"Schon 2500 Menschen ertrunken" schlagzeilt die taz. Das Mittelmeer wird zum "Grab der Menschenwürde" sagte Papst Franziskus zuletzt in Marseille und übte scharfe Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik. Derweil ringen die EU-Innenminister um einen Asylkompromiss. Deutschland bewegt sich endlich, zwar im Schnecken-"Deutschlandtempo", da blockiert Italien.
Der bevölkerungs- und wirtschaftsstärkste EU-Staat Deutschland gibt seinen Widerstand bei der EU-Asylreform auf. "So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung wochenlang damit erklärt, dass dieses Regelwerk EU-Staaten ermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten inakzeptabel zu senken" meldet die FAZ.
Nun, da sich ein Kompromiss abzeichnet, was bei einem so heiklen Thema wie der Migrationspolitik kein leichtes Unterfangen ist, meldet sich Italien zu Wort. Italiens kritische Haltung zu Einsätzen von Seenotrettungsschiffen führte zum Streit beider EU-Länder. "Italiens Regierung kritisiert die deutschen Finanzhilfen für Organisationen, die sich auf italienischem Boden um Migranten kümmern. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich deshalb auch bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beschwert", berichtet Zeit Online.
Mit Blick auf die seit Wochen aufgeheizte Debatte zur Flüchtlingspolitik und den ausufernden Vorschlägen zu immer mehr Abschreckungsmaßnahmen appelliert die Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisation PRO ASYL am bundesdeutschen Flüchtlingstag (29.09.) an alle Politiker*innen der demokratischen Parteien: Beteiligen Sie sich nicht weiter an den rechten Diskursen, die sich allein darum drehen, Menschenrechte einzuschränken und nicht-demokratische politische Prozesse anzustoßen. Halten Sie dagegen, nehmen Sie die Lösungsvorschläge der Zivilgesellschaft ernst, die tagtäglich mit geflüchteten Menschen arbeiten. Die aufgeheizte Debatte um Geflüchtete entgleitet zusehends.
Nicht nur die erstarkte AFD, sondern auch viele Wortbeiträge aus den demokratischen Parteien haben in den letzten Wochen und Monaten rechte Narrative normalisiert. Geflüchtete werden zum Sündenbock für jahrzehntelang verfehlte Sozial- und Wohnungsbaupolitik gemacht. Das ist nicht nur fernab der Realität, sondern auch brandgefährlich. Vorhandene konkrete Lösungsvorschläge spielen in der öffentlichen Debatte kaum noch eine Rolle, kritisiert PRO-Asyl in ihrer Pressemitteilung.
Migrationsforscher und Mitgründer sowie Vorsitzender der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative Gerald Knaus erklärt im Deutschlandfunk Kultur hingegen, dass durch den Kompromiss, weder weniger Menschen irregulär in die EU einreisen, noch im Mittelmeer sterben würden. Letztes Jahr kamen beispielsweise 21.000 Ägypter nach Italien. Viele erhielten am Ende keinen Schutzstatus, davon wurden lediglich 300 Menschen zurückgeführt. Was passiert also, wenn Menschen nun länger festgehalten würden und wo sollen sie festgehalten werden? Auf Lampedusa, wo es 400 Plätze gibt? Diese Fragen wurden in der EU nicht einmal diskutiert.
Die jahrelange Migrationskrise sei Knaus zufolge kein rechtliches Problem, sondern vielmehr ein politisches, strategisches, und logistisches. Bereits heute würden Standards für Asylsuchende verletzt, wenn man an Berichte aus Flüchtlingslagern wie Moria denkt. Das Problem müsse im Kern angegangen werden. So müssten einerseits legale Wege geschaffen werden, damit Schutzbedürftige regulär in die EU einreisen und sich nicht auf den lebensgefährlichen Weg mit Schmugglern begeben müssen. Andererseits braucht es mehr sichere Staaten auch außerhalb Europas, wo Asylverfahren durchgeführt werden.