Berlin. - Armut, Hunger, Artensterben, Bodenzerstörung, Klimakrise – hunderte Millionen von bäuerlichen ErzeugerInnen sind davon betroffen. Die industrielle Landwirtschaft bedroht die Existenz (klein-)bäuerlicher ErzeugerInnen und gefährdet die natürlichen Lebensgrundlagen hierzulande und im globalen Süden. In einem am Freitag veröffentlichten Positionspapier fordern 56 zivilgesellschaftliche Organisationen die Bundesregierung auf, Agrarökologie zum zentralen Förderkonzept zur Armutsbekämpfung und zur Anpassung an die Klimakrise zu machen und sie als Grundlage für eine Reform der EU-Agrarpolitik zu nutzen.
Zehn Jahre nach dem Erscheinen des Weltagrarberichts setze sich die Erkenntnis durch, dass eine Ertragssteigerung um jeden Preis keine Lösung für Armut, Hunger und Umweltzerstörung ist, so das NGO-Bündnis in seinem Positionspapier. Mit der Agrarökologie gebe es ein wirksames Gegenmodell. Das Konzept basiere auf ökologischen Prinzipien, dem politischen Ansatz der Ernährungssouveränität und dem Recht auf angemessene Nahrung.
"Die Förderung der Agrarökologie zahlt sich dreifach aus: Sie verbessert die Lebenssituation von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, mindert die Folgen der Klimakrise und schützt die natürlichen Lebensgrundlagen", erklärte Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Die Bundesregierung solle bis 2021 300 Millionen Euro zur Förderung der Agrarökologie national und international zur Verfügung stellen, davon 200 Millionen Euro für die "Scaling up Agroecology-Initiative" der FAO und 100 Millionen Euro für ein Förderprogramm "Agrarökologie und Frauen".
Auch die Landwirtschaft in Deutschland und Europa würde davon profitieren. "Agrarökologie kann bäuerliche Landwirtschaft wirtschaftlich stärken und Perspektiven auch für den ländlichem Raum insgesamt verbessern", sagte Reiko Wöllert, Mitglied im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Agrarökologie mit einer verbesserten Wertschöpfung für die Betriebe zu verbinden ist daher wichtig, um Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen und das Höfesterben zu beenden. Die Bundesregierung sollte sich bei der Reform der EU-Agrarpolitik dafür einsetzen, dass die Weichen in diese Richtung gestellt werden. Wirtschaftskreisläufe, Regionalunternehmen und lokale Vermarktungsnetzwerke von Bauern und Bäuerinnen sollten besonders gestärkt werden", so Wöllert.
Das Konzept der Agrarökologie baut auf den Prinzipien des ökologischen Landbaus auf. Dazu zählen der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, der Kreislauf von Boden-Pflanze-Tier und Mensch sowie der Verzicht auf Mineraldünger und Pestizide. "Agrarökologie fördert die Vielfalt unter und über der Erde", erklärte Katrin Wenz, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Biodiversität werde über mehrgliedrige Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte und Mischanbau systematisch ins Anbausystem integriert. "Wer Vielfalt erhalten will, darf also nicht weiter auf die Intensivierung der Landwirtschaft setzen, sondern muss Anbausysteme fördern, die Ressourcen sparen und die Biodiversität schützen."
Auch angesichts der Herausforderungen der weltweiten Klimakatastrophe sei ein Umdenken hin zur Agrarökologie dringend nötig, so die NGOs. Diversifizierte Anbausysteme machten Bauern und Bäuerinnen krisensicherer gegenüber Wetterextremen. "Böden speichern in Dürrezeiten besser Wasser und nehmen bei Starkregen Wasser leichter auf. Pflanzen können tiefer wurzeln. Der Schädlings- und Krankheitsdruck nimmt ab", betonte Jan Urhahn, Landwirtschaftsexperte bei der Entwicklungsorganisation INKOTA. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die positiven Wirkungen der Agrarökologie in den Politikempfehlungen des Arbeitsprogramms der UN-Klimarahmenkonvention für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit besondere Beachtung finden.
"Um der Agrarökologie zum Durchbruch zu verhelfen, muss die Bundesregierung schädliche Programme schnellstmöglich beenden. Daher muss sie aus der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika aussteigen", forderte Urhahn. Die Initiative nütze vor allem den großen Agrarkonzernen und stehe der Agrarökologie diametral entgegen.
Quelle: www.inkota.de