Berlin/Genf (epo). - Einem neuen Bericht der internationalen Hilfsorganisation Oxfam zufolge üben reiche Länder verstärkt Druck auf arme Länder aus, ihre Märkte zu öffnen. Zugleich schütten sie subventionierte landwirtschaftliche Produkte zu Dumping-Preisen auf diese Märkte und vernichten so die Lebensgrundlage armer Bauern.

Das neue "Schlachtfeld, auf dem arme Länder gezwungen werden, ihre Importzölle zu senken", sei die Welthandelsorganisation (WTO), so Oxfam. Diese neuerlichen "Attacken" erhöhten die ökonomische Verletzbarkeit armer Länder, zerstörten bäuerliche Gemeinschaften, bedrohten die Nahrungsmittelsicherheit und stürzten Millionen Bauern in noch tiefere Armut, so der Bericht "Kicking Down the Door - Marktöffnung um jeden Preis".

Armen Ländern sei versprochen worden, dass für sie lebenswichtige Agrarprodukte von den Kürzungen der Schutzzölle im Rahmen der WTO ausgenommen würden, aber die reichen Länder versuchten nun, dieses Versprechen zu verwässern, berichtet Oxfam. Die USA hätten erklärt, sie akzeptierten nur eine "sehr begrenzte Anzahl" von Ausnahmen. Der Welthandel mit Reis verdeutliche die große Gefahr für arme Bauern.

2003 subventionierten die USA dem Bericht zufolge ihre 1,8 Milliarden US-Dollar teure Reisernte mit 1,3 Milliarden Dollar. Das habe es ihnen ermöglicht, 4,7 Millionen Tonnen Reis zu 34 Prozent unter den Produktionskosten auf den Weltmarkt zu werfen und dadurch armen Länder wie Haiti, Ghana und Honduras zu schaden. Oxfam fordert, Entwicklungsländer sollten das Recht haben, schwache landwirtschaftliche Sektoren zu entwickeln und konkurrenzfähig zu machen.

"Dies ist eines der krassesten Beispiele für manipulierte Regeln und zweierlei Maß im Welthandel. Reiche Länder fordern von armen Ländern, ihre Handelsbarrieren zu beseitigen und zugleich fahren sie fort, eigene Überproduktion und Dumping zu fördern. Ihre eigennützigen Motive könnten nicht offensichtlicher sein", so Phil Bloomer, Leiter der Kampagne "Make Trade Fair" von Oxfam International.

"US-amerikanischer Reis wäre nicht wettbewerbsfähig ohne die massiven staatlichen Subventionen. Es ist skandalös, dass arme Länder gezwungen werden, damit zu konkurrieren. Schlimmer noch, dass ihnen die Möglichkeit verweigert wird, sich selbst vor Dumping zu schützen, das ist eine doppelt unfaire Attacke."

Wenn sich reiche Länder innerhalb der WTO durchsetzten, dann seien Indien, China, Nicaragua und Ägypten unter den 13 Entwicklungsländern, die gezwungen sein könnten, ihre Importzölle für Reis zu senken und damit durch billige Importe gefährdet würden, warnt der Bericht. Hingegen würde die US-amerikanische Reisindustrie von dem erweiterten Zugang zu Märkten armer Länder profitieren.

Die Profite von Riceland Foods aus Arkansas (USA) - der weltgrößten Reismühle - stiegen laut Oxfam innerhalb eines Jahres (2002 bis 2003) um 123 Millionen US-Dollar, weitestgehend wegen eines 50-prozentigen Exportanstiegs. Ein Großteil ging nach Haiti, das 1995 unter Druck des IWFs gezwungen wurde, die Importzölle für Reis von 35 Prozent auf nur drei Prozent zu senken. Als Ergebnis stieg der Reisimport in neun Jahren um 150 Prozent. "Heute kommen drei von vier Portionen Reis, die in Haiti verzehrt werden, aus den USA", so Oxfam. Die Existenzgrundlage der lokalen Bauern sei zerstört worden, und in den Reisanbaugebieten fänden sich die höchsten Raten von Unterernährung und Armut.

Reis ist nicht das einzige Agrarprodukt, das durch die WTO-Vorschläge gefährdet ist. Oxfam schätzt, dass Entwicklungsländer ebenso Zollsenkungen beim Import von Geflügel (18 Länder), Milchpulver (14 Länder), Zucker (13 Länder), Sojabohnen (13 Länder), Mais (7 Länder) und Weizen (6 Länder) riskieren, mit potenziell zerstörerischen Folgen für alle diese Sektoren.

Neben der WTO nutzten die reichen Länder außerdem die Weltbank, den IWF und regionale Handelsabkommen, um Entwicklungsländer zu drängen, ihre Märkte vorschnell zu öffnen. Verschlimmernd komme hinzu, dass die reichen Länder ihre Entwicklungshilfe für den Agrarbereich in den letzten 18 Jahren um mehr als zwei Drittel gekürzt hätten.

"Handel könnte entscheidend dabei helfen, 2005 einen Durchbruch im Kampf gegen die weltweite Armut zu erzielen, jedoch nur, wenn es armen Ländern erlaubt ist, eine Politik zu betreiben, die ihrer eigenen Entwicklung auch nützt. Die armen Länder wurden gezwungen, ihren Handel schneller und umfassender zu liberalisieren, als dies je eine der Industriemächte in der bisherigen Geschichte tat. Sie haben genug von dieser Schocktherapie und sollten sie nicht weiter erdulden müssen", erklärte Bloomer.

"Arme Länder mit einem sich erst entwickelnden Reissektor können nicht mit einer subventionierenden Supermacht wie den USA mithalten oder mit großen Exportländern, die Reis billig exportieren können. Sie brauchen Zeit und Spielraum, um sich zu etablieren", stellte er fest.

"Im Vorfeld der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong ist es wichtig, dass reiche Länder die Bereitschaft erkennen lassen, über eine Handelspolitik zu verhandeln, die wirklich zur Armutsbekämpfung beiträgt und dass sie nicht weiter kurzsichtig nur ihre eigenen, begrenzten Interessen und Konzerngewinne im Blick haben."

Der Oxfam-Bericht beinhaltet die folgenden Vorschläge:

  • Jedes neue WTO-Abkommen muss es Entwicklungsländern ermöglichen, die Einfuhr von Produkten zu regulieren, die eine Bedrohung für die Lebensgrundlage ihrer Bauern darstellen.
  • Reiche Länder müssen Verhandlungen über bilaterale Handelsabkommen, welche Entwicklungsländer zwingen, ihre Märkte zu öffnen, beenden.
  • Der IWF und die Weltbank müssen aufhören, Regierungen armer Länder zu nötigen, ihre Zölle pauschal zu senken.
  • Die Regierungen der Entwicklungsländer müssen sicherstellen, dass ihre Agrarpolitik der Armutsbekämpfung dient.

Der Bericht "Kicking Down the Door - Marktöffnung um jeden Preis" wird im Rahmen von Oxfams langjähriger Kampagne Make Trade Fair veröffentlicht.

www.maketradefair.com
Oxfam Deutschland


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