Bericht von der Internationalen Konferenz über "Alternative Lösungen für Indonesiens Auslandschulden"

Paris. - INFID, das "International NGO Forum on Indonesian Development" veranstaltete gemeinsam mit neun anderen Ko-Organisatoren, darunter Erlassjahr.de, VEM, Eurodad, etc. eine Konferenz am 8.4.2002 in der französischen Nationalversammlung über mögliche Alternativen für das Schuldenmanagement Indonesiens. Die Veranstaltung fand 3 Tage vor den offiziellen Verhandlungen des Pariser Clubs zur Umstrukturierung von US $ 6 Mrd. von insgesamt US $ 143 Mrd. indonesischer Auslandschulden statt. Sie wurde von Michel Rocard, einem ehemaligen franz. Ministerpräsidenten, eröffnet und brachte die Ansichten von 5 Fachleuten zu Gehör.

Die Debatte im Anschluss an die Vorträge der Experten nutzte sehr stark medizinische Analogien. Sie führte die über 100 Teilnehmer zu der Einschätzung, dass das Ausmaß der an der Wurzel der indonesischen Verschuldung liegenden Korruption ein Anzeichen für eine Krankheit der Gesellschaft darstellt, die auf ganz anderen Ebenen als der finanziellen behoben werden muss. Aber das Schuldenproblem hat für die Entwicklung der Gesellschaft jetzt eine solche Bedeutung erreicht, dass dringend drastische Schritte in Richtung Entschuldung unternommen werden müssen.

Michel Rochard (z.Z. Europaparlamentarier) verwies darauf, dass Indonesien nicht auf der Liste der hoch verschuldeten ärmsten Länder (HIPC-Länderliste) steht. Aber kaum ein HIPC- Land ist so tief verschuldet wie Indonesien. Seine Auslandsschulden machen 19% des BSP aus; sein Auslandsschuldendienst beläuft sich auf 40% des BSP. Er betonte, dass die US $ 143 Mrd. Auslandsschulden für liefergebundene Projekte (tight aid) aufgelaufen sind, also nicht notwendigerweise Vorhaben in der Priorität Indonesiens. Er bezifferte das Ausmaß der Korruption in Indonesien auf 30% des BSP und folgerte daraus, dass Indonesien Hilfe von außen braucht in Form von Konditionalität, denn kein Land kann mit so viel Korruption alleine umgehen. Er forderte die langfristige Umstrukturierung von Indonesiens Schulden, nicht die jeweilige Verschiebung der Rückzahlung auf 4 oder 5 Jahre, Debt to Poverty Reduction Swaps sollten realisiert werden. Vor allem sollten die interne Wirtschaft und der Handel gefördert werden, es solle Schluss sein mit der Exportpriorität.

Dr. H. S. Dillon, ein ehemaliger Finanzminister Indonesiens, sprach als Mitglied der nationalen Human Rights Commission. Er betonte, dass das Schuldenmachen das Suharto Regime an der Macht gehalten habe. Steuererhöhungen mussten nicht gegenüber der Bevölkerung durchgesetzt werden. Das Geld ermöglichte ein "Mafia Type of Management", sogar der Oppositionsführer sei gekauft gewesen. Bei Schwierigkeiten sei mit Gewalt und Menschenrechtsverletzungen reagiert worden. Der Bankensektor wurde de-reguliert, der Kapitalmarkt geöffnet, obgleich das lokale Sparpotential außerordentlich schwach war, der makro-ökonomische Politik des IWF wurde nichts entgegengesetzt. In den letzten 3 Jahrzehnten steigerten die oberen 10% der Gesellschaft ihre Einkommen um 35%, die unteren 5 % verloren 40% von ihrem Einkommen. Es gehe nicht an, dass durch die ständige Schuldenumstrukturierung letztlich eine unterernährte, kranke und wenig gebildete junge Generation unter anrüchigen Bedingungen zustandegekommene Schulden (odious debts) zurückzahlen müsse. Die Zivilgesellschaft müsse sich künftig in die Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik einmischen.

Der Schuldenanalytiker Francis Lemoine von dem europäischen Entschuldungsnetzwerk Eurodad betonte die Bedeutung der internen Verschuldung Indonesiens. 47% des BSP würden bisher aufgewendet, um die nationalen Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. In den vergangen 4 Jahren habe Indonesien einen Nettokapitalexport erlebt, eine bedrohliche Situation für ein Entwicklungsland. Er forderte eine Entschuldung, bei der nur 1/3 des Steueraufkommens für die Auslandschulden herangezogen werden sollen. Allerdings erst, nachdem zuvor die Kosten des Staates, der Sozialsektoren und Inlandverschuldung aus dem Haushalt bedient wurden. Um den Schuldendienst auf die Hälfte zu senken, müsse der Schuldenberg um 79% reduziert werden.

