Aachen. - Das katholische Hilfswerk MISEREOR hat die Politik ermahnt, die sich ausweitenden Ernährungskrisen stärker als bisher auf die politische Agenda zu setzen. "Wir beobachten mit tiefer Besorgnis, dass immer mehr Menschen weltweit Hunger leiden", erklärte Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR. "Jeder Zehnte Mensch auf der Erde hat nicht genug zu essen, obwohl ausreichend Nahrungsmittel hergestellt werden und vorhanden sind. Das ist nicht hinnehmbar."
"Die Klimakrise und der richtige Umgang damit haben im Wahlkampf eine zentrale Rolle gespielt. Das ist positiv zu bewerten", sagte Markus Wolter, Experte für Landwirtschaft und Ernährung bei MISEREOR. Bei der Diskussion darüber, mit welchen Maßnahmen den gefährlichen Entwicklungen begegnet werden könne, hätten die Schlüsselbereiche Landwirtschaft und Ernährung aber viel zu wenig Beachtung gefunden. "Es kann nicht sein, dass wir unsere Verantwortung ignorieren – für die Klima-Erhitzung, den Verlust von Artenvielfalt und die Degradation von Böden, die Hunger verursachen."
Um einerseits die Ernährung von bald zehn Milliarden Menschen weltweit zu sichern und gleichzeitig die negativen Folgen der Klimakrise für die Landwirtschaft einzudämmen, brauche es eine schrittweise Umstellung der Ernährungssysteme, so Wolter. 24 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto der Landwirtschaft. Davon sind fast 70 Prozent der Tierhaltung zuzurechnen. "Für die kommende Regierung bedeutet das unter anderem, dass die Tierhaltung an die Fläche gebunden werden muss, um Futtermittelimporte aus Übersee zu vermeiden", forderte der MISEREOR-Landwirtschaftsexperte. Zudem müssten die Gesamtnutztierbestände reduziert und der Konsum tierischer Produkte dementsprechend gesenkt werden.
Die Corona-Pandemie verstärkt die Hungergefahr weiter. Das zeigt das "Jahresheft Welternährung 2021" von MISEREOR, das zum diesjährigen Erntedankfest (3. Oktober) erstmals erscheint: In den Metropolen Asiens etwa hat die Armut vielerorts eine breite Mittelschicht erreicht. In Subsahara-Afrika hat sich als Folge der Corona-Krise die Ernährungs- und Lebenssituation der ländlichen Bevölkerung erheblich verschlechtert. In vielen Ländern Lateinamerikas weitet sich der Landraub dramatisch aus. "Das sind besorgniserregende Rückschritte im Kampf gegen den Hunger weltweit", so Pirmin Spiegel.
1958 als "Werk gegen Hunger und Krankheit in der Welt" gegründet, nimmt MISEREOR das Erntedankfest zum Anlass einer neuen Publikationsreihe, in der aktuelle Herausforderungen bei der Hungerbekämpfung herausgestellt, Vorschläge gemacht und Lösungswege zu mehr Ernährungssouveränität skizziert werden. Der Anlass ist bewusst gewählt, wie Spiegel herausstellt: "Die Fähigkeit der Erde, in Fülle zu geben, wird nach wie vor bis aufs Äußerste ausgereizt, die planetaren Grenzen sind weit überschritten. Das Erntedankfest mahnt uns zu einem anderen Umgang mit den natürlichen Ressourcen."
Quelle: www.misereor.de