KongoBerlin (epo). - Anlässlich der Bundestags-Beschlusses zum Einsatz von Bundeswehrsoldaten in der Demokratischen Republik Kongo haben nichtstaatliche Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit ein langfristiges Konzept zur Befriedung und Stabilisierung des Krisenstaates gefordert. Auch die Beschränkung der Militärmission auf die Region um die Hauptstadt Kinshasa stiess auf Kritik bei den NGOs. "Brot für die Welt" und Diakonie Katastrophenhilfe appellierten an die deutschen Politiker, das Konzept des geplanten Militäreinsatzes in einer Weise zu gestalten, "die der Sicherheit der Bevölkerung bei den Wahlen wirklich nutzt und sie auch nach Abzug der Truppen gewährleisten hilft".

"Unsere Partner wünschen ausdrücklich ein vielfältiges Engagement der  Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten. Sie begrüßen eine zusätzliche Absicherung der für 30. Juli geplanten Wahlen", erklärte Hannelore Moll, Leiterin der Projektabteilung von "Brot für die Welt".

In einem gemeinsamen Positionspapier äußerten die beiden Hilfswerke die Befürchtung, "dass das Augenmerk zu sehr auf den Militäreinsatz gerichtet ist". Die Debatte um diesen Einsatz müsse um eine Diskussion, "die sich intensiv mit dem politischen Gesamtprozess zur Stabilisierung des Friedens und zum Wiederaufbau befasst", erweitert werden. Es gelte, alle politischen Handlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um Hindernisse bei der friedlichen Entwicklung im Kongo zu beseitigen. Die Wiedereingliederung der Milizen in die Zivilgesellschaft und die Rückkehr von Vertriebenen müssten stärker als bislang unterstützt werden.

Darüber hinaus seien dringend Überlegungen erforderlich, wie die internationale Begleitung der kongolesischen Politik künftig gewährleistet werden kann. Nach der Wahl werde das bisher für die Begleitung des Demokratisierungsprozesses zuständige Gremium CIAT (Le Comit? international d?accompagnement de la transition) seine Arbeit einstellen.

Nach Einschätzung von Malteser International wird sich die Sicherheitslage in der Demokratischen Republik Kongo durch die für Ende Juli geplanten Wahlen insgesamt nicht verschärfen. "Wir rechnen allerhöchstens mit kurzzeitigen und lokal begrenzten Unruhen", erklärt Georg Nothelle, Leiter des Afrika-Referats bei Malteser International.

Sorge bereitet den Maltesern dagegen die Offensive der Regierungsarmee und der UNO-Mission Monuc zur Entwaffnung von Milizen im Osten des Kongo. "Im Moment besteht keine Gefahr für unsere Mitarbeiter. Aber wir sind vorbereitet, sie zu evakuieren, sollte sich die Lage verschärfen", so Nothelle. In den vergangenen Tagen sind bei den Gefechten nach UN-Angaben 80 Menschen getötet worden, unter ihnen auch ein UN-Soldat. Am wichtigsten sei es, neue Entwicklungen früh zu erkennen: "Der größte Schutz, den wir haben, ist unser langjähriger enger Kontakt mit der lokalen Bevölkerung."

MENSCHEN MÜSSEN EINE FRIEDENSDIVIDENDE SEHEN

Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Kongo bleibt nach Ansicht von Caritas international Stückwerk, solange er nicht eingebettet ist in eine kohärente Afrika-Politik der Bundesregierung. "Die Wahlen alleine garantieren keine friedliche Entwicklung. Die Militärinterintervention ist ohne Nutzen, wenn sie nicht Teil eines Gesamtplanes der internationalen Gemeinschaft zur Stabilisierung und Entwicklung des Kongo ist", warntE Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes. Die Intervention der EU zur Absicherung der Wahlen mache nur Sinn, wenn sie bereit sei, sich in größerem Rahmen im Kongo zu engagieren.

Caritas international kritisierte zudem, dass zivile Optionen der Krisenbewältigung zu kurz kommen. So müsse konsequenter gegen die illegale Ausbeutung der Bodenschätze und den Waffenschmuggel vorgegangen werden. "Die Menschen im Kongo müssen nach dem Bürgerkrieg eine Friedensdividende sehen", forderte Martin Salm, Leiter von Caritas international. Die EU gehe mit dem Engagement eine große Verpflichtung ein und riskiere bei einem Scheitern einen Verlust an Einfluss und Image. Ein umfassender Plan zur Schaffung von Sicherheit und zum Wiederaufbau sei darum notwendig. "Was wir brauchen ist ein Marshall-Plan für den Kongo", so Salm.

GFVB FORDERT TRAINING FÜR KONGOLESISCHE SOLDATEN

Die Bundeswehr solle im Kongo ein Menschenrechts-Training für die kongolesische Armee anbieten, forderte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Die meisten Menschenrechtsverletzungen im Kongo werden von Einheiten der regulären Armee verübt", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Wenn der Kongo-Einsatz für die leidende Zivilbevölkerung mehr als nur symbolische Bedeutung haben soll, dann sollten sich die EU-Soldaten nicht nur auf die eventuelle Evakuierung von Ausländern vorbereiten, sondern auch konkret etwas tun, um Menschenrechte zu fördern."

Seit Anfang März 2006 habe sich die reguläre kongolesische Armee (FARDC) mehr zuschulden kommen lassen als alle übrigen Milizen in dem zentralafrikanischen Staat, sagte Delius. Dutzende Zivilisten seien aufgrund der Übergriffe der Armee getötet worden, obwohl diese eigentlich für die Sicherheit der Zivilbevölkerung verantwortlich ist.

So seien zwei Personen an den Folgen unmenschlicher Behandlung gestorben, nachdem sie am 28. März in der Nähe der Stadt Bunia von Soldaten festgenommen worden waren. Soldaten hätten ihnen die Köpfe geschoren und sie dann gezwungen, die in einer Seifenmischung eingelegten Haare zu schlucken. Nur eine Person habe die Folter überlebt, zwei Festgenommene seien erstickt. Mindestens 55 Frauen, Mädchen und Jungen seien in den vergangenen drei Monaten von Soldaten und zum Teil hochrangigen Offizieren vergewaltigt worden.

Die Liste der Verbrechen, die Armee-Angehörige begangen hätten, sei lang, so die GfbV. Gefangene seien erschossen, Geiseln hingerichtet, Zivilisten entführt, gefoltert oder unmenschlich und demütigend behandelt worden. Auch willkürliche Verhaftungen, Drohungen, Einschüchterungen und Plünderungen gingen oft auf das Konto der Armee. Außerdem seien Oppositionspolitiker von Militärs inhaftiert und die Pressefreiheit von Radio- und Zeitungsjournalisten verletzt worden.

"Viele kongolesische Soldaten haben Blut an ihren Händen", erklärte Delius. "Trotzdem wird die Bundeswehr mit ihnen zusammen arbeiten müssen, um einen sicheren Verlauf der Parlamentswahlen zu garantieren. Doch sollte sie zumindest aktiv etwas dafür tun, dass diese schweren Menschenrechtsverletzungen der regulären kongolesischen Armee schnellstmöglich beendet werden."

 Strategiepapier von "Brot für die Welt" und Diakonie Katastrophenhilfe
 Malteser International
 Caritas international
 GfbV


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