Kairo/Göttingen (epo.de). - Die ägyptische Regierung versucht aus der weltweit grassierenden Schweinegrippe politisches Kapital zu schlagen, indem sie die Minderheit der koptischen Christen zu Sündenböcken abstempelt und religiöse Spannungen schürt. Diesen Vorwurf hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag erhoben, nachdem Ägpten die Massenschlachtung von bis zu 250.000 Schweinen angeordnet hatte. "Die christliche Minderheit fühlt sich ungerecht behandelt und fürchtet neue Übergriffe der muslimischen Mehrheitsbevölkerung", warnte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.
Hunderte koptische Slumbewohner hatten am Sonntag in Kairo gegen die Zwangsmaßnahme protestiert. Viele Kopten sind verarmt und auf das Fleisch der Schweine und die Einnahmen aus der Tierhaltung angewiesen.
Das ägyptische Parlament hatte sich am 28. April für die Schlachtung von bis zu 250.000 Schweinen ausgesprochen, die überwiegend von Christen gehalten und deren Fleisch auch nur von ihnen gegessen wird. Einen Tag später wurde mit der Massenschlachtung begonnen. Als internationale Experten mit Unverständnis auf die Anordnung reagierten, habe das Gesundheitsministerium die umstrittene Entscheidung als Maßnahme zur generellen Gesundheitsvorsorge gerechtfertigt, so die GfbV. "Es ließ sich auch nicht durch den Einwand umstimmen, dass selbst im Falle einer Infektion von Schweinen in Ägypten (die bislang noch nicht festgestellt wurde) der Konsum des gebratenen Fleisches nicht zu Ansteckungen führe, da Krankheitserreger bei einer Temperatur von 70 Grad abgetötet würden."
"Ägyptens Behörden scheinen sich mit ihrem Aktionismus auf Kosten der Minderheit profilieren zu wollen", sagte Delius. "Doch wer die Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen in Ägypten wirksam bekämpfen will, muss seine Kräfte darauf konzentrieren, die Verarmung der Bevölkerung und die Entstehung immer neuer Slums zu verhindern."
Dies habe jedoch offenkundig keinen Vorrang in der Politik des Mubarak-Regimes, kritisierte die GfbV. So sei die Zahl der Slums vom Jahr 2000, als 916 Elendsviertel im Land gezählt wurden, bis zum Jahr 2006 auf 1228 gestiegen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung lebten unter der Armutsgrenze. Mindestens 12,2 Millionen Ägypter hausten in Elendsvierteln, in den sich schwere Krankheiten stetig ausbreiteten.
"Angesichts dieser katastrophalen Bilanz ist es bizarr, wenn Ägyptens Regierung die Zwangsschlachtung nun als "dringende Maßnahme zur Sicherung der Gesundheit" bezeichnet, so die GfbV. Die rund zehn Millionen Kopten klagten regelmäßig über Übergriffe und Diskriminierung durch die Behörden und die muslimische Mehrheitsbevölkerung.
Foto: Schweinegrippe-Erreger © C. S. Goldsmith and A. Balish, CDCwww.gfbv.de