Hamburg (epo). - In der entwicklungspolitischen Diskussion ist mittlerweile unbestritten, dass Frauen und Mädchen in besonderem Maße leiden, wenn der Zugang zu sauberem Wasser in der Nähe und eine sanitäre Entsorgung fehlen. Vier internationale Organisationen haben nun einen Bericht erarbeitet, der mit vielen Beispielen belegt, wie positiv sich Schritte zur Verbesserung der Versorgung und Entsorgung auf die Gesundheit und die Lebenssituation von Frauen und Mädchen auswirken. Der Bericht trägt den Titel "For her it's the big issue - Putting women in the centre of water supply, sanitation and hygiene" und wurde veröffentlicht von UNICEF, Gender and Water Alliance, Norwegian Ministry of Foreign Affairs und Water Supply and Sanitation Collaborative Council.
Im Vorwort der Studie, die auf Englisch erschienen ist, heißt es zusammenfassend zu den vorhandenen Problemen:
"Das Fehlen einer minimalen sanitären Entsorgung und von sauberem Wasser sind akute Probleme für Frauen und Mädchen, die in armen und dicht bevölkerten Slums der Städte sowie in ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer leben. Viele von ihnen müssen auf die Dunkelheit warten, bevor sie ihre 'Geschäfte' erledigen können, und manchmal müssen sie dabei Belästigungen oder sexuelle Übergriffe befürchten oder erleben. In Krisensituationen, in denen die persönliche Sicherheit gefährdet ist, müssen sie schon beim Wasserholen Belästigungen befürchten oder riskieren. In vielen Ländern ist der Schulbesuch von Mädchen geringer und ihr Anteil unter denen, die den Schulbesuch vorzeitig beenden, größer, wenn die Schulen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben und es keine getrennten Toiletten für Jungen und Mädchen gibt. Wenn wir uns nicht auf diese Herausforderungen konzentrieren, wird dies die Aussichten vermindern, eine Reihe der Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen."
Im Bericht wird dargestellt, dass Wasser- und Sanitärprojekte in aller Regel sehr viel besser funktionieren, wenn die Frauen in die Planung und Durchführung der Vorhaben aktiv einbezogen werden. Die Weltbank hat 122 Projekte auf diese Fragestellung untersucht und festgestellt, dass Wasser- und Abwasserprojekte mit einer aktiven Beteiligung der Frauen sechs- bis siebenmal so wirksam sind wie Projekte, bei denen eine solche Beteiligung fehlt.
Das gilt auch für viele andere Wasserprojekte, wird in dem Bericht deutlich. So haben die Vereinten Nationen im Rahmen eines Entwicklungsprogramms den Bau von Brunnen in Malawi unterstützt. In einer ersten Phase waren die Frauen weit gehend von Entscheidungen und Durchführung der Brunnenprojekte ausgeschlossen, obwohl sie für die Wasserversorgung der Familien verantwortlich sind. Das Ergebnis war, dass die Brunnenanlagen nicht gewartet wurden, weil die Männer kein Interesse daran hatten. Erst als sichergestellt wurde, dass die Frauen in den Entscheidungsgremien mindestens 30% der Sitze erhielten und in Unterhalt und Wartung der Anlagen einbezogen wurden, verbesserte sich die Planung und Nutzbarkeit der Brunnen entscheidend.
FRAUEN ERWERBEN AUCH TECHNISCHE FÄHIGKEITEN
Im Bericht heißt es zu den Wasserprojekten im Süden der Welt: "In vielen Projekten haben Frauen eine zentrale Rolle übernommen, um ein reibungsloses Funktionieren der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sicherzustellen. Dazu gehört auch eine aktive Rolle bei Wartungs- und Reparaturarbeiten." Entgegen vorherrschenden Vorurteilen haben Frauen in verschiedenen Projekten die technischen Fertigkeiten erworben, um solche Reparaturen auszuführen. Die aktive Mitwirkung von Frauen an erfolgreichen Wasserprojekten erhöht auch ihren sozialen Status in der Gemeinschaft.
Eine gut funktionierende Wasserversorgung und sanitäre Entsorgung führen zum Rückgang von wasserbedingten Krankheiten und Kindersterblichkeit. Diese positiven Ergebnisse können verstärkt werden durch Hygiene- und Gesundheits-Bildungsprogramme, die ebenfalls dann erfolgreich sind, wenn Frauen aktiv an der Planung und Durchführung beteiligt werden.