Nancy Birdsall vom Center for International Development in Washington bezeichnete die zweijährig wiederkehrende Vorführung Indonesiens und anderer Länder vor den Pariser Club als "dumm". Es müsse jetzt eine chirurgische Schuldenoperation stattfinden. Je höher der Schuldenberg wachse, desto weniger Neuinvestitionen gebe es, mit der Gefahr, dass die Armutsfalle sich erneut öffne. Indonesien müsse jetzt auf Entschuldung drängen. Je mehr Afrika entschuldet werde, desto weniger Mittel stünden für die Entschuldung Indiens, Pakistans und Bangladeschs zur Verfügung. Die Entschuldung Indonesiens ( ca. US $ 50 Mrd.) erscheine zwar teurer als die ganze HIPC Entschuldung (bisher ca. US$ 34 Mrd.) Aber über 10 Jahre verteilt entspreche sie einer Erhöhung der ODA für Indonesien von ca. 8%.

Nancy Birdsall, die als Teil des Washingtoner Establishments zu sehen ist, sagte: "Die Geber sind gegenwärtig verwirrt, sie wissen nicht genau wie das Schuldenmanagement weiter gehandhabt werden soll. Die Standards haben sich verschoben. Heute sind Menschenrechte, Anti- Korruption und der Krieg gegen den Terror wichtig. Aus dieser Verwirrung ergibt sich für Indonesien eine gute Gelegenheit für einen harten Handel ("grand bargain"). Aber Indonesien braucht einen starken Partner, IWF/ WB oder ein bilaterales Partnerland, das Indonesien gut kennt!"

Überhaupt sei die "Aid Architecture" zu erneuern. Bisher liege die Aufmerksamkeit ganz bei den Empfängern von Hilfe. Es sei Zeit, die Geber näher unter die Lupe zu nehmen: Schluß mit der Lieferbindung gerade auch bei der Nahrungsmittel- und der technischen Hilfe. Für die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit müsse ein Controlling eingeführt werden, das verlässlich darüber informiere, wann die Schulden nicht mehr einzutreiben seien. Über Abschreibungen müsse die Öffentlichkeit informiert werden, Rückstellung müssten rechtzeitig gebildet werden. Ein Development Action Committee (wie bei der OECD) auf der Empfängerseite von Hilfe könnte einen Verhaltenskodex für Geber erarbeiten oder sogar ein PRSP für Geber einführen.

Dr. Kumaro Djaja, Staatsekretär im indonesischen Finanzministerium, betonte, dass diese Konferenz wesentlich eher hätte stattfinden sollen. Dann wäre Zeit für Strategiebildung und für bilaterale Gespräche mit den Gebern gewesen. Indonesien werde bei den kommenden Verhandlungen sich ausschließlich zur Tagesordnung äußern, d.h. Policy-Maßnamen darstellen, die den Gebern verdeutlichten, dass Indonesien ein finanziell verlässlicher Partner bleibe (fiscal sustainability). Insgesamt wolle Indonesien mehr Steuern bei den Reichen einsammeln. Aber es wolle auch darstellen, dass die wiederholten Pariser-Club-Treffen nicht helfen. Es brauche einen deutlichen Entschuldungsschnitt (haircut), eben eine Operation.

In der anschließenden Debatte wurde betont, dass Indonesien auf eine nachhaltige Entschuldung drängen müsse, intern eine Politik der guten Regierungsführung brauche und dass der Zivilgesellschaft eine besondere Rolle zukomme. Das Land solle zuerst seine internen Märkte und Wirtschaftssektoren stärken, weniger den Export. An die indonesischen Entschuldungsverhandlungen von 1969 durch den nicht unumstrittenen deutschen Banker Herrmann Josef Abs erinnerte ein Vortrag von Jürgen Kaiser von Erlassjahr.de. Er betonte die Notwendigkeit eines neutralen, aber glaubwürdigen Dritten für Entschuldungsverhandlungen und forderte ein faires und transparentes Schiedsverfahren zur Entschuldung Indonesiens. Eine "Abs-ähnliche" Verhandlungs- bzw. Entschuldungsinitiative wurde von Staatsekretär Kumoro Djaja begrüßt. Indonesien wird in 2004 und 2006 etc. wieder nach Paris kommen müssen. Strategien, in 2004 eine größere Entschuldung durchzusetzen, haben eine Chance. Indonesien könnte das erste Land werden, das als Staat die Möglichkeiten eines Insolvenzverfahrens nutzt. Zivilgesellschaftliche Kräfte sind aufgefordert daran zu arbeiten, dass es ein faires und transparentes Verfahren wird.

Peter Lanzet (EED)


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