Berlin. - Angesichts der Proteste im Iran gehen die Behörden unvermindert hart gegen Medienschaffende vor. Erst am Wochenende ließen sie innerhalb weniger Stunden drei Journalistinnen festnehmen und ins berüchtigte Foltergefängnis Evin bringen. Damit wurden seit Beginn der Proteste insgesamt 55 Medienschaffende weggesperrt, darunter 16 Frauen.
27 der 55 Journalistinnen und Reporter sitzen noch immer hinter Gittern. Die 28 verbliebenen hat das Regime gegen teils hohe Kaution und unter harten Auflagen freigelassen, sie warten auf ihre Urteile. Reporter ohne Grenzen (RSF) forderte die iranischen Behörden auf, die inhaftierten Medienschaffenden unverzüglich freizulassen und alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen.
"Die vielen Verhaftungen, die schwerwiegenden Anklagen, die Brutalität – Teheran scheint weiter fest entschlossen, alle unabhängigen Informationsflüsse auszutrocknen", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Aber viele Journalistinnen und Reporter sind nicht minder hartnäckig: Trotz der überall spürbaren Bedrohungen machen sie weiter mutig ihre Arbeit. Es ist wichtig, dass die Welt von der Brutalität des iranischen Regimes erfährt."
Die Journalistin Melika Haschemi arbeitet für die Online-Tageszeitung Shahr News Agency. Sie wurde am 21. Januar zu einem Verhör ins Evin-Gefängnis gerufen; anschließend brach jeglicher Kontakt zu ihr ab. Am Morgen des 22. Januar wurde Mehrnousch Zarei festgenommen, die als freiberufliche Journalistin unter anderem für die Nachrichtenagenturen ILNA und ISKA sowie die Wochenzeitung Chelcheragh tätig ist. Sie wurde direkt vor ihrem Haus in Teheran festgenommen, anschließend wurden ihre Privaträume durchsucht und ihre elektronischen Geräte beschlagnahmt. Laut der Nachrichtenagentur HRANA legten die Sicherheitskräfte dabei nicht offen, zu welcher Institution oder Behörde sie gehören, und machten keine Angaben zu den Gründen der Verhaftung. Zarei wurde ins Evin-Gefängnis gebracht.
Wenige Kilometer entfernt nahm das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) am selben Morgen Saide Schafiei, freiberufliche Journalistin für Donyaye Eghtesad, Shargh und Insaf News, fest. Schafieis Ehemann Hassan Homayon twitterte, dass sie ihn am 23. Januar, über 24 Stunden nach ihrer Festnahme, angerufen habe und gesagt habe, dass sie sich im Evin-Gefängnis befinde. Berichten zufolge wurde die Journalistin wegen "Propaganda gegen das System" und "gegen die nationale Sicherheit gerichteter Handlungen" angeklagt.
Seit 1. Januar 2023 haben die Behörden im Iran acht Medienschaffende aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit verhaftet. Vier von ihnen wurden später gegen Kaution freigelassen und warten nun auf ihre Verurteilungen. Diese Entlassungen auf Kaution sind kein Grund zur Freude: In den vergangenen Tagen haben iranische Gerichte über mehrere ähnliche Fälle entschieden und Journalistinnen und Reporter zu langen Haftstrafen verurteilt.
Der Fotograf Ahmad Halabisaz etwa gab am 16. Januar bekannt, dass er zu zwei Jahren Haft in Evin verurteilt worden sei. Er war in den ersten Tagen der Proteste, am 24. September, verhaftet worden und hatte 27 Tage im Gefängnis verbracht. Halabisaz‘ Arbeiten erschienen unter anderem in renommierten Publikationen wie der New York Times, dem Guardian und dem Christian Science Monitor.
Am 17. Januar wurde der Journalist Alireza Choschbat zu fünf Jahren Haft verurteilt. Choschbat war bereits am 22. September verhaftet worden und nach 94 Tagen gegen Kaution freigekommen. Zusätzlich zu den fünf Jahren Haft kommt ein weiteres: aufgrund angeblicher "Propagandaaktivitäten gegen das Regime".
Reporter ohne Grenzen reagierte in Zusammenarbeit mit der Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi mit einem persischsprachigen Helpdesk auf diese Besorgnis erregenden Entwicklungen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung von Journalistinnen und Journalisten und Medien, die durch ihre Berichterstattung über die Ereignisse im Land gefährdet sind, im Bereich der digitalen Sicherheit.
Der Helpdesk stellt unter anderem zügig sichere VPN-Zugänge bereit. Außerdem hilft er Medienunternehmen bei der Umgehung von Zensur, indem geblockte Seiten im Rahmen des RSF-Projekts Collateral Freedom wieder zugänglich gemacht werden. Zudem will RSF iranische Medien innerhalb und außerhalb des Landes in Notfällen finanziell unterstützen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran seit vielen Jahren auf einem der hintersten Plätze, aktuell auf Platz 178 auf 180 Staaten.
Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de