Stop Ilisu KampagneWien/Berlin (epo.de). - Die türkische Regierung hat nach Berichten von Umweltschützern beim Bau des Ilisu-Staudammes in Ost-Anatolien erneut gegen internationale Auflagen verstoßen. Sie enteigne weiterhin die Bevölkerung im Staudammgebiet am Tigris und breche damit "zum wiederholten Male die Auflagen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz", erklärte die "Stop Ilisu"-Kampagne am Dienstag in Wien. Bis zum 6. Juli müssen die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz entscheiden, ob sie die Investitionen für den umstrittenen Ilisu-Staudamm am Tigris in der Türkei mit Exportbürgschaften in Höhe von rund 500 Millionen Euro absichern.

Mit Gerichtsbeschluss vom 6. Mai sei etwa 30 Familien nahe Hasankeyf das Land genommen und zu einem Spottpreis abgegolten worden, so die Kampagne. "Das Vorgehen ist besonders brisant, weil die Enteignung kurz vor Ablauf des Ultimatums an die türkische Regierung stattfand. Dieser Fall beweist erneut, dass die türkische Regierung nicht Willens oder in der Lage ist, internationale Standards zu erfüllen."

Der Sprecher der Stop Ilisu Kampagne, Ulrich Eichelmann, sagte, die andauernde Missachtung der Auflagen und die Ignoranz der türkischen Behörden gegenüber den europäischen Vertragspartnern könne nur eine Konsequenz haben: "den Ausstieg der Europäer ohne Wenn und Aber."

Ludwig Fliesser, Student der Sozialantropologie an der Universität Wien, war im Rahmen seiner Diplomarbeit über das Ilisu-Projekt auf den Skandal gestoßen. Drei Wochen lang hatte er in Ankara und in den Ortschaften am Tigris recherchiert. Jetzt erhielt er von den Bewohnern den Gerichtsbescheid über die Enteignung von etwa 30 Familien aus Kesmeköprü III, einem kleinen Ort am Tigris gegenüber Hasankeyf. Der Bescheid sei am 6. Mai erlassen worden - in der Zeit, als die Verträge mit den Europäern "auf Eis" lagen, so Stop Ilisu.

Die türkischen Behörden wollten nach Angaben der Staudammgegner für den Bau von "Neu-Hasankeyf" das Land gegenüber der antiken Stadt erwerben. Doch statt den betroffenen Familien gemäß den Auflagen und internationalen Standards den adäquaten Wiederbeschaffungswert des Landes auszuzahlen, wollten die Behörden die Bauern mit einem Spottpreis abfinden. Die Bauern fühlten sich betrogen und lehnten das Entschädigungsangebot ab. Daraufhin reichte die türkische Regierung im Januar 2009 beim zuständigen Amtsgericht in Batman Klage ein, um die Enteignung dennoch durchzusetzen. Anfang Juni kam nun der Bescheid. "Die ohnehin schon geringe Entschädigungssumme wurde nochmals um ca. 40 Prozent gekürzt und das Land in das Staatseigentum überführt. Die betroffenen Familien stehen vor dem Nichts", berichtet die Kampagne.

"Der Entscheid des Gerichts in Batman ist skandalös. Wiederum führt die türkische Wasserbehörde die Europäer vor und ignoriert sogar die sechsmonatige Suspendierung der Verträge", empört sich Christine Eberlein von der Erklärung von Bern.

Bereits 2007 waren Dörfer an der Baustelle bei Ilisu enteignet und mit einem Minimalpreis abgespeist worden. Auf Druck der Stop Ilisu-Kampagne hatten die drei europäischen Regierungen das Vorgehen gestoppt und die Türkei hatte Besserung gelobt. "Mit den neuerlichen Enteignungen zeigt die türkische Regierung, dass sie nach wie vor kein Interesse an einer Kooperation mit Europa hat. Es ist höchste Zeit, endlich aus dem verheerenden Projekt auszusteigen", stellte Heike Drillisch von der deutschen Ilisu-Kampagne "Gegenströmung" fest.

Diese Woche sollen die Experten sowie Vertreter der Exportkreditagenturen die Erfüllung der Auflagen vor Ort überprüfen. Die Entscheidung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz über Ausstieg oder Verbleib im Projekt dürfte unmittelbar danach fallen.

Durch den Ilisu-Staudamm würden nach Angaben von Umweltschützern und Experten rund 65.000 Menschen ihre Heimat verlieren, 400 Kilometer Flusslandschaften zerstört und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten gefährdet. Rund 300 wertvolle archäologische Stätten würden im Stausee versinken, darunter mit Hansankeyf eine der ältesten Städte der Menschheit.

Ilisu: Vernichtende Kritik an Damm-Projekt
www.stopilisu.com
www.gegenstroemung.org

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