Aachen. - Am kommenden Montag beginnen in Genf formale Verhandlungen über das geplante UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte. In einem Rechtsgutachten für MISEREOR und andere europäische Entwicklungswerke bezeichnet der Wirtschaftsvölkerrechtler Prof. Markus Krajewski von der Universität Nürnberg-Erlangen den vorliegenden Entwurf für die anstehenden Verhandlungen als eine "angemessene und hinreichend klare Grundlage". MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel kritisiert die Weigerung der EU, sich an den Verhandlungen zu beteiligen.
"Die EU und die Bundesregierung dürfen sich den Verhandlungen über dieses Abkommen nicht länger entziehen, das den Schutz von Menschenrechten in der globalen Wirtschaft im Völkerrecht wesentlich verbessern würde", sagte Spiegel. "Auch als Friedensnobelpreisträger steht die EU hier in einer bleibenden Verantwortung." Nach dem Vertragsentwurf müssten Staaten die Unternehmen gesetzlich zu Vorbeugemaßnahmen verpflichten, den Rechtsschutz von Betroffenen verbessern und sicherstellen, dass Handelsabkommen den Schutz von Menschenrechten nicht behindern.
Laut Pirmin Spiegel könnte ein UN-Abkommen dazu beitragen, vermeidbare Katastrophen wie den Dammbruch der Eisenerzmine im brasilianischen Brumadinho vom 25. Januar 2019 zu verhindern, bei dem 272 Menschen getötet und die Region mit 13 Millionen Kubikmetern giftigen Klärschlämmen verseucht wurde. "Genau 1.000 Tage sind seit dem Dammbruch vergangen, und noch immer warten die betroffenen Familien auf eine Entschädigung und eine Entschuldigung der beteiligten Unternehmen."
Der brasilianische Bergbaukonzern VALE und das deutsche Prüfunternehmen TÜV Süd waren zuvor über die Stabilitätsrisiken im Bilde. Dennoch stellte die brasilianische Tochter von TÜV Süd die Stabilitätserklärung für den Damm aus und VALE setzte die dortigen Bergbauaktivitäten fort. Gemeinsam mit fünf Hinterbliebenen reichten MISEREOR und ECCHR deshalb Strafanzeige gegen TÜV Süd und einen Mitarbeiter ein. Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Bereits 2014 erteilte der UN-Menschenrechtsrat einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe das Mandat, ein völkerrechtliches Instrument zum Schutz der Menschenrechte in der Wirtschaft zu erarbeiten. Die EU und die Bundesregierung wollen an der Sitzung der Arbeitsgruppe zwar teilnehmen, sich an den Verhandlungen aber explizit nicht beteiligen. "Seit sieben Jahren versucht die EU den Prozess zum Menschenrechtsabkommen auszubremsen. Dabei liegt es gerade im europäischen Interesse, durch internationale Menschenrechtsstandards auch Wettbewerbsnachteile für die europäische Wirtschaft zu vermeiden", erklärte Armin Paasch, Menschenrechtsexperte bei MISEREOR.
Deutsche Unternehmen werden bereits 2023 zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards in der Lieferkette verpflichtet, und auch eine EU-Regelung ist in Vorbereitung. Paasch kritisierte zudem, dass die EU zu keinem Entwurf bisher eine Analyse oder Verbesserungsvorschläge vorgelegt habe, zugleich aber die angeblich mangelnde Qualität des aktuellen Entwurfs beklage. Das neue Rechtsgutachten von Prof. Krajewski entziehe dieser Argumentation jegliche Grundlage. Auch von der Bundesregierung forderte Paasch mehr Engagement ein: "Im Koalitionsvertrag sollte sich die künftige Bundesregierung klar zu dem Abkommen bekennen und in der EU für ein ambitioniertes Verhandlungsmandat eintreten."
Quelle: www.misereor.de