Accra/Berlin (epo.de). - US-Präsident Barack Obama hat bei seinem Staatsbesuch in Ghana an die Eigenverantwortung der Afrikaner appelliert, Korruption und Despotismus zu bekämpfen und das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. In einer pathetischen Rede vor dem Parlament in Accra mahnte Obama, dessen Vater aus Kenia stammt: "Afrikas Zukunft hängt von den Afrikanern ab". Die USA stünden aber bereit, den Kontinent bei der Beilegung gewaltsamer Konflikte und im Kampf gegen Krankheiten wie Malaria oder Aids zu unterstützen. Während Obama "gute Regierungsführung" als Voraussetzung für Entwicklung einforderte, setzt seine Administration zur Durchsetzung geostrategischer Interessen in Afrika jedoch auf militärische Stärke und weiterhin auch auf Diktatoren als Partner.
"Entwicklung hängt von guter Regierungsführung ab", sagte Obama in seiner Grundsatzrede vor dem ghanaischen Parlament. Er wandte sich explizit an junge Menschen, die etwas verändern könnten. Der Kontinent brauche starke Institutionen, keine autoritären und korrupten Führer, sagte Obama. "Kein Land kann Wohlstand schaffen, wenn seine Politiker die Wirtschaft ausbeuten, um sich selbst zu bereichern." Die USA würden künftig bei der Vergabe von Entwicklungshilfe vermehrt auf eine "gute Regierungsführung" achten.
MEHR ENGAGEMENT IN KONFLIKTEN
Obama zeigte in Accra die bereits zuvor bekundete Entschlossenheit der USA, mehr zur Beilegung gewaltsamer Konflikte in Afrika beizutragen. "Diese Konflikte sind ein Mühlstein um den Hals Afrikas", sagte Obama. Explizit nannte der US-Präsident den "Völkermord" in der sudanesischen Provinz Darfur und die "Terroristen" in Somalia. Dies seien nicht nur afrikanische Probleme, sondern Bedrohungen der globalen Sicherheit, die nach einer globalen Antwort verlangten.
Der US-Präsident verteidigte die vermehrte militärische Präsenz der USA in Afrika, die sein Vorgänger George W. Bush mit der Einrichtung des United States Africa Command (AFRICOM) vorangetrieben hatte. AFRICOM solle nicht Stützpunkte für die USA schaffen, sondern gemeinsamen Bedrohungen entgegentreten. Auch bei der Ausrottung von Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose und Kinderlähmung wolle die US-Regierung helfen.
SCHONUNGSLOSE OFFENHEIT
Obama nahm in Accra mit deutlichen Worten gegen undemokratische Praktiken und unfähige Regierungen Stellung. "Länder wie Kenia, die ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Südkorea hatten, als ich geboren wurde, sind böse ausgestochen worden. Seuchen und Konflikte haben Teile des afrikanischen Kontinents verwüstet." Es sei jedoch zu einfach, die Schuld bei der kolonialen Vergangenheit zu suchen. "Der Westen ist nicht verantwortlich für die Zerstörung der Wirtschaft in Zimbabwe im letzten Jahrzehnt, oder für Kriege, in denen Kinder als Soldaten rekrutiert werden."
Wörtlich sagte Obama: "No country is going to create wealth if its leaders exploit the economy to enrich themselves, or police can be bought off by drug traffickers. No business wants to invest in a place where the government skims 20 percent off the top, or the head of the Port Authority is corrupt. No person wants to live in a society where the rule of law gives way to the rule of brutality and bribery. That is not democracy, that is tyranny, and now is the time for it to end."
Die US-Administration hatte bewußt Ghana als erster Reiseziel Obamas in Subsahara-Afrika ausgesucht. Ghana gilt als Musterschüler einer markfreundlichen Demokratisierung in Afrika. Obama zeigte den Weg auf, wie die USA künftig Einfluss nehmen wollen:
"What we will do is increase assistance for responsible individuals and institutions, with a focus on supporting good governance – on parliaments, which check abuses of power and ensure that opposition voices are heard; on the rule of law, which ensures the equal administration of justice; on civic participation, so that young people get involved; and on concrete solutions to corruption like forensic accounting, automating services, strengthening hotlines, and protecting whistle-blowers to advance transparency and accountability."
THEORIE UND PRAXIS
Die Geschichte sei nicht auf der Seite derjenigen, "die Staatsstreiche benutzen oder die Verfassung ändern, um an der Macht zu bleiben", erklärte Obama. "Afrika braucht keine starken Männer, sondern starke Institutionen".
In der Praxis unterstützt jedoch auch die Obama-Administration aus geostrategischen und geopolitischen Überlegungen heraus despotische Regime wie in Äthiopien und setzt wie schon die Vorgängerregierung Bush auf eine Mischung aus Militär- und Entwicklungshilfe. Das Budget der Obama-Administration sieht nach einer Analyse des Direktors des "African Security Research Project" in Washington, Daniel Volman, signifikante Steigerungen sowohl der "Security Assistance" als auch der Operationen des US Africa Command (AFRICOM) vor. Statt die Afrika-Politik einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, setze Obama den Kurs der Bush-Regierung fort.
Volman zufolge sieht der Etat 2010 eine Steigerung der Waffenverkäufe an afrikanische Länder von 8,3 Millionen Dollar 2009 auf 25,6 Mio. vor. Darunter sind undemokratische Staaten wie Tschad, Demokratische Republik Kongo und Äthiopien. Diese Länder sind auch in militärische Ausbildungsprogamme eingeschlossen, für die US$ 16 Mio. ausgegeben werden sollen. Die Mittel für die "Trans-Sahara Counter-Terrorism Partnership" sollen von 15 auf 20 Mio. Dollar und diejenigen für die "East Africa Regional Strategic Initiative" von 5 auf 10 Mio. erhöht werden. 67 Mio. Dollar sind für die Friedenstruppen der Afrikanischen Union in Somalia eingeplant. AFRICOM selbst soll mehr als 560 Millionen Dollar für operative Aufgaben erhalten.
Die US-Regierung sandte Ende Juni eine Schiffsladung mit Waffen und Munition nach Somalia, um die Regierung im Kampf gegen radikalislamische Milizen zu unterstützen. Nach einem Bericht der "Washington Post" stellt die US-Administration der somalischen Regierung, die lediglich einen geringen Teil des Landes beherrscht, bereits seit längerem Geheimdienstmaterial zur Verfügung.
In der Demokratischen Republik Kongo unterstützte AFRICOM eine Offensive der Armee gegen Rebelllengruppen mit Logistik, Geld und Ausrüstung. Fast tausend Zivililsten starben, weil sich die Rebellen deshalb in kleine Gruppen aufteilten und mordend durch die Dörfer zogen. Trotz Obamas Rhetorik für Multilateralismus und "Soft Power" und trotz der nachgewiesenen Inkompetenz und offender Missachtung der Menschenrechte durch die kongolesische Armee gehe die US-Armee weiterhin eigene Wege in Afrika, um US-Interessen durchzusetzen, urteilt Volman.
Obama-Rede im Wortlaut: "Africa: A New Moment of Promise" (PDF)