Berlin. - Die Vizepräsidentin Kolumbiens Francia Márquez Mina und Außenminister Álvaro Leyva Durán besuchen ab Freitag die Münchner Sicherheitskonferenz. Deutsche Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke haben im Vorfeld die Bundesregierung ermuntert, Kolumbien deutlich stärker im Kampf gegen Diskriminierung, Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger und die enorme soziale Ungleichheit im Land zu unterstützen.
Nach sechs Monaten im Amt hat die neue kolumbianische Regierung von Präsident Petro und Vizepräsidentin Márquez erste Fortschritte in ihrer ehrgeizigen Friedensagenda erzielt. Gleichzeitig hält jedoch die Gewalt gegen die Zivilgesellschaft an: 2022 wurden 189 Menschenrechtsverteidiger*innen ermordet. Auch im Kampf gegen Diskriminierung und soziale Ungleichheit steht die Regierung noch am Anfang.
"Dass mit Francia Márquez eine Menschen- und Umweltrechtsverteidigerin, Anwältin und Goldman-Preisträgerin zur Vizepräsidentin Kolumbiens gewählt wurde, bietet Kolumbien eine riesige Chance auf mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit", sagte Martin Vehrenberg, stellvertretender Geschäftsführer bei Agiamondo. "Strukturelle Diskriminierung und Gewalt besonders gegen Frauen und Mädchen, indigene, afrokolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinden, LGBTQI* und arme Menschen kennzeichnen seit jeher die bewaffneten Konflikte im Land. Die Bundesregierung sollte in der Zusammenarbeit mit Kolumbien prioritär diese Menschen und auch das neu geschaffene Gleichstellungsministerium von Francia Márquez stärken."
Problemfall Steinkohle
Vor allem beim Abbau von Rohstoffen wie Steinkohle werden immer wieder Menschenrechte in Kolumbien verletzt. Seit Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine ist Kolumbien wieder zu einem wichtigen Steinkohle-Lieferanten für Deutschland geworden: 2022 haben sich die Importe auf mehr als 4,2 Millionen Tonnen gegenüber den Vorjahren verdoppelt. In Kürze will die Bundesregierung eine Klima- und Energiepartnerschaft mit Kolumbien beschließen.
"Deutschland bezieht aktuell über 13 Prozent seiner Steinkohle aus Kolumbien. In den Kohlerevieren werden Menschen- und Umweltrechte weiterhin massiv mit Füßen getreten. Deutsche Energieunternehmen, die kolumbianische Kohle kaufen, haben gegen diese Missstände viel zu wenig getan. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie das im Januar in Kraft getretene Lieferketten-Gesetz nun konsequent auch gegenüber Kohleimporteuren durchsetzt und Verstöße sanktioniert", sagte Bernd Bornhorst, Geschäftsführer von Misereor.
"Als einer der Hauptverursacher der Klimakrise muss sich Deutschland auch in Kolumbien angemessen an der Energiewende und Wiedergutmachung für Klimaschäden beteiligen. Die Klima-Partnerschaft bietet dafür eine Chance. Die Bundesregierung sollte sicherstellen, dass von diesem Bündnis vor allem afrokolumbianische und indigene Gemeinden profitieren, die am stärksten von den sozialen und ökologischen Schäden von Rohstoffausbeutung und Klimakrise betroffen sind", erklärte Pater Martin Maier, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerikahilfswerks Adveniat.
Trotz diverser Schutzmaßnahmen und Friedensgesprächen mit der Guerilla-Gruppe ELN und paramilitärischen Verbänden gelingt es der kolumbianischen Regierung bisher nicht, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung einzudämmen. Für zahlreiche Angriffe verantwortlich sind auch staatliche Sicherheitskräfte. "Deutschland unterhält zwei enge Sicherheitskooperationen mit Polizei und Militär in Kolumbien. Die Bundesregierung trägt damit enorme Verantwortung und muss von der Regierung Petro mit Nachdruck einfordern, beide Institutionen umfassend und entsprechend internationaler Menschenrechtsstandards zu reformieren – auch gegen die großen Widerstände innerhalb der Sicherheitskräfte", betonte Matthias Schreiber, Koordinator bei kolko – Menschenrechte für Kolumbien.
Quelle: www.misereor.de