savethechildrenBerlin. - Jedes dritte Mädchen auf der Flucht in Nordafrika ist mit sexuellem Missbrauch konfrontiert. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Save the Children, für die Mädchen befragt wurden, die nach oder durch Nordafrika geflohen sind. Der Bericht "Girls on the Move in North Africa" von Save the Children und dem internationalen Think-Tank Samuel Hall untersucht, warum Mädchen aus ihren afrikanischen Heimatländern emigrieren und welchen Risiken sie in Nordafrika ausgesetzt sind. Demnach fliehen viele Mädchen vor Gewalt, Missbrauch, Zwangsverheiratung, fehlenden beruflichen Perspektiven und Familienkonflikten, sind aber auf ihrer Reise weiteren Gefahren ausgesetzt. Eine sichere Fluchtroute gibt es für sie nicht.

"Vor 30 Jahren verschärfte Deutschland das Asylrecht – seitdem ist es nahezu unmöglich, auf sichere Weise hierher zu gelangen. Gleichzeitig nimmt aber die Zahl der Geflüchteten weiter zu", erklärte Meike Riebau, Expertin für Flucht und Migration bei Save the Children Deutschland. "Die Drittstaatenregelung und Europas Abschottungspolitik bringen Geflüchtete in lebensgefährliche Situationen, darunter auch viele Kinder. Unsere Studie zeigt anhand vieler Erlebnisberichte, welchen Gefahren Mädchen auf der Flucht in Nordafrika ausgesetzt sind."

In den Interviews gab jedes dritte Mädchen an, sexuellen Missbrauch oder andere geschlechtsspezifische Gewalt erlebt oder beobachtet zu haben. Jedes fünfte Mädchen nannte häusliche Gewalt als Grund für ihre Flucht, während jedes siebte Mädchen einer Zwangs- oder Frühverheiratung entgehen wollte. Die Interviews wurden im Jahr 2022 mit Mädchen und jungen Frauen im Alter von neun bis 24 Jahren geführt. Die meisten von ihnen waren aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara geflohen und nach Libyen, Tunesien oder Marokko gelangt, einige reisten auch weiter nach Italien oder Spanien.

"Unsere Studie schließt eine Wissenslücke zu geschlechtsspezifischen Fluchtursachen und Risiken", sagte Meike Riebau. "Um geflüchtete Mädchen angemessen zu unterstützen, müssen wir verstehen, woher sie kommen, was sie erlebt haben und mit welchen Gefahren sie konfrontiert sind. Bisher werden diese Mädchen auf ihrer Suche nach Schutz weitgehend allein gelassen. Es müssen dringend Strukturen geschaffen werden, um sie vor Gewalt und Missbrauch zu schützen."

Die Zahl der Migrantinnen und Migranten weltweit ist laut Internationaler Organisation für Migration auf die Höchstmarke von 281 Millionen gestiegen. Insbesondere im Nahen Osten und in Nordafrika sind immer mehr Kinder unterwegs, zunehmend auch Mädchen.

Tory Clawson, Leiterin der Save the Children-Initiative für Migration und Vertreibung, fordert mehr Aufklärung über die Gefahren. "Mädchen und ihre Familien brauchen schon bevor sie ihre Heimat verlassen Informationen, um auf ihrer Reise sicher zu sein. Und in den Transitländern brauchen wir Strukturen, die Mädchen schützen und ihnen den Zugang zu sozialen und medizinischen Diensten sichern."

Die 20-jährige Rainatou aus Côte d’Ivoire flüchtete nach Spanien, nachdem ihr Vater sie misshandelte und in eine polygame Ehe mit einem viel älteren Mann zwingen wollte. "Meine Schwestern sind von zu Hause geflohen, und wir haben bis heute nichts von ihnen gehört", berichtete Rainatou. "Als mein Vater das herausfand, verbrannte er mir die Füße. Er sagte, wenn du keine Füße hast, kannst du nicht weggehen." Rainatou gelang trotz allem die Flucht. Auf sich allein gestellt und ohne Geld war sie fünf Tage lang zu Fuß unterwegs, bevor sie von einem Lastwagen in die nächste Stadt gebracht wurde.

Die 14-jährige Marie aus Kamerun floh zusammen mit ihrer Mutter. Beide wurden in Marokko und Algerien mehrfach von Menschenschmugglern eingesperrt. "Wir kamen in einem kleinen Dorf an. Dort haben uns Leute abgeholt und an einen anderen Ort mit Frauen und Kindern gebracht", erzählte Marie. "Wir blieben ein paar Tage und bekamen nichts zu essen oder zu trinken. An diesem Ort wurden Erwachsene und sogar Kinder vergewaltigt. Auch mich wollten sie vergewaltigen, aber meine Mutter konnte mich retten."

Auch Festnahmen und Inhaftierungen gehören zu den Risiken für Geflüchtete. Dies erlebte die 16-jährige Noella, die ihre Heimat in Côte d‘Ivoire verließ und heute in Italien lebt. Sie wurde von der libyschen Küstenwache abgefangen und in ein Internierungslager gebracht. "In Libyen haben sie meinen Kopf gegen die Wand geschlagen", berichtete Noella. "Sie verlangten Geld, und da ich keine Familie habe und nicht zahlen konnte, haben sie mich schlecht behandelt. Ein anderes Mal haben sie mir eine Plastiktüte ins Gesicht gedrückt. Sie wollten mir wehtun."

Quelle: www.savethechildren.de


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