4 Prozent) gehören dem Staat, ehemaligen oder derzeitigen Parlamentsmitgliedern, Regierungsangehörigen, Parlamentskandidaten oder politischen Parteien. Dieser Grad der politischen Verstrickung ist der höchste der bisherigen 17 weltweiten MOM-Projekte. Die 29 Medien mit politischen Verbindungen vereinen die gesamte TV-Zuschauerschaft, 93,5 Prozent der Print-Leserschaft und 79,3 Prozent der Radio-Hörerschaft. Dass zudem vier der zehn untersuchten Nachrichten-Internetseiten politischen Akteuren gehören, erhöhe das Risiko von Politisierung und Polarisierung noch zusätzlich, so ROG.
Es gibt keine Vorkehrungen im libanesischen Recht, die es Mitgliedern von Regierung und Parlament oder ihren Angehörigen verbieten würden, Anteile an Medienunternehmen zu besitzen. Zudem müssen Medienbesitzer ihre politischen Verbindungen nicht offenlegen. So sind im Mediensektor oftmals dieselben Personen Akteur und Aufseher zugleich, was die Gefahr erhöht, dass bei Fehlverhalten niemand zur Verantwortung gezogen wird.
Die Recherchen ergaben zudem, dass die Medienlandschaft im Land sehr stark konzentriert ist, obwohl zumindest für den Rundfunksektor Gesetze existieren, die eine Monopolbildung verhindern sollen. Die vier reichweitenstärksten Fernsehunternehmen, LBCI SAL, Al Jadeed SAL, MTV SAL und Alubnianiya lil Ilam (OTV) vereinen fast acht von zehn Zuschauern auf sich (78,1 Prozent), so ROG. Sie gehören den Familien Khayat, Daher-Saad, Aoun und Gabriel Murr.
Der Print- und der Hörfunk-Sektor sind fast genauso stark konzentriert: Die Unternehmen Al Joumouhouria News Corp SAL, Annahar SAL, Akhbar Beirut SAL und Al Nahda SAL (Addiyar) vereinen laut MOM 77,9 Prozent der Leserschaft auf sich. Ihre größten Anteilseigner sind die Familien Michel Elias Murr, Hariri und Tuéni sowie Ibrahim Al Amine und Charles Ayoub. Im Bereich Radio erreichen die Unternehmen Société Moderne d’Information SAL (VDL 93.3), Liban Libre pour la Production et la Diffusion SAL (RLL), El Mada Gourp SARL (Sawt El Mada) und Société Nouvelle d’Information Audiovisuelle (VDL 100.5) 72 Prozent der Hörerschaft. Die vier Hauptanteilseigner sind die Familie Khazen, die libanesischen Streitkräfte, Elias Bou Saab und die Partei der Phalangisten.
In Kombination mit der tief gespaltenen politischen Landschaft und der Abwesenheit wirksamer Regulierungen stellt dieses Ausmaß an Publikumskonzentration ROG zufolge ein hohes Risiko für die Medienvielfalt im Libanon dar.
Das MOM-Team stieß bei seinen Recherchen auf mindestens zwölf einflussreiche Familien, die den Medienmarkt des Libanon dominieren: Aoun, Daher-Saad, Eddé, Fares, Hariri, Khayat, Khazen, Mikati, Murr, Pharaon, Salam und Tuéni. Ihre starke Präsenz habe zur Folge, dass auf dem gesamten Medienmarkt im Libanon viele Entscheidungen gemäß der familiären und politischen Interessen der Clans getroffen würden. Bei mindestens 16 der 37 untersuchten Medien sei mindestens ein Mitglied dieser Familien Miteigentümer oder Vorstandsmitglied – oder beides. Mehr als ein Drittel gehöre ihnen unmittelbar. Den MOM-Recherchen zufolge sind die Eigentumsverhältnisse der meisten Medien so angelegt, dass die Kontrolle in der Hand einer bestimmten Familie liegt.
Die Rechercheergebnisse sind auf Arabisch und Englisch unter http://lebanon.mom-rsf.org verfügbar.
Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de