Bessere Wasserversorgung und Gesundheitsaufklärung wirken sich besonders positiv auf die Gesundheitssituation schwangerer Frauen und auf die Überlebensaussichten neu geborener Kinder aus. So sinkt die Müttersterblichkeit, wenn schwangere Frauen nicht länger schwere Wasserbehälter über große Entfernungen nach Hause tragen müssen, sondern einen Brunnen oder Wasserhahn in der Nähe haben.
Bei der Geburt vermindert die Verfügbarkeit von ausreichend sauberem Wasser die Infektionsgefahr für Mutter und Kind deutlich. Dies hat sich zum Beispiel in Gebieten in Tansania gezeigt, wo die Versorgung mit sauberem Wasser verbessert wurde.
UNSAUBERES WASSER SENKT BILDUNGSCHANCEN
Untersuchungen in verschiedenen Ländern haben gezeigt, in welch großem Maße das Fehlen von sauberem Wasser und Toiletten in den Schulen die Bildungsmöglichkeiten von Mädchen reduzieren. In Pakistan wurde festgestellt, dass mehr als die Hälfte der Mädchen in der zweiten oder dritten Klasse die Schule verlassen, wenn es keine Toiletten in den Schulgebäuden gibt. Viele Lehrerinnen wechseln die Schule oder geben ihren Beruf auf, wenn in einer Schule akzeptable Toilettenanlagen fehlen.
Der Schulbesuch von Mädchen nimmt auch dadurch ab, dass sie schon in jungen Jahren gemeinsam mit ihren Müttern Wasser von weit entfernten Quellen oder Brunnen holen müssen. Entsprechend positiv sind die Auswirkungen von Programmen zum Bau von sanitären Anlagen in Schulen und zu einer angemessenen Wasserversorgung der Haushalte.
Die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser in der Nähe vermindert die Arbeitslast sowohl der Mädchen als auch der Frauen und ermöglicht es den Frauen, mehr Zeit für den Anbau von Gemüse oder für Beschäftigungen einzusetzen, mit denen sie ein Einkommen erzielen. Es ist berechnet worden, dass Frauen und Mädchen in wirtschaftlich armen Ländern 40 Milliarden Stunden im Jahr aufwenden müssen, um Wasser nach Hause zu tragen.
Im Bericht wird ein Beispiel aus Äthiopien erwähnt, wo Frauen früher bis zu acht Stunden am Tag damit beschäftigt waren, Wasser zu holen. Dank eines Trinkwasserprojekts benötigen sie für diese Tätigkeit inzwischen nur fünf bis zwanzig Minuten. Zur Verminderung der Arbeitsbelastung trägt auch bei, dass bei einer ausreichenden Wasserversorgung und angemessenen sanitären Entsorgung deutlich weniger Familienangehörige erkranken und damit die Belastung durch die Pflege von Kranken abnimmt.
VORSCHLÄGE ZUR VERBESSERUNG DER SITUATION
Im letzten Teil des Berichts wird eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, wie die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung so verbessert werden können, dass Frauen und Mädchen sowie die ganze Gesellschaft davon profitieren. Genannt wird zum Beispiel die Bedeutung von Bewusstseinsbildungsprogrammen, die vermitteln, warum eine Gleichberechtigung der Geschlechter und eine Förderung der Frauenbeteiligung an der Planung, Entscheidungsfindung und Durchführung von Wasser-, Abwasser- und Hygieneprogrammen wichtig sind. Ebenso gelte es, gelungene Projekte bekannter zu machen, damit sie dazu inspirieren, eigene Programme durchzuführen, die Frauen aktiv einbeziehen und so eine erfolgreiche Lösung von Wasser- und Abwasserproblemen ermöglichen.
Wichtig ist dem Bericht zufolge auch, die Schulen mit angemessenen Toilettenanlagen auszustatten. Der Bericht und seine konkreten Vorschläge können dazu beitragen, dass den Bekenntnissen zur Frauenförderung endlich verstärkt konkrete Maßnahmen folgen, um die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung so zu verbessern, dass Frauen und Mädchen davon profitieren.
? Bericht "For her it's the big issue - Putting women in the centre of water supply, sanitation and hygiene" (PDF)
Der Autor, Frank Kürschner-Pelkmann, betreibt die Website www.wasser-und-mehr.de (Red.)