Berlin. - Kurz vor der anstehenden UN-Weltklimakonferenz (COP27) im ägyptischen Sharm El Sheikh nimmt eine Analyse der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam die finanziellen Hilfen für Klimaschutz und Anpassung an klimatische Veränderungen, mit denen Industrieländer einkommensschwache Länder unterstützen, unter die Lupe. Demnach könnte nach Oxfam-Berechnungen die tatsächliche Unterstützungsleistung etwa zwei Drittel unter den offiziell berichteten Zahlen der Geberländer liegen.
Die OECD hatte im Juli auf Basis der Angaben der Geberländer berichtet, dass im Jahr 2020 die Industrieländer insgesamt rund 83,3 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder mobilisiert hätten, davon rund 68,3 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern. Nicht nur haben die Geberländer damit ihr zwölf Jahre altes Ziel nicht erreicht, die Klima-Hilfen bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern. In der jetzt vorgelegten Analyse "Climate Finance Short-Changed" schätzt Oxfam den tatsächlichen Wert der Unterstützung der Industrieländer im Jahr 2020 auf lediglich 21 bis 24,5 Milliarden US-Dollar.
Jan Kowalzig, Referent für Klimapolitik bei Oxfam, erklärte: "Schlimm genug, dass die Industrieländer ihr altes Versprechen gebrochen haben. Hinzu kommt, dass eine großzügige Anrechnungspraxis für die Klima-Hilfen auf dem Papier zu beeindruckenden Zahlen führt, die mit der tatsächlichen Unterstützungsleistung nur wenig zu tun haben. Damit zeichnen die Industrieländer, etwa auf den alljährlichen UN-Klimakonferenzen, ein übertrieben rosiges Bild ihrer Unterstützung für die einkommensschwachen Länder, denen es gleichzeitig an allen Ecken und Enden fehlt, um die sich stetig verschlimmernde Klimakrise zu bewältigen."
In der Oxfam- Analyse "Climate Finance Short-Changed" betrachtet Oxfam zwei wesentliche Faktoren, die zur Überbewertung der geleisteten Klima-Hilfen führen: Zum einen werden auch solche Programme großzügig angerechnet, deren Klima-Fokus eher gering ausgeprägt ist. Zum anderen werden zum Beispiel Kredite nach ihrem Nennwert und nicht nach ihrem Mehrwert angerechnet, der sich für ein Empfängerland etwa aus der Zinsvergünstigung eines Entwicklungsdarlehens gegenüber einem Kredit zu marktüblichen Konditionen ergibt. Beides wird in der Oxfam-Analyse abgeschätzt und erlaubt eine Neubewertung des tatsächlichen Wertes der bereitgestellten und spezifisch auf Klimaschutz oder Anpassung ausgerichteten Unterstützung.
Die Analyse kritisiert zudem, dass rund 70 Prozent der bereitgestellten öffentlichen Mittel in Form von Darlehen bei den Empfängerländern ankommen und die einkommensschwachen Länder so für die Programme letztlich also selber aufkommen, wenn sie die Kredite abbezahlen, obwohl sie oft kaum oder gar nicht zur Klimakrise beigetragen haben.
"Das ist ungerecht und widerspricht zudem den Prinzipien der UN-Klimarahmenkonvention", so Jan Kowalzig. "Außerdem treiben Klima-Kredite die Schuldenberge der oft von Armut geplagten Länder weiter in die Höhe - und das, während schlimme Dürren oder Hitzewellen einer galoppierenden Klimakrise die Pflanzen auf den Feldern verdorren lassen oder Überschwemmungen das Land verwüsten."
Für die kommende UN-Klimakonferenz COP27 fordert Oxfam deutlich engagiertere Zusagen der Industrieländer, um das 100-Milliarden-Ziel vor allem durch die Bereitstellung von Zuschüssen mit klarer Ausrichtung auf Klimaschutz oder zur Anpassung an die Veränderungen zu erfüllen. Die Anrechnungspraxis der Gebeländer müsse zudem gründlich überprüft werden.
Jan Kowalzig: "Auch Deutschland steht in der Pflicht. Zum G7-Gipfel 2021 hatte die Bundesregierung verkündet, die Klima-Hilfen bis spätestens 2025 auf jährlich sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Passiert ist seitdem nichts. 2022 und 2023 sollen die Gelder auf dem bisherigen Niveau verharren. Kurz vor der COP27 ist das kein Vertrauen schaffendes Signal an die besonders betroffenen, einkommensschwachen Länder des Globalen Südens."
Quelle: www.oxfam.de