haiti_port_au_princeBonn (epo.de). - Während in Haiti die Nothilfe läuft, planen Hilfsorganisationen bereits für den langfristigen Wiederaufbau. Die Welthungerhilfe will ein Fünfjahresprogramm für das von einem schweren Erdbeben getroffene Land finanzieren. Das katholische Hilfswerk MISEREOR kritisierte, die Regierung Haitis informiere die Bevölkerung zu wenig und binde sie nicht in die Entscheidungen beim Wiederaufbau ein.

Die Welthungerhilfe nahm bis 1. Februar rund 14,2 Millionen Euro für Haiti ein, die sie für ein Fünfjahresprogramm verwenden will. "Dabei haben wir nicht nur die Nothilfe im Blick, sondern planen jetzt schon die langfristigen Maßnahmen", sagte Generalsekretär Wolfgang Jamann. Haiti habe schon bisher zu den zehn schlimmsten Hungerländern weltweit gehört. Gründe dafür seien unter anderem unstabile politische Rahmenbedingungen, Abholzung und billiger Importreis, der den Aufbau einer funktionierenden eigenen Produktion erschwerte. "Die jüngste Katastrophe kann zu einer echten Chance für das Land werden", so Jamann. "Voraussetzung ist, die Interessen der haitianischen Bevölkerung in den Mittelpunkt zu stellen und sie nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe in die Lage zu versetzen, das Land wieder aufzubauen und sich aus der Armut zu befreien."

Als erste Nothilfemaßnahme verteilte die Welthungerhilfe Nahrungsmittel – Reis und Bohnen – an rund 40.000 Menschen. Außerdem liefert sie weiterhin täglich Trinkwasser. Da viele ihr ganzes Hab und Gut verloren haben, begann am Montag eine große Verteilaktion von Planen und Seilen, Küchengeräten und Hygieneutensilien. Die Welthungerhilfe hat dazu den Schwerpunkt ihrer Hilfe in den Süden verlagert, in die Gegend um Petit-Goâve und Jacmel.

Dort wird es außerdem Aufräumarbeiten als sogenannte "Cash-for-Work"-Maßnahmen geben. Dabei erhalten Männer und Frauen aus der Gegend einen kleinen Lohn für die Arbeit. Als positiver Nebeneffekt wird damit die lokale Wirtschaft in der bettelarmen Region angekurbelt. Rund 31.500 Menschen sollen von dieser Hilfe profitieren.

Die ländliche Entwicklung ist ein Schwerpunkt der Welthungerhilfe. Da viele Felder zerstört wurden, gibt die Welthungerhilfe Saatgut an 3.000 Familien aus. Etwa 40 durch das Erdbeben zerstörte Wasserstellen werden wieder instand gesetzt. Die Bonner Organisation arbeitet dabei mit der lokalen Partnerorganisation "Concert Action" zusammen.

Im Zuge der Planungen werden weitere Hilfsmaßnahmen folgen. Dabei wird die Unterstützung auch auf den Norden ausgeweitet, auf das Gebiet um Jean Rabel. Dieses Gebiet wurde zwar nicht direkt vom Erdbeben getroffen, von dort werden aber 27.000 Flüchtlinge gemeldet. Dabei handelt es sich um obdachlos gewordene ehemalige Bewohner von Port-au-Prince. Auch sie sollen in die Hilfsmaßnahmen integriert werden.

DIE BEVÖLKERUNG MIT EINBINDEN

Das katholische Hilfswerk MISEREOR und sein lokaler Partner, die Kommission "Justice et Paix", kritisierten unterdessen, die Entscheidungen über weitere Katastrophen- und Wiederaufbauhilfe würden ohne Mitwirkung der Bevölkerung getroffen. In einem offenen Brief an Premierminister Jean Max Bellerive und den Präsidenten des Landes, René Garcia Préval, bittet die Kommission eindringlich, den Kontakt mit der Bevölkerung wieder aufzunehmen und ihre Absprachen nicht allein mit der internationalen Gemeinschaft zu führen. "Die Menschen kommen mit ausländischen Nahrungsmittellieferungen in Kontakt, die sie nicht kennen. Wer erklärt ihnen in ihrer Sprache, wie sie mit den Nothilfekits richtig umgehen, welche Nährwerte in den Lebensmitteln sind und in welchen Mengen sie gegessen werden dürfen?", so die Kommission.

Darüber hinaus würden jetzt schon Überlegungen angestellt, die Menschen aus der Hauptstadt Port-au-Prince in die umliegenden Gebiete umzusiedeln, um einen Wiederaufbau der Stadt zu organisieren. Doch all dies geschehe ohne die geringste Beteiligung der Bürger. "Wer informiert die Menschen über den Sinn dieser Maßnahmen, über die Regelungen und Begleitumstände und über die Garantien zur Rückkehr?", schreibt die Kommission weiter. Die Unsicherheit um ihre Zukunft belaste die Menschen extrem und erwecke den Eindruck, dass sie nicht Akteure beim Wiederaufbau, sondern passive Hilfeempfänger seien.

MISEREOR forderte die haitianische Regierung und die internationale Gemeinschaft vor Ort auf, eine bessere Kommunikation mit der Bevölkerung herzustellen, die Menschen in alle Planungen miteinzubeziehen und ihre Maßnahmen nach den Bedürfnissen der Menschen zu ergreifen. "Die Menschen vor Ort können ihre Zukunft in ihre eigenen Hände nehmen. Die Selbsthilfepotenziale der Menschen in Haiti müssen hinreichend wahrgenommen werden, kulturelle Vertrautheit, Sprach- und Ortskenntnisse genutzt werden", erklärte MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. Andernfalls würden Desinformation und Nichtbeteiligung die Unsicherheit und den Unmut der Bevölkerung fördern.

